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OGH vom 18.05.2022, 13Os11/22z

OGH vom 18.05.2022, 13Os11/22z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Kontr. Gsellmann in der Strafsache gegen * M* wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 40 Hv 26/21h-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * M* (richtig) jeweils eines Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, 2 und 3, Abs 4 erster Fall FPG (1), nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG (2) und nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (4) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er als Mitglied einer kriminellen Vereinigung die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten zu (1) und (2) gewerbsmäßig (§ 70 Abs 1 Z 3 erster Fall StGB), jene zu (1) und (4) je in Bezug auf mindestens drei Fremde und jene zu (1) überdies auf eine Art und Weise beging, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, indem er nachstehende Fremde als Lenker eines Sattelzugs von Rumänien durch Ungarn nach H* (Österreich) beförderte, und zwar

(1) am einen bangladeschischen und sechs irakische Staatsangehörige in nur von außen zu öffnenden Transportboxen der Größe 267 x 67 x 121 cm während einer achtstündigen Fahrt ohne Pausen und ohne Verpflegung,

(2) am zumindest zwei Fremde,

(3) am eine unbekannte Anzahl von Fremden, sowie

(4) am zumindest vier Fremde.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Zum Vorliegen einer kriminellen Vereinigung und zur Tatbegehung durch den Angeklagten als Mitglied einer solchen stellte das Erstgericht fest (US 2 ff), dass sich der Angeklagte (mit der entsprechenden Intention [§ 5 Abs 1 StGB]) spätestens im Juni 2021 einer auf zumindest mehrere Monate angelegten Vereinigung von mehr als zwei Personen anschloss, deren Ziel es war, Fremde entgeltlich vom Nahen und Mittleren Osten in die Europäische Union (in Richtung Deutschland und Österreich) zu schleppen. Die Durchführung der Schleppungen erfolgte arbeitsteilig, mit unterschiedlichen Transportmitteln und in mehreren Etappen, wobei der Angeklagte im Rahmen der Ausrichtung dieser Vereinigung die Fremden (in insgesamt vier Fahrten zwischen dem und dem ) mit einem Sattelzug von Rumänien über Ungarn bis nach H* (Österreich) transportierte.

[5] Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) wurden diese Urteilskonstatierungen willkürfrei auf eine vernetzte Betrachtung von Beweisergebnissen, insbesondere jene der Auswertungen des Mobiltelefons des Angeklagten betreffend eine wiederholt und teils in Tatzeitnähe erfolgte Kontaktaufnahme mit einer irakischen Telefonnummer sowie der elektronischen Daten über das Bewegungsprofil des vom Angeklagten für die Schleppungen verwendeten Fahrzeugs und der Angaben der geschleppten Personen über Hintergründe, Organisation und Durchführung der Schleppungen, gestützt (US 7 iVm US 4 bis 6). Indem die Mängelrüge (Z 5) die Verfahrensergebnisse einer eigenständigen Bewertung unterzieht und daraus für den Angeklagten günstigere Schlussfolgerungen ableitet als das Erstgericht, wendet sie sich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

[6] Das weitere Rügevorbringen, der konstatierte Zusammenschluss von mehr als zwei Personen sei in Bezug auf das zeitliche Element (hiezu eingehend mwN Plöchl in WK² StGB § 278 Rz 8) unbegründet geblieben, lässt die diesbezüglichen Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit (insbesondere jene zum vom bis zum reichenden Tatzeitraum [US 3]) außer Acht (siehe aber RISJustiz RS0119370).

[7] Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) in Ansehung des Schuldspruchs 2, 3 und 4 aus den vom Erstgericht angeführten Prämissen anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdestandpunkt günstige Schlüsse zieht, verfehlt sie den Anfechtungsrahmen des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099674).

[8] Die Behauptung der Sanktionsrüge (Z 11), die schriftlich ausgefertigten Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) wichen (in Bezug auf einen Strafzumessungsgrund) von der mündlichen Entscheidungsbegründung (§ 268 StPO) ab, spricht keinen Nichtigkeitsgrund an (RISJustiz RS0123342 [T1] und RS0098421).

[9] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

[10] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[11] Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00011.22Z.0518.000

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