VfGH vom 02.10.2013, B551/2012 ua
Leitsatz
Zuordnung des Überschusses aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung (Überling) zum Substanzwert des Gemeindegutes; Nutzungsrechte am Gemeindegut auf den Haus- und Gutsbedarf der berechtigten Liegenschaft beschränkt; Verletzung einer Gemeinde im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums infolge Zuordnung des Überlings zur Agrargemeinschaft
Spruch
I.1. Die zu B557/2012 beschwerdeführende Gemeinde Unterperfuss ist durch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums insoweit verletzt worden, als dadurch ihre Berufung gegen Spruchpunkt D. des Bescheides des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom im Hinblick auf § 16 Abs 2 der mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom erlassenen Verwaltungssatzung als unbegründet abgewiesen wurde.
Der Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.
2. Der Bund (Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft) ist schuldig, der beschwerdeführenden Gemeinde Unterperfuss zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 2.400,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde der Gemeinde Unterperfuss (B557/2012) abgelehnt.
II. Die Behandlung der Beschwerden der Agrargemeinschaft Unterperfuss (B551/2012) und ihrer beschwerdeführenden Mitglieder (B554/2012) wird abgelehnt.
Die zu B551/2012 und B554/2012 protokollierten Beschwerden werden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die beschwerdeführenden Parteien durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Beschwerden und Vorverfahren
1. Am leitete das Amt der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde I. Instanz gemäß § 69 Abs 1 litc des Tiroler Flurverfassungslandes-gesetzes 1996, LGBl 47/1996 in der Fassung der Novelle LGBl 7/2010 (im Folgenden TFLG 1996), das Verfahren zur Abänderung des Regulierungsplanes für die Agrargemeinschaft Unterperfuss mit begründendem Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 18.446/2008 von Amts wegen ein.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am und stellte die Agrarbehörde I. Instanz mit Bescheid vom fest, dass verschiedene Grundstücke des Regulierungsgebietes der Agrargemeinschaft Unterperfuss Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 sind und ein bestimmtes anderes Grundstück des Regulierungsgebietes nicht zum Gemeindegut zählt (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde die Agrargemeinschaft zur Bezahlung von € 65.209,14 an die Gemeinde Unterperfuss zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche aus Substanznutzungen bis zum verpflichtet. In Spruchpunkt III.a. und b. wurde der Regulierungsplan der Agrargemeinschaft durch Ergänzung eines Anhanges II dahingehend abgeändert, dass die Substanzberechtigung der Gemeinde Unterperfuss in den Bestimmungen "Nutzungen und Ertrag" und "Beteiligte und Anteilsrechte" berücksichtigt wird. Die Agrarbehörde erließ weiters eine neue Verwaltungssatzung, mit der insbesondere der Rechtsposition der Gemeinde Unterperfuss innerhalb der agrargemeinschaftlichen Organisation und Willensbildung Rechnung getragen wird (Spruchpunkt III.c.). Die Anträge der Agrargemeinschaft und einiger Mitglieder der Agrargemeinschaft auf Feststellung des Nichtbestehens eines Restitutionsanspruches der Gemeinde Unterperfuss, der Nichtregulierung der Agrargemeinschaft als Gemeindegut sowie der Nichtmitgliedschaft der politischen Gemeinde Unterperfuss bei der Agrargemeinschaft wurden als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt IV.). Der Antrag der Gemeinde auf Feststellung des Erloschenseins von Anteilsrechten wurde als unzulässig zurückgewiesen (Spruchpunkt V.).
Gegen diesen Bescheid erhoben die Agrargemeinschaft Unterperfuss und acht Agrargemeinschaftsmitglieder sowie die Gemeinde Unterperfuss Berufung. Darin wurde von der Agrargemeinschaft die Qualifikation von agrargemeinschaftlichen Grundstücken als Gemeindegut bestritten. Die Gemeinde Unterperfuss kritisierte insbesondere die der Agrargemeinschaft auferlegte Zahlungsverpflichtung und das für die Gemeinde festgelegte Anteilsrecht als nicht weitgehend genug und begehrte die Zusprechung der über die Nutzungsrechte der anderen Mitglieder hinausgehenden Erträgnisse aus land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit.
2. Mit Erkenntnis vom behob der Landesagrarsenat beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Folgenden LAS) von der Agrarbehörde I. Instanz neu erlassene Satzungsbestimmungen und die Abweisung von Anträgen der Agrargemeinschaft und acht ihrer Mitglieder ersatzlos (Spruchpunkt A.). In Spruchpunkt B. behob der LAS die in Spruchpunkt V. des erstbehördlichen Bescheides erfolgte Zurückweisung des Antrages der Gemeinde Unterperfuss. Die in Spruchpunkt II. ausgesprochene Zahlungsverpflichtung der Agrargemeinschaft wurde gemäß § 66 Abs 2 AVG behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Agrarbehörde I. Instanz zurückverwiesen (Spruchpunkt C.). Im Übrigen wurden sämtliche Berufungen als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt D.).
3. Über die gegen diese Entscheidung erhobenen Berufungen der Gemeinde Unterperfuss sowie der Agrargemeinschaft Unterperfuss und acht ihrer Mitglieder entschied der Oberste Agrarsenat (im Folgenden OAS) zusammengefasst wie folgt:
Seine Zuständigkeit begründet der OAS damit, dass – mit Ausnahme der Spruchpunkte B. und C. – ein abänderndes Erkenntnis des LAS vorliege, weil dieser den erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich der Satzung abgeändert habe. Bezüglich Spruchpunkt B., womit die unter Spruchpunkt V. des agrarbehördlichen Bescheides getroffene Zurückweisungsentscheidung betreffend den Antrag der Gemeinde Unterperfuss auf Feststellung des Erlöschens von agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten der übrigen Agrargemeinschaftsmitglieder behoben wurde, stelle sich die Frage einer Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Regulierung durch den OAS derzeit nicht. § 7 Abs 2 Z 2 Agrarbehördengesetz 1950 erfasse nämlich nur Fälle, in denen eine Regulierung agrargemeinschaftlicher Anteilsrechte bereits vorgenommen wurde. Der OAS sei zur Entscheidung über Spruchpunkt C. nicht zuständig, weil ein auf § 66 Abs 2 AVG gestützter Berufungsbescheid nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein abänderndes Erkenntnis des LAS im Sinne des § 7 Abs 2 Agrarbehördengesetz 1950 darstelle. Die Feststellung des Vorliegens bzw. Nichtvorliegens von Gemeindegut im Sinne des § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 falle hingegen in die Prüfungskompetenz des OAS, weil gerade diese Frage in Verfahren zur Abänderung von Regulierungsplänen gemäß § 69 TFLG 1996 ein wesentlicher Aspekt der Gesetzmäßigkeit der Regulierung sei.
Die Berufungen wurden, soweit sie sich auf die Spruchpunkte B. und C. beziehen, mangels Zuständigkeit des OAS als unzulässig zurückgewiesen.
Seine Entscheidung zur Gemeindegutsfrage begründet der OAS im Wesentlichen damit, dass die als Gemeindegut festgestellten Grundstücke im historischen Regulierungsverfahren wiederholt nach § 36 Abs 2 litd TFLG 1935 bzw. § 36 Abs 2 litd TFLG 1952 qualifiziert wurden. Er stützt sich dabei auf die einschlägigen Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes (siehe unter anderem ). Unterstützend verweist er insbesondere auf die Grundbuchseintragung vor dem Regulierungszeitpunkt zugunsten der Gemeinde Unterperfuss.
Aus der Gemeindegutseigenschaft resultiere gemäß § 33 Abs 5 zweiter Satz TFLG 1996, dass der Substanzwert an den Gemeindegutsgrundstücken der Gemeinde Unterperfuss zukommt. Die Änderung des Regulierungsplans zur Geltendmachung des Substanzwertanspruchs der Gemeinde sei rechtmäßig gewesen. Die seitens der Agrarbehörde I. Instanz und vom LAS nicht geänderte Streichung der Nutzung "Gasthausbetrieb" aus den üblichen, regelmäßigen (land- und forstwirtschaftlichen) Nutzungen im Regulierungsplan sei auch aus diesem Grund geboten gewesen.
Die Aufhebung zweier Bestimmungen der Verwaltungssatzung durch den LAS sei rechtmäßig gewesen, weil die in § 10 Abs 2 der Verwaltungssatzung geregelten Zustimmungserfordernisse der substanzberechtigten Gemeinde bei Vollversammlungsbeschlüssen zu weit gefasst gewesen seien und die zwingende Anweisung der Substanzerträge an die Gemeinde Unterperfuss nach Abschluss des Wirtschaftsjahres (§14 Abs 3 zweiter Satz der Verwaltungssatzung) die Dispositionsbefugnis der Gemeinde Unterperfuss hinsichtlich der Substanzerträge in unzulässiger Weise beschränke.
§16 der bestehenden Verwaltungssatzung ("Ertragsüberschüsse") regle, dass Ertragsüberschüsse (Überling) aus dem Rechnungskreis I (Einnahmen und Ausgaben aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Agrargemeinschaft, siehe § 36 Abs 2 TFLG 1996) in erster Linie zur Erhaltung und Verbesserung des Gemeinschaftsbesitzes und zur Schaffung einer Rücklage für Investitionen oder mögliche Katastrophenfälle zu verwenden sind (Absatz 1). Eine Verteilung dieser Ertragsüberschüsse (Überling) habe nur nach den Anteilsrechten, mangels solcher nach Köpfen zu erfolgen (Absatz 2). In ihrer Berufung habe die Gemeinde Unterperfuss eine Satzungsänderung dahingehend begehrt, dass der "Überling" als Substanznutzung an die Gemeinde Unterperfuss ausgezahlt werde. Unter dem "Überling" sei die Summe der Ertragsüberschüsse zu verstehen, die von den nutzungsberechtigten Agrargemeinschaftsmitgliedern über die Deckung ihres Bedarfes bzw. die ihnen eingeräumten land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte hinaus erwirtschaftet werden. Nach Ansicht des OAS komme dem Berufungsbegehren der Gemeinde Unterperfuss keine Berechtigung zu. Beim Überling handle es sich klar um Einnahmen aus einer land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit, die begrifflich und inhaltlich keine Erträge aus Substanznutzungen gemäß § 33 Abs 5 TFLG 1996 seien. Aus der gesetzlichen Zweiteilung von "Substanzwertanspruch" einerseits und "land- und forstwirtschaftliche Nutzungsrechte" andererseits, welcher buchhalterisch in § 36 Abs 2 TFLG 1996 entsprochen wird, ergebe sich, dass der Überling den nutzungsberechtigten Agrargemeinschaftsmitgliedern zusteht.
Die von der Agrargemeinschaft und acht ihrer Mitglieder begehrte Satzungsänderung dahingehend, dass der Zweck der Agrargemeinschaft in der "privaten Vermögensverwaltung" der Mitglieder liege, stehe im Widerspruch dazu, dass die Agrargemeinschaft eine Körperschaft öffentlichen Rechts sei. Die Satzungsbestimmungen, womit Zustimmungs- und Einwirkungsrechte bzw. buchhalterische Vorgaben zugunsten der substanzberechtigten Gemeinde Unterperfuss normiert werden, seien rechtskonform.
Schließlich wies der OAS den Antrag der acht berufungswerbenden Agrargemeinschaftsmitglieder auf Unterbrechung des Berufungsverfahrens bis zur Beschlussfassung des Nationalrates über einen Initiativantrag zur Änderung des Flurverfassungs-Grundsatzgesetzes 1951 und des Agrarverfahrensgesetzes ab, weil ein Initiativantrag ganz eindeutig keine Vorfrage gemäß § 38 AVG sei.
4. Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden, auf Art 144 B-VG gestützten Beschwerden der Gemeinde Unterperfuss (B557/2012), der Agrargemeinschaft Unterperfuss (B551/2012) und von acht Agrargemeinschafts-mitgliedern (B554/2012), in denen die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt wird.
5. Die Gemeinde Unterperfuss (B557/2012) behauptet, der belangte OAS habe bei Fällung der angefochtenen Entscheidung verfassungswidrige gesetzliche Bestimmungen (§§34 ff und 62 ff TFLG) über die agrargemeinschaftliche Organisation und Entscheidungsfindung angewendet. Diese Bestimmungen würden die verfassungsrechtlich garantierte Gemeindeautonomie (Art115 ff B-VG) verletzten, weil sie dazu führen, dass Gemeindeeigentum und -vermögen nicht von Gemeindeorganen, sondern ausschließlich von Organen der Agrargemeinschaft verwaltet werden. Der OAS habe die Gemeinde Unterperfuss insbesondere durch Zuordnung des Überlings zum Rechnungskreis I (iSd § 36 Abs 2 TFLG 1996) in ihrem Eigentumsrecht verletzt. Entgegen der Ansicht des OAS seien die Bestimmungen im TFLG 1996 über den Substanzwert einer einheitlichen, mit der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes übereinstimmenden Auslegung zugänglich. Mit der Satzungsänderung hätte die belangte Behörde außerdem auch über die Anteilsrechte der Gemeinde entscheiden müssen.
6. Die Agrargemeinschaft Unterperfuss (B551/2012) bringt zusammengefasst vor, dass sie wegen einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung und der willkürlichen Unterlassung jeglicher Ermittlungstätigkeit sowie wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes im Eigentums- und Gleichheitsrecht verletzt worden sei. Die Qualifizierung von Grundstücken im Regulierungsgebiet der Agrargemeinschaft Unterperfuss nach § 36 Abs 2 litd TFLG 1952 sei offensichtlich rechtsirrig erfolgt. Die historische Agrarbehörde habe unter dem Begriff "Gemeindegut" wahres Eigentum der Agrargemeinschaft bezeichnet. Außerdem habe das Gemeinderecht, auf welches die genannten Bestimmungen abstellen, die Eigentumsverhältnisse am Gemeindegut in agrargemeinschaftlicher Nutzung von vornherein nicht regeln dürfen. Wegen Art 12 Abs 1 Z 3 B-VG stehe das nur dem Bund als Grundsatzgesetzgeber zu. Die belangte Behörde habe die historischen Regulierungsbescheide in einer Art und Weise ausgelegt, die der Institutsgarantie in Art 5 StGG und Art 7 StGG widerspreche. Die angefochtene Entscheidung verstoße gegen die Rechtskraftwirkung der Eigentumsfeststellung zugunsten der Agrargemeinschaft im Regulierungsplan.
Das Gleichheitsrecht der Agrargemeinschaft Unterperfuss sei auch verletzt, weil es einerseits unsachlich sei, den Stammsitzliegenschaftsbesitzern unverhältnismäßig große finanzielle Beitragspflichten zugunsten der Gemeinde aufzubürden und andererseits das von der belangten Behörde durchgeführte Verfahren grob mangelhaft und daher willkürlich gewesen sei. Die Behörde habe nämlich sämtliche Beweisanträge der Agrargemeinschaft übergangen.
7. Das Vorbringen der acht Agrargemeinschaftsmitglieder (B554/2012) gleicht jenem der Agrargemeinschaft weitgehend. Ausführlich begründen sie ihre Behauptung, wonach ihnen aus dem agrargemeinschaftlichen Anteilsrecht eine Substanzbeteiligung und damit ein verfassungsrechtlich geschütztes Eigentumsrecht erwachsen würden. Außerdem sei Art 6 EMRK verletzt, weil die im Verfahren zuständigen Behörden keine Tribunale im Sinne dieser Bestimmung seien.
8. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Beschwerdebehauptungen zusammengefasst wie folgt entgegen tritt:
Die belangte Behörde sei zu Recht von der Verfassungskonformität der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen ausgegangen, weil sie vom Verfassungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen VfSlg 19.262/2010 und 19.320/2011 als verfassungskonform behandelt wurden. Die Verknüpfung zwischen der beantragten Neuregulierung gemäß § 54 Abs 6 TFLG 1996 sowie dem Antrag auf Feststellung eines Anteiles der Gemeinde Unterperfuss an der Agrargemeinschaft und § 16 der Verwaltungssatzung sei nicht nachvollziehbar. Hinsichtlich der Zuordnung des Überlings zu Rechnungskreis I im Sinne von § 36 Abs 2 TFLG 1996 und der Streichung der Zustimmungserfordernisse in § 10 Abs 2 der Satzung werden die Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wiederholt. Die Vorgehensweise der belangten Behörde bei der Qualifizierung der Grundstücke als Gemeindegut sei nicht denkunmöglich (VfSlg 19.262/2010) und stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (unter anderem ). Der grundrechtliche Eigentumsschutz von agrargemeinschaftlichen Anteilsrechten sei nur entsprechend dem Umfang des Anteilsrechtes gegeben. Ein Recht auf einen Anteil an der Substanz des Gemeindegutes könne daraus nicht abgeleitet werden. Die belangte Behörde habe ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zu allen entscheidungsrelevanten Fragen durchgeführt. An der vollen Unabhängigkeit, Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der Agrarsenate könne weder in objektiver, noch in subjektiver Hinsicht gezweifelt werden.
9. Die Gemeinde Unterperfuss (B557/2012) erstattete im Verfahren zu B551/2012 und B554/2012 als jeweils mitbeteiligte Partei eine Äußerung, in der den Beschwerdevorwürfen der Agrargemeinschaft Unterperfuss und acht Agrargemeinschaftsmitglieder im Wesentlichen Folgendes entgegen gehalten wird:
Die Feststellung von agrargemeinschaftlichen Grundstücken als Gemeindegut nach § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 sei nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung. Diese Qualifikation sei vom LAS rechtskräftig bestätigt worden. Es liege demnach kein abänderndes Erkenntnis im Sinne von § 7 Abs 2 Agrarbehördengesetz vor. Die insoweit unzulässigen Ausführungen des OAS entfalten keine Rechtswirkungen. Ungeachtet dessen tritt die Gemeinde Unterperfuss den diesbezüglichen Beschwerdevorbringen ausführlich entgegen. Die behaupteten Verfahrensfehler und die Verletzung der Verfahrensgarantien nach Art 6 EMRK hätten nicht stattgefunden.
10. Die Gemeinde Unterperfuss erstattete auch eine Replik zur Gegenschrift der belangten Behörde, in der sie insbesondere darauf verweist, dass sie mangels Anteilsrecht kein Stimmrecht in der Vollversammlung der Agrargemeinschaft habe und ihre Beschwerdeausführungen bezüglich der Zuordnung des Überlings zu Rechnungskreis I im Sinne des § 36 Abs 2 TFLG 1996 wiederholt. Die belangte Behörde habe § 33 Abs 5 erster Satz TFLG 1996 völlig außer Acht gelassen und die Rechtslage gehäuft verkannt.
11. Mit Entscheidung vom wies der OAS den Antrag der Agrargemeinschaft Unterperfuss und der acht beschwerdeführenden Agrargemeinschaftsmitglieder auf Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet ab. Der Wiederaufnahmeantrag sei auf ein Vortragsmanuskript als neu hervorgekommenes Beweismittel gestützt worden, welches angeblich beweise, dass die historischen Agrarbeamten des Amtes der Tiroler Landesregierung das Eigentum der nicht regulierten Agrargemeinschaft als "Gemeindegut" oder "Fraktionsgut" bezeichnet haben. Das Vortragsmanuskript sei nicht geeignet, voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeizuführen, weil nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Spruch eines Bescheides objektiv und nicht nach dem subjektiven Verständnis des Verfassers auszulegen sei.
II. Rechtslage
Das im vorliegenden Fall maßgebliche TFLG 1996, LGBl 74 idF LGBl 7/2010, lautet samt Überschriften auszugsweise wie folgt:
"§33
Agrargemeinschaftliche Grundstücke
[…]
(2) Agrargemeinschaftliche Grundstücke sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung, insbesondere:
a) Grundstücke, die im Zuge von Verfahren nach der Kaiserlichen Entschließung vom 6. Februar 1847, Provinzialgesetzsammlung von Tirol und Vorarlberg für das Jahr 1847, S. 253, einer Mehrheit von Berechtigten ins Eigentum übertragen wurden;
b) Grundstücke, die im Zuge von Verfahren nach dem Kaiserlichen Patent vom 5. Juli 1853, RGBl. Nr 130, einer Mehrheit von Berechtigten ins Eigentum übertragen wurden;
c) Grundstücke, die
[…]
2. vormals im Eigentum einer Gemeinde gestanden sind, durch Regulierungsplan ins Eigentum einer Agrargemeinschaft übertragen wurden, vor dieser Übertragung der Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften gedient haben und nicht Gegenstand einer Hauptteilung waren (Gemeindegut);
[…]
(5) Der Substanzwert eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes ist jener Wert, der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibt. Der Substanzwert steht der Gemeinde zu. Die Substanz eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes wird insbesondere auch dann genutzt, wenn dieses veräußert, wenn dieses als Schottergrube, Steinbruch und dergleichen verwendet, wenn es verpachtet oder wenn darauf eine Dienstbarkeit oder ein Baurecht begründet wird. Die Agrarbehörde hat auf Antrag der betroffenen Gemeinde oder Agrargemeinschaft nach Abs 2 litc Z 2 festzustellen, ob eine bestimmte Tätigkeit die Nutzung der Substanz oder die land- und forstwirtschaftliche Nutzung eines agrargemeinschaftlichen Grundstückes betrifft oder in welchem Verhältnis die beiden Nutzungsarten von dieser Tätigkeit betroffen sind.
[…]
§35
Organe der Agrargemeinschaften
(1) Die Organe der Agrargemeinschaften sind:
a) die Vollversammlung;
b) der Ausschuß;
c) der Obmann.
[…]
(7) Bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc ist dem Ausschuss und der Vollversammlung jedenfalls ein von der Gemeinde entsandter Vertreter beizuziehen. In Angelegenheiten, die den Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke (§33 Abs 5) betreffen, kann ein Organbeschluss nur mit Zustimmung der Gemeinde rechtswirksam gefasst werden. Die Gemeinde kann in derartigen Angelegenheiten den Organen der Agrargemeinschaft Aufträge erteilen und, falls diese nicht befolgt werden, die Agrarbehörde anrufen; diesfalls ist § 37 Abs 1 litb mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Agrarbehörde die Zweckmäßigkeit der Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Grundstücke des Gemeindegutes im Interesse der Gemeinde zu beurteilen hat.
(8) Dem Obmann obliegt die Einberufung der Vollversammlung und des Ausschusses. Jedenfalls hat der Obmann bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc diese Organe auf Verlangen der substanzberechtigten Gemeinde binnen einem Monat einzuberufen. Der Obmann hat in den Sitzungen der Vollversammlung und des Ausschusses den Vorsitz zu führen und die Beschlüsse der Vollversammlung und des Ausschusses durchzuführen. Der Obmann vertritt die Agrargemeinschaft nach außen, in Angelegenheiten, die der Beschlußfassung durch die Vollversammlung oder den Ausschuß unterliegen, jedoch nur im Rahmen entsprechender Beschlüsse. Der Obmann hat ein Mitgliederverzeichnis ordnungsgemäß zu führen. Jeder Wechsel des Eigentums an einer Stammsitzliegenschaft und der Erwerb eines Mitgliedschaftsrechtes an einer Agrargemeinschaft ist unverzüglich vom neuen Mitglied dem Obmann der Agrargemeinschaft schriftlich mitzuteilen. Auf die gleiche Weise ist eine Änderung der Wohnadresse mitzuteilen. Werden diese Mitteilungen unterlassen, so gilt das Mitgliederverzeichnis auch dann als ordnungsgemäß geführt, wenn die tatsächlichen Änderungen nicht berücksichtigt sind.
[…]
§36
Satzungen
(1) Die Satzungen der Agrargemeinschaften (§34 Abs 2) haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten über:
a) Name, Sitz und Zweck der Agrargemeinschaft, bei Agrargemeinschaften, die im Sinn des § 33 Abs 2 litc Z 2 auf Gemeindegut bestehen, einschließlich der Bezeichnung „Gemeindegutsagrargemeinschaft“;
b) Rechte und Pflichten der Mitglieder;
c) den Aufgabenbereich der Organe;
d) die Art und Form der Einladung und die Führung des Protokollbuches;
e) Angelegenheiten, deren Beschlußfassung einer agrarbehördlichen Genehmigung bedarf (§37 Abs 4);
f) die Verwendung allfälliger Ertragsüberschüsse;
g) die Abwicklung des Geldverkehrs, die Verrechnung, die Führung von Aufzeichnungen, aus denen die Gebarung ersichtlich ist, die Bildung eines Betriebsfonds zur Bestreitung laufender Ausgaben, die Erstellung des Jahresvoranschlages und des Rechnungsabschlusses, die Prüfung der Gebarung und des Rechnungsabschlusses durch die Rechnungsprüfer.
(2) Agrargemeinschaften, die im Sinn des § 33 Abs 2 litc Z 2 auf Gemeindegut bestehen, haben zwei voneinander getrennte Rechnungskreise für die Einnahmen und Ausgaben aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Agrargemeinschaft (Rechnungskreis I) und die Einnahmen und Ausgaben aus dem Substanzwert der agrargemeinschaftlichen Grundstücke (Rechnungskreis II) zu führen. In die die Rechnungskreise I und II betreffenden Aufzeichnungen und Belege ist den Organen der Gemeinde auf Verlangen jederzeit Einsicht zu gewähren. Die aus dem Rechnungskreis II erfließenden Erträge stehen der substanzberechtigten Gemeinde zu und können von dieser jederzeit entnommen werden.
[…]
§65
Regulierungsplan
(1) Nach Rechtskraft des Verzeichnisses der Anteilsrechte ist der Regulierungsplan zu erlassen.
(2) Dieser hat insbesondere zu enthalten:
a) die Beschreibung der zum Regulierungsgebiet gehörenden Grundstücke unter Anführung der Grundstücksnummern, der Kulturgattungen, der Zahlen der Grundbuchseinlagen und der Katasterausmaße;
b) Die Entscheidung nach den §§33, 34 und 38 Abs 1;
c) das Verzeichnis der Anteilsrechte;
[…]
f) Satzungen nach § 36 sowie Wirtschaftspläne nach Maßgabe der §§66 und 67; die Satzungen und die Wirtschaftspläne können auch in getrennten Bescheiden erlassen werden.
§69
Abänderung von Regulierungsplänen
(1) Die Abänderung von Regulierungsplänen, auch zur Vereinigung von zwei oder mehreren Agrargemeinschaften, steht nur der Agrarbehörde zu. Sie kann erfolgen:
a) auf Antrag der Agrargemeinschaft,
b) bei Agrargemeinschaften nach § 33 Abs 2 litc auf Antrag der Gemeinde oder
c) von Amts wegen.
Anträge nach lita und b müssen auf entsprechenden Beschlüssen des jeweils zuständigen Organes beruhen.
[…]"
III. Erwägungen
Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – zulässigen – Beschwerden erwogen:
A. Die zu B557/2012 protokollierte Beschwerde der Gemeinde Unterperfuss ist in dem Umfang begründet, als sie sich gegen § 16 Abs 2 der durch (erstinstanzlichen) Bescheid erlassenen Verwaltungssatzung wendet.
1. Wie der Verfassungsgerichtshof wiederholt (VfSlg 4229/1962, 5666/1968) ausgesprochen hat, sind unter Gemeindegut (sowohl im Sinne des Flurverfassungsrechtes als auch im Sinne der Gemeindeordnungen) Grundstücke im wahren (sowohl in formeller als auch in materieller Hinsicht) Eigentum der Gemeinde zu verstehen, die mit öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten zugunsten bestimmter Liegenschaften und Personen belastet sind (vgl. § 68 Abs 3 TGO 2001). Die Befugnis der Agrarbehörde zur Regelung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse am Gemeindegut muss sich auf die Regulierung der Ausübung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte beschränken. Eine Bestimmung, die das Gemeindegut undifferenziert in die Ordnung der Verhältnisse an agrargemeinschaftlichen Grundstücken einbezieht, bewirkt eine Teilnahme der substanzberechtigten Gemeinde lediglich im Verhältnis der allenfalls bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Nutzungen und vernachlässigt den allein der Gemeinde zukommenden Substanzwert. Bei einer die Eigenschaft als Gemeindegut tatsächlich beendenden Teilung führt das zu einem gänzlichen Verlust der Substanz an die Nutzungsberechtigten (VfSlg 9336/1982).
1.1. Daran anknüpfend qualifizierte der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 14.446/2008 agrarbehördliche Bescheide, mit denen das Eigentum am Gemeindegut auf die Agrargemeinschaft übertragen wurde, als offenkundig verfassungswidrig. Durch diese rechtkräftigen Bescheide ist Gemeindegut entstanden, das nur atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist. Das Substanzrecht der Gemeinde muss – entgegen dem ursprünglichen (gemeinderechtlichen) Konzept des Gemeindegutes, das sie als Eigentümerin vorsieht – als agrargemeinschaftliches Anteilsrecht zur Geltung gebracht werden können. Der agrarbehördliche Bescheid, mit dem das Eigentum am Gemeindegut der Agrargemeinschaft zugeordnet und der Gemeinde ein Anteil nur nach Maßgabe der Nutzungen zugebilligt wurde, dispensiert nicht von der verfassungsrechtlichen Pflicht, den Substanzwert der Gemeinde im Falle einer Teilung zu berücksichtigen und gegebenenfalls schon vorher die Anteile neu festzustellen. Da das Gemeindegut auch nach der formellen Eigentumsübertragung als solches weiter besteht, ist seine Eigenart zur Geltung zu bringen.
1.2. Mit der Novelle des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes LGBl 7/2010 trug der Landesgesetzgeber der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Rechnung (siehe die Erläut. zur RV 574/09 BlgLT 15. GP).
1.3. Die Gemeinde Unterperfuss trägt Bedenken gegen die Zuordnung des Überlings zu Rechnungskreis I im Sinne von § 36 Abs 2 TFLG 1996 vor und begründet dies sinngemäß damit, dass ihr Eigentum am Gemeindegut durch land- und forstwirtschaftliche Nutzungsrechte nur im Ausmaß des Haus- und Gutsbedarfes zulässig einschränkt wird. Die darüber hinausgehenden Erträge aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit ("Überling") seien Teil des Substanzwerts und stünden allein der Gemeinde zu. Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des VfGH (VfSlg 9336/1982, 18.446/2008) und sei vom Landesgesetzgeber im TFLG 1996 verwirklicht (§§33 Abs 5, 54 TFLG 1996) worden.
1.4. Das maßgebliche Unterscheidungsmerkmal zwischen Gemeindevermögen und Gemeindegut ist die Zweckwidmung der Gemeindegutes, nämlich die wirtschaftliche Unterstützung der Stammsitzliegenschaften, die das Nutzungsrecht kraft ihrer Gemeindeangehörigkeit haben. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 18.446/2008 ausgesprochen hat, wird das Gemeindegut auf Grund alter Übung unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften genutzt. In § 68 Abs 3 TGO 2001 wird das Gemeindegut als "jener Teil des Gemeindevermögens, der der Deckung des Haus- und Gutsbedarfs der nutzungsberechtigten Liegenschaften und der Bedürfnisse der Gemeinde dient" definiert. Hinsichtlich der Zweckwidmung des Grundstücks unterscheidet sich das Gemeindegut nicht von den sonstigen agrargemeinschaftlichen Grundstücken, die gemäß § 33 Abs 1 TFLG 1996 "von allen oder mehreren Mitgliedern einer Gemeinde oder von den Mitgliedern einer Nachbarschaft, einer Interessentschaft, einer Fraktion oder einer ähnlichen Mehrheit von Berechtigten kraft einer mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundenen oder einer persönlichen (walzenden) Mitgliedschaft gemeinschaftlich oder unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke auf Grund alter Übung genutzt werden".
1.5. Die Nutzungsrechte bestehen ausschließlich im Bezug von Naturalleistungen ( Lang , Tiroler Agrarrecht II, 1991, 154). § 54 Abs 3 TFLG 1996 nennt beispielsweise die Weide, den Bezug von Nutzholz zur Erhaltung des Wohnhauses und den ortsüblichen Bedarf an Brennholz für den Haushalt einer Familie. Zum Haus- und Gutsbedarf gehören nicht Nutzungen, die keinen konkreten Sachbedarf befriedigen sollen, sondern lediglich einen finanziellen Vorteil enthalten. Dem entsprechend ist die Agrarbehörde verpflichtet, bei einer Änderung des Haus- und Gutsbedarfes der berechtigten Liegenschaften das im Regulierungsplan festgelegte agrargemeinschaftliche Anteilsrecht anzupassen (VfSlg 18.446/2008, vgl. §§54 Abs 6, 69 Abs 1 TFLG 1996).
1.6. Von diesem – auf den konkreten Haus- und Gutsbedarf beschränkten – Inhalt des Nutzungsrechtes ging der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 9336/1982 aus, wo es heißt:
"Das Gemeindegut iS der Gemeindeordnungen ist aber […] Eigentum der Gemeinde und nur insofern beschränkt, als es mit bestimmten öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten einiger oder aller Gemeindemitglieder belastet ist, sodaß die Substanz und also auch der Substanzwert und ein allfälliger Überschuß der Nutzungen der Gemeinde als solcher zugeordnet bleiben."
Das Nutzungsrecht am Gemeindegut besteht somit nur im Umfang des Haus- und Gutsbedarfes der berechtigten Liegenschaft (so auch § 70 Abs 2 erster Satz TGO 2001). Der Gemeinde stehen der Substanzwert und die Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit aus dem Titel des Eigentumsrechtes zu. Demzufolge ist § 36 Abs 1 litf TFLG 1996, wonach die Satzung der Agrargemeinschaft insbesondere Bestimmungen über die Verwendung allfälliger Ertragsüberschüsse enthalten muss, auf atypisches, in Form einer Agrargemeinschaft organisiertes Gemeindegut iSd 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 nicht anzuwenden.
1.7. Dieses Verständnis des Substanzwertes und der zulässigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte liegt auch den einschlägigen Bestimmungen des TFLG 1996 zugrunde. Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, verwendet der Gesetzgeber den Begriff des Substanzwertes im Sinne des Erkenntnisses VfSlg 18.446/2008. In diesem Erkenntnis heißt es:
"Der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibende Substanzwert ist [nämlich] keine feste Größe, sondern kann – wie schon in VfSlg 9336/1982, S. 104 unten dargelegt – nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen während des Bestandes der Agrargemeinschaft stark wechseln […].
Die für die Anteilsfeststellung maßgeblichen Größen können sich jedoch ändern und haben sich auch im Laufe der Zeit in dieser Hinsicht offenkundig geändert. Die Bedeutung nicht land- und forstwirtschaftlicher Nutzungen (zur Deckung des Haus- und Gutsbedarfes) hat offenkundig zugenommen. Es wäre aber unsachlich und einer ersatzlosen Enteignung gleichzuhalten, wenn aus dem formalen Übergang des Eigentums am Gemeindegut an die Agrargemeinschaft der – nach Inhalt des rechtkräftig gewordenen Bescheides nicht zwingende – Schluss gezogen würde, die Zuordnung des Substanzwertes an die Gemeinde sei damit als solche (auch materiell) für alle Zeiten beseitigt worden."
Vor diesem Hintergrund ist der gesetzliche Begriff des Substanzwertes in § 33 Abs 5 erster Satz TFLG 1996 als der nach Abzug der Belastung durch die land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte verbleibende Wert zu verstehen, wobei die Nutzungsrechte auf den Haus- und Gutsbedarf der berechtigten Liegenschaften beschränkt sind. Die Überschüsse aus der land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit ("Überling") sind unter den Substanzwert im Sinne von § 33 Abs 5 TFLG 1996 zu subsumieren und stehen daher der Gemeinde zu. Dem steht auch die Aufzählung von Nutzungen des Substanzwerts in § 33 Abs 5 dritter Satz TFLG 1996 nicht entgegen, da diese demonstrativ ist ("Die Substanz […] wird insbesondere auch dann genützt, wenn[…]"). Der Überling ist als Bestandteil des Substanzwertes dem Rechnungskreis II im Sinne des § 36 Abs 2 TFLG 1996 zuzuordnen. Der Einnahmen und Ausgaben aus der "land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeit der Agrargemeinschaft" sind nur im Ausmaß der bestehenden Nutzungsrechte – also des Haus- und Gutsbedarfes – in Rechnungskreis I zu verbuchen.
1.8. Die Gemeinde Unterperfuss erhebt Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angewendeten gesetzlichen Bestimmungen über die Organisation und Entscheidungsfindung innerhalb der Agrargemeinschaft, weil sie dazu führen, dass Gemeindeeigentum und –vermögen von Organen der Agrargemeinschaft verwaltet werden. Wie der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 18.446/2008 judiziert hat, ist durch die (offenkundig verfassungswidrige) Übertragung des Eigentums an vormaligem Gemeindegut auf eine Agrargemeinschaft durch die Agrarbehörden Gemeindegut entstanden, das nun atypischerweise im gemeinsamen Eigentum der Gemeinde und der Nutzungsberechtigten steht und als Agrargemeinschaft organisiert ist. Dem alleinigen Anspruch der Gemeinde auf die Substanz des atypischen Gemeindegutes wird in den Bestimmungen des TFLG 1996 zur agrargemeinschaftlichen Verwaltung in den Angelegenheiten des Substanzwerts Rechnung getragen.
2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides verletzt dieser das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur dann, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hat, ein Fall, der nur dann vor läge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hat, dass dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist (vgl. zB VfSlg 15.001/1997, 16.113/2001, 16.701/2002).
3. Ein solcher Fehler ist dem belangten OAS unterlaufen, weil er den Überschuss aus der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung des Gemeindegutes ("Überling") entgegen § 33 Abs 5 erster Satz TFLG 1996 und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht dem Rechnungskreis II im Sinne von § 36 Abs 2 TFLG 1996 zuordnete, was Art 5 StGG und Art 1 1. ZPEMRK widerspricht. Der substanzberechtigten Gemeinde kommt das ausschließliche Verfügungsrecht über die aus der Ausübung der land- und forstwirtschaftlichen Nutzungsrechte hinausgehenden Überschüsse (Überling) zu: Der nach Abzug der Belastungen durch die Bewirtschaftung der bestehenden öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechte sowie einer angemessenen Abgeltung für die Bewirtschaftung der agrargemeinschaftlichen Flächen verbleibende Überling ist der Gemeinde zuzuordnen.
B. Im Übrigen wird die Behandlung der zu B557/2012 protokollierten Beschwerde der Gemeinde Unterperfuss abgelehnt.
Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.
Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerde aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berührt, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der stän digen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes die behauptete Rechts verletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewähr leisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat:
Das subjektive Recht der Gemeinde auf die umfassende Dispositionsbefugnis über den Substanzwert des Gemeindegutes iSd § 33 Abs 2 litc Z 2 TFLG 1996 wird im TFLG 1996 insbesondere durch die Bestimmung des § 35 Abs 7 Satz 2 verwirklicht, die Organbeschlüsse über den Substanzwert von Gemeindegut an die Zustimmung der Gemeinde bindet.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
C. Die Behandlung der Beschwerden der Agrargemeinschaft Unterperfuss (B551/2012) und ihrer beschwerdeführenden Mitglieder (B554/2012) wird abgelehnt.
Die vorliegenden Beschwerden rügen die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen nicht anzustellen.
Soweit die Beschwerden aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berühren, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Verfassungskonformität der TFLG-Novelle 1996, LGBl 7/2010, (VfSlg 19.262/2010, 19.320/2011) sowie zu der mit Art 6 EMRK in Einklang stehenden Einrichtung des Obersten Agrarsenats (vgl. VfSlg 17.307/2004, 16.827/2003, 17.029/2003, 17.616/2005, 17.645/2005, 18.446/2008, 19.320/2011) die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben.
Die Angelegenheit ist auch nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossen.
IV. Ergebnis
1. Die zu B557/2012 beschwerdeführende Gemeinde Unterperfuss ist somit durch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums insoweit verletzt worden, als dadurch ihre Berufung gegen Spruchpunkt D. des Bescheides des LAS vom im Hinblick auf § 16 Abs 2 der mit Bescheid des Amtes der Tiroler Landesregierung vom erlassenen Verwaltungssatzung als unbegründet abgewiesen wurde.
2. Der angefochtene Bescheid ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere (diesen Spruchpunkt im oben genannten Umfang betreffende) Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
3. Im Übrigen wird von der Behandlung der Beschwerde abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 400,– enthalten.
5. Von der Behandlung der Beschwerden der Agrargemeinschaft Unterperfuss (B551/2012) und ihrer beschwerdeführenden Mitglieder (B554/2012) wird abgesehen und diese gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.
6. Diese Entscheidungen konnten gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG bzw. § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
7. Der Gemeinde Unterperfuss sind für die von ihr als beteiligte Partei in den Verfahren zu B551/2012 und B554/2012 eingebrachten, aber vom Verfassungsgerichtshof nicht abverlangten Schriftsätze Kosten nicht zuzusprechen (zB VfSlg 13.847/1994, 15.300/1998, 15.818/2000, 16.037/2000).