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OGH vom 20.12.1988, 10ObS333/88

OGH vom 20.12.1988, 10ObS333/88

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssache durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Angst als weitere Richter und durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Prohaska (Arbeitgeber) und Günter Eberhard (Arbeitnehmer) als Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Karl P***, kaufm. Angestellter, 4030 Linz, Hillerstraße 9, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wider die beklagte Partei P*** DER A***, 1021 Wien,

Friedrich Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Alfred Kasamas, Rechtsanwalt in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 13 Rs 106/88-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom , GZ 14 Cgs 2084/87-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird als nichtig aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Am unterschrieb der Kläger ein mit "Vollmacht" überschriebenes Formular, mit dem er Dr. Günter K***, Mag. Ilse H*** und sechs weiteren namentlich genannten Sekretären der A*** L*** allgemeine, uneingeschränkte Vollmacht und ua Prozeßvollmacht erteilte. Die Namen der ersten sieben Bevollmächtigten, ihre Funktion bei der genannten Kammer und deren Anschrift waren mit Stampiglie in das Vollmachtsformular eingesetzt; der Name Dr. Romana K*** dürfte dem Stampiglienabdruck mit Maschinschrift beigesetzt worden sein.

Die am zur Post gegebene, am beim Erstgericht eingelangte Klage enthält folgende mit Stampiglie eingesetzte Angaben der für den Kläger handelnden Vertreter:

"Dr. Günter K*** - Mag. Ilse H*** - Dr. Gerald

R*** - Dr. Romana K*** - Walter M*** - Dieter

S*** - Erwin Z*** - Annemarie Z*** - Sekretäre der

A*** L*** 4020 Linz, Volksgartenstraße 40." Der Name Mag. Ilse H*** ist durch zwei handschriftliche Striche durchgestrichen. Die Klage trägt nur die Unterschrift des Sekretärs Erwin Z***. Als Beilage war ihr die schon erwähnte Vollmacht vom angeschlossen, die zum Akt genommen wurde. Bei der einzigen Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom wurde der Kläger von Dr. (Romana) KE(N)D*** vertreten. An der Entscheidung über die gegen das der Klage stattgebende erstgerichtliche Urteil erhobene Berufung der beklagten Partei nahm Mag. (Ilse) H*** als fachkundiger Laienrichter (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) teil.

In der gegen das bestätigende Urteil des Berufungsgerichtes gerichteten Revision behauptet die beklagte Partei ua, daß das angefochtene Urteil wegen des im § 477 Abs 1 Z 1 ZPO genannten Grundes nichtig sei, weil der fachkundige Laienrichter Mag. (Ilse) H*** wegen der Bestellung als Bevollmächtigter des Klägers nach § 20 Z 4 JN in dieser Sache von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen gewesen sei. Die Revisionswerberin beantragt daher, das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben und die Sache zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, oder es allenfalls wegen des weiteren Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache im klageabweisenden Sinn abzuändern.

Der Kläger erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Mag. Ilse H***, Sekretär der A*** L***, erklärte am vor dem Vorsitzenden des Berufungssenates, sie kenne den Kläger nicht, habe ihn nie gesehen und mit ihm nie gesprochen oder korrespondiert. Sie könne auch sagen, daß sie von ihm nicht als Bevollmächtigte bestellt gewesen sei oder (noch) bestellt sei. Da seinerzeit bei der A*** L*** Stampiglien verwendet worden seien, in denen alle Sekretäre aufgeschienen seien, habe sie ihren Namen auf der Seite 1 der Klage gestrichen. Auf dem Vollmachtformular sei dies versehentlich unterblieben. Sie könne daher nunmehr ihren Namen auch auf der Vollmacht streichen. Von der Ausübung ihres Amtes als fachkundiger Laienrichter in der gegenständlichen Rechtssache sei sie daher nicht ausgeschlossen gewesen.

Damit ist erwiesen, daß der Name Mag. Ilse H*** in der mit der Klage vorgelegten Vollmacht vom erst am , und zwar durch Mag. Ilse H***, gestrichen wurde. Der behauptete Nichtigkeitsgrund liegt nach § 477 Abs 1 Z 1 ZPO ua dann vor, wenn an der Entscheidung ein Richter teilgenommen hat, welcher kraft Gesetzes von der Ausübung des Richteramtes in dieser Rechtssache ausgeschlossen war ...

Unter "Richter" iS dieser Gesetzesstelle sind auch fachkundige Laienrichter zu verstehen (Kuderna, ASGG § 34 Erl 1; vgl auch Fasching Komm IV 114 f hinsichtlich der fachmännischen Laienrichter aus dem Handelsstand und der Beisitzer der früheren Arbeitsgerichte; vgl auch den seit aufgehobenen § 380 ASVG hinsichtlich der Beisitzer der früheren Schiedsgerichte der Sozialversicherung).

Rechtliche Beurteilung

Nach dem gemäß § 2 Abs 1 ASGG auch in Arbeits- und Sozialrechtssachen anzuwendenden § 20 Z 4 JN sind Richter von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen in Sachen, in welchen sie als Bevollmächtigte einer der Parteien bestellt waren oder noch bestellt sind.

Eine solche Bevollmächtigung auch von Mag. Ilse H*** wurde durch die als Beilage der Klage in Urschrift vorgelegte Vollmachtsurkunde vom dargetan.

Ob Mag. Ilse H*** den Kläger kennt, ihn jemals gesehen oder mit ihm jemals gesprochen hat, ist für ihre wirksame Bevollmächtigung durch ihn nicht entscheidend.

Mag. Ilse H*** war daher entgegen ihrer gegenüber dem Vorsitzenden des berufungsgerichtlichen Senates am vertretenen Meinung auch in dieser Sozialrechtssache als Bevollmächtigte des Klägers bestellt und daher von der Ausübung des Richteramtes ausgeschlossen (vgl auch den Hinweis bei Fasching, Komm I 203 auf Neumann, Komm zu den ZPGesetzen4 I 68, wonach der Ausschließungsgrund der Z 4 "praktisch werden kann, wenn der Richter vordem als Advokat der einen Partei oder wenn ein Laienrichter als Bevollmächtigter einer der Parteien bei dem in Frage kommenden Geschäft fungiert hat").

Das angefochtene Urteil war daher als nichtig aufzuheben und die Sozialrechtssache zur Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.