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OGH vom 05.09.2001, 9ObA195/01v

OGH vom 05.09.2001, 9ObA195/01v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Dr. Anton Wladar als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Andreas G*****, Schlosser, *****, vertreten durch Dr. Christoph Orgler und Dr. Thomas Stampfer, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei T***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Roland Gabl ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen S 39.808,- brutto sA (Revisionsinteresse S 36.707,97 brutto sA), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 82/01k-22, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

In seiner Entscheidung Arb 11.998 hat der Oberste Gerichtshof die wesentlichen Grundzüge seiner (auch der Berufungsentscheidung zu Grunde liegenden) Rechtsprechung zu der für die Entgeltansprüche der überlassenen Arbeitskraft maßgebenden Bestimmung des § 10 Abs 1 AÜG wie folgt zusammengefasst:

"Nach Satz 1 dieser Bestimmung hat die Arbeitskraft Anspruch auf ein angemessenes, ortsübliches Entgelt, das mindestens einmal monatlich auszuzahlen ist. Gemäß Satz 2 bleiben Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, denen der Überlasser unterworfen ist, unberührt. Schließlich ist gemäß Satz 3 bei der Beurteilung der Angemessenheit für die Dauer der Überlassung auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt Bedacht zu nehmen. Mit Satz 1 und 2 dieser Bestimmung wird der gemäß § 11 Abs 1 Z 1 AÜG schon vor Überlassung zwischen Überlasser und Arbeitskraft unabhängig von der einzelnen Überlassung zu vereinbarende Entgeltgrundanspruch inhaltlich geregelt, während Satz 3 eine ergänzende Regelung für die Zeit der Überlassung trifft (SZ 64/161).

Satz 1 des § 10 Abs 1 AÜG ist im Zusammenhalt mit Satz 2 der zitierten Gesetzesstelle dahin zu verstehen, dass für das Grundentgelt in erster Linie eine für den Überlasserbetrieb geltende kollektivvertragliche Regelung maßgebend ist. Lediglich dann, wenn kein Kollektivvertrag für den Überlasserbetrieb besteht, ist der Grundanspruch nach Satz 1 zu bestimmen, wobei in diesem Fall nicht nur ein möglichst sacheinschlägiger Kollektivvertrag, sondern auch eine ortsübliche Überzahlung des kollektivvertraglichen Mindestentgeltes zu berücksichtigen ist. Dabei ist der Begriff der "Ortsüblichkeit" in § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG auf den Standort des Betriebes des (inländischen) Überlassers zu beziehen, wobei im Hinblick darauf, dass es dort allenfalls gar keine Betriebe gibt, die die zwischen Überlasser und Arbeitskraft vereinbarten Dienste in Anspruch nehmen, nicht auf das in der Ortsgemeinde übliche Lohnniveau, sondern auf das Lohnniveau der betreffenden als einheitlicher Arbeitsmarkt in Betracht kommenden Region abzustellen ist (SZ 64/161).

Für die Dauer der Überlassung ist gemäß § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG bei der Beurteilung der Angemessenheit auf das im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlende kollektivvertragliche Entgelt "Bedacht zu nehmen", wobei der Ausdruck "Bedachtnahme" iS eines Anspruchs der überlassenen Arbeitskraft auf die Mindestentgelte nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs (nicht aber auf die überkollektivvertraglichen Istlöhne) zu verstehen ist (SZ 64/161; Arb 10.979; DRdA 1993/46; DRdA 1994/1 ua). Dieser Anspruch steht der Arbeitskraft unabhängig davon zu, ob im Überlasserbetrieb ein Kollektivvertrag existiert (DRdA 1994/1). Ein höherer Grundentgeltanspruch bleibt unberührt (SZ 64/161)."

Demgegenüber vertritt die Revisionswerberin die Auffassung, dass dem Arbeitnehmer für die Dauer der Überlassung in jedem Fall das Entgelt nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs zu zahlen sei, auch dann, wenn sein nach § 10 Abs 1 und 2 AÜG ermitteltes Grundgehalt höher wäre. Die dafür vorgebrachten Einwände bieten jedoch keine Veranlassung, von der oben wiedergegebenen Rechtsprechung abzugehen. Der Einwand der Revisionswerberin, es sei ihr nicht möglich, vor jeder Überlassung eines Arbeitnehmers Erhebungen durchzuführen, welche überkollektivvertragliche Entlohnungen in der Gegend gezahlt werde, in der die überlassene Arbeitskraft eingesetzt werde, beruht auf einem Fehlverständnis der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und der ihr folgenden Berufungsentscheidung. Der Begriff der "Ortsüblichkeit" in § 10 Abs 1 Satz 1 AÜG wird nämlich vom Obersten Gerichtshof auf den Standort des Betriebes des (inländischen) Überlassers zu bezogen, sodass sich das Problem von Erhebungen über das Lohnniveau am jeweiligen Einsatzort nicht stellt. Ebensowenig bedarf es solcher Erhebungen zur Ermittlung des für die Dauer der Überlassung gemäß § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG zu ermittelnden Entgelts, weil nach dieser Bestimmung auf die Mindestentgelte nach dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs (nicht aber auf die überkollektivvertraglichen Istlöhne) abzustellen ist.

Auch die Bedeutung dieses zuletzt wiedergegebenen Rechtssatzes zu § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG wird von der Revisionswerberin verkannt, die mit ihren Hinweisen auf die Entscheidungen 9 ObA 305/92, 9 ObA 60/93 und 9 ObA 196/91 offenbar die Aussagen der Rechtsprechung zu § 10 Abs 1 Satz 2 und 2 AÜG und § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG miteinander vermengt. Aus den eben genannten Entscheidung ist für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen; sie stehen mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung im Einklang bzw. haben diese wesentlich geprägt.

Mit dem Einwand, die der erstgerichtlichen Feststellung über die Höhe des ortsüblichen Entgelts für einen Facharbeiter in der Metallindustrie im Raum Graz zu Grunde liegende Studie sei unrichtig bzw. nicht repräsentativ, bekämpft die Revisionswerberin in unzulässiger Weise eine erstgerichtliche Tatsachenfeststellung. Dass den Vorinstanzen bei der Ermittlung des ortsüblichen Entgelts nach § 10 Abs 1 Satz 1 eine unrichtige rechtliche Beurteilung unterlaufen wäre, macht sie hingegen nicht geltend.