OGH vom 11.10.2016, 11Os61/16d

OGH vom 11.10.2016, 11Os61/16d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Rathgeb als Schriftführerin in der Strafsache gegen P***** wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 2 erster Fall idF BGBl 1974/60 und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 22 Hv 84/14i 101, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung wegen Schuld werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen im Übrigen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde P***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF BGBl 1989/242 (I/1), mehrerer Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (I/2), mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (I/3), eines Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB idF BGBl 1974/60 und mehrerer Verbrechen des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (II/1), mehrerer Vergehen der Blutschande nach § 211 Abs 2 StGB idF BGBl 1988/599 (II/2), mehrerer Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (III/1) und mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III/2) schuldig erkannt.

Danach hat er

I./ in zwei Angriffen zwischen 29. Mai und in P***** seiner am ***** geborenen Tochter M*****, vormals *****, seinen erigierten Penis mit der Aufforderung in den Mund eingeführt, diesen „wie ein Eis“ zu lutschen, wobei er ihren Kopf festhielt, sodass sie diesen nicht zur Seite drehen oder sich abwenden konnte und durch Andrücken am Hinterkopf seinen Penis wiederholt in ihren Mund einführte, sohin

1.) außer dem Fall des [§ 201] Abs 1 StGB idF BGBl 1989/242 eine Person mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen genötigt;

2.) eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht;

3.) sein minderjähriges Kind zur Unzucht missbraucht;

II./ von zumindest November 1995 bis zum in L***** in mehreren Angriffen, zumeist alle 14 Tage am Wochenende, seiner am ***** geborenen Tochter M*****, vormals *****, seinen erigierten Penis in die Scheide eingeführt, somit

1.) mit einer unmündigen Person den außerehelichen Beischlaf unternommen, wobei die dargestellten Taten eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich eine komplexe posttraumatische Belastungsstörung mit chronischem Verlauf zur Folge hatte;

2.) eine Person, mit der er in absteigender Linie verwandt ist, zum Beischlaf verführt;

III./ zwischen 2004 und August 2006 in L***** und andernorts mit der am ***** geborenen Tochter seiner Lebensgefährtin I***** fünf bis sechs Mal den Vaginalverkehr vollzogen und zwei Mal seinen Penis in ihren Mund eingeführt, somit

1.) mit einer unmündigen Person den Beischlaf und dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen;

2.) mit einer minderjährigen Person, die seiner Erziehung, Ausbildung oder Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person, geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw von einer solchen Person an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und „9“ StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Der Einwand (Z 5 vierter Fall) fehlender Begründung der Feststellungen zur Ausnützung des Autoritätsverhältnisses gegenüber I***** verfehlt die nach der Strafprozessordnung gebotene Orientierung an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (US 8, 25 f, 29 und 34; RIS Justiz RS0119370).

Indem die Rüge (nominell Z 5 der Sache nach Z 9 lit a) die Feststellungen zur subjektiven Tatseite ignoriert (US 4 f, 6 f, 8 f) und solcherart ein Feststellungsdefizit behauptet, entzieht sie sich gleichfalls einer meritorischen Erwiderung (RIS Justiz RS0099810).

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider ist der vom gezeigten Verhalten gezogene Schluss der Tatrichter auf das zugrundeliegende Wissen und Wollen (US 29) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS Justiz RS0116882).

Der kritisch psychologische Vorgang, der zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit eines Zeugen führt, kann als solcher aus § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht releviert werden (RIS Justiz RS0106588 [T9]). Die Behauptung des Beschwerdeführers (nominell Z 5a, der Sache nach Z 5 zweiter Fall), I***** habe ihn erst bei der kontradiktorischen Vernehmung der Gewalttätigkeiten bezichtigt, ist schlicht falsch (ON 2 S 109). Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) eigene beweiswürdigende Überlegungen anstellt, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Rechtliche Erwägungen der Tatrichter sind kein Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (RIS Justiz RS0100877; vgl auch Ratz , WK StPO § 281 Rz 413, 417).

Der behauptete Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot (§ 1 Abs 1 StGB) entbehrt der gebotenen Ableitung aus dem Gesetz. Gleiches gilt für den damit verbundenen Einwand des Beschwerdeführers (der Sache nach Z 9 lit b), die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wären bereits verjährt.

Hinzugefügt sei, dass das Rückwirkungsverbot des Art 7 Abs 1 MRK lediglich die Verurteilung wegen einer Handlung oder Unterlassung, die zur Zeit ihrer Begehung nicht strafbar war verbietet, nicht aber eine Veränderung des Laufs der Verjährungsfrist (vgl Marek in WK² StGB § 58 Rz 30)

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO ebenso wie die (angemeldete) Berufung wegen Schuld (§§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO) schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00061.16D.1011.000