VfGH vom 26.02.1982, B547/78

VfGH vom 26.02.1982, B547/78

Sammlungsnummer

9320

Leitsatz

Oö. Bauordnung 1976; keine Bedenken gegen § 46 und 50; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Toscana-Kursäle Gmunden Gesellschaft mbH (die beteiligte Partei des Beschwerdeverfahrens, im folgenden als Bauwerberin bezeichnet) richtete am an das Gemeindeamt der Stadtgemeinde Gmunden das Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung für den Neubau der Toscana-Kursäle Gmunden und dem Umbau der Villa Toscana auf dem Grundstück Nr. 7/5 KG Ort-Gmunden. In der Baubeschreibung wurde ausgeführt, daß das angeführte Grundstück in dem im Entwurf des Flächenwidmungsplanes vorgesehenen Kur- und Fremdenverkehrsgebiet liege.

Über dieses Ansuchen wurde mit Kundmachung vom 10. Feber 1978 gemäß § 47 der Oö. Bauordnung - Oö. BauO, LGBl. 35/1976, unter Hinweis auf § 42 AVG 1950 die Bauverhandlung für den 23. Feber 1978 anberaumt, zu der - neben anderen hier nicht zu berücksichtigenden Parteien - der Bund ("Republik Österreich, Bundesgebäudeverwaltung I", im folgenden als Beschwerdeführer bezeichnet) als Eigentümer mehrerer an das Baugrundstück angrenzender Grundflächen, die der "Forstlichen Ausbildungsstätte Gmunden" gewidmet sind, geladen wurde.

Von den Vertretern des Beschwerdeführers wurden bei der Verhandlung die Einwendungen vorgebracht,

a) daß das Bauvorhaben mit Rücksicht auf das Nichtvorliegen eines rechtskräftigen Flächenwidmungsplanes bzw. Bebauungsplanes und auf den Bestand einer Bausperre für das gesamte Gebiet der Stadtgemeinde Gmunden unzulässig sei,

b) daß es auf Grund verschiedener Einzelheiten den Eindruck erwecke, es könne zu seiner tatsächlichen funktionell voll intakten Realisierung nicht ohne eine zumindest frühere oder spätere Inanspruchnahme von Bundesgrund zur Durchführung gelangen und es dürften die Projektunterlagen nicht die wahren Absichten des Bauwerbers zum Ausdruck bringen, und

c) daß überdies gegen die Benützung einer bestehenden Zufahrtsstraße zur Forstlichen Ausbildungsstätte wegen verschiedener damit im Zusammenhang befürchteter Immissionen Stellung genommen werde.

2. Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Gmunden vom wurde der Bauwerberin die begehrte Baubewilligung gemäß § 49 Abs 1, 2 und 4 der Oö. BauO unter Vorschreibung einer Reihe von Bedingungen und Auflagen erteilt.

Die Einwendungen der Vertreter des Beschwerdeführers bezüglich der Unzulässigkeit des Bauvorhabens wegen des Mangels eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes (1.a) wurde gemäß § 50 Abs 1 und 3 Oö. BauO als unbegründet abgewiesen; die übrigen Einwendungen (1.b, c) wurden gemäß § 50 Abs 1 und 2 Oö. BauO als unzulässig zurückgewiesen.

Zur Zurückweisung der Einwendungen wird in der Begründung des Bescheides bemerkt, daß sie sich mit dem Gegenstand der Verhandlung nicht befaßten und keine Verletzung subjektiver Rechte durch das Bauvorhaben geltend gemacht würden. Eine Mitverwendung bundeseigenen Grundes sei nicht vorgesehen. Die Aufschließung der Toscana sei, wie aus den Unterlagen entnommen werden könne, über einen anderen Weg und nicht über die Zufahrtsstraße zur Forstlichen Ausbildungsstätte vorgesehen. Letztere Zufahrtsstraße sei zudem öffentliches Gut, deren Benützung im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen nicht untersagt werden könne.

Zu der Abweisung der geltend gemachten Einwendung sei zu bemerken, daß "die beantragte Bauführung mit der Widmung der Parzelle 7/5 KG Ort-Gmunden, im Flächenwidmungsplan" - richtig: im Entwurf des Flächenwidmungsplanes - "als Kur- und Fremdenverkehrsgebiet" übereinstimme, "und somit keine Verletzung öffentlicher Belange" vorliege.

Im Hinblick darauf sei die Ausnahmegenehmigung gemäß § 58 Abs 3 Oö. BauO durch den Gemeinderat in der Sitzung am 24. Feber 1978 erteilt worden.

3. Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gmunden vom als unbegründet abgewiesen.

Die Oö. Landesregierung hat mit dem Bescheid vom der vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobenen Vorstellung gemäß § 67 Oö. BauO iVm § 102 Oö. Gemeindeordnung 1965 keine Folge gegeben.

4. Gegen den Vorstellungsbescheid der Oö. Landesregierung vom richtet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde. Es wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) und des Gleichheitsrechtes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Die Begründung des angefochtenen Bescheides, mit dem der Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates der Stadtgemeinde Gmunden über die Ab- und Zurückweisung von Einwendungen gegen das in diesem Bescheid bewilligte Bauvorhaben keine Folge gegeben wurde, stützt sich im wesentlichen auf § 46 iVm § 50 Oö. BauO. Diese Bestimmungen lauten:

... (Die Wiedergabe dieser die Einwendungen von Nachbarn betreffenden Bestimmungen unterbleibt hier) ...

b) In der Beschwerde sind weder gegen die Verfassungsmäßigkeit der angeführten noch der sonstigen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften Bedenken geltend gemacht worden.

Beim VfGH sind solche Bedenken unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden.

Daraus ergibt sich, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten nicht verletzt worden ist.

2. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur dann verletzt, wenn diese eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder eine Sachentscheidung in gesetzwidriger Weise verweigert (vgl. VfSlg. 8724/1980).

b) Der Beschwerdeführer bringt zur Begründung der behaupteten Rechtsverletzung vor, daß in den Bescheiden der Gemeindebehörden "die Einwendungen des Bundes betreffend das Fehlen einer Übereinstimmung zwischen dem formell eingereichten Projekt und dem tatsächlichen Willen des Konsenswerbers im Zusammenhang mit den befürchteten Inanspruchnahmen bundeseigenen Grundes ausdrücklich als unzulässig zurückgewiesen" worden seien. Obwohl dargelegt worden sei, daß "hiedurch sehr wohl iS der herrschenden Lehre und Praxis eine Verletzung subjektivöffentlicher Nachbarrechte zu ersehen" sei, sei auch im angefochtenen Bescheid darauf nicht Bedacht genommen worden. "Hinsichtlich dieses Teiles des Vorbringens" erscheine "dem Bunde seine Parteistellung teilweise aberkannt". Durch eine rechtswidrige Nichtanerkennung prozessualer Parteirechte werde das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.

c) Im erstinstanzlichen Bescheid wurde die Einwendung des Beschwerdeführers, daß das Bauvorhaben ohne Inanspruchnahme von Bundesgrund nicht realisiert werden könne (s. I.1.b) zurückgewiesen. - Die Zurückweisung der Einwendung wegen der Inanspruchnahme der Zufahrtsstraße (s. I.1.c) ist in der Beschwerde nicht bekämpft worden. - Damit wurde ausgesprochen, daß eine Sachentscheidung über diese Einwendung verweigert wird. Darin läge, wenn dies rechtswidrigerweise geschehen wäre, nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (vgl. VfSlg. 8279/1978).

Eine Inanspruchnahme fremder Grundstücke für eine Verwirklichung eines Bauvorhabens gegen den Willen des Eigentümers könnte nur nach Maßgabe der hiefür im Gesetz vorgesehenen Fälle und nur im Wege der Enteignung, somit in einem eigenen Verfahren, geltend gemacht werden. In diesem Verfahren stehen zur Erhebung von Einwendungen gegen eine Inanspruchnahme fremder Grundstücke die gegebenen Rechtsmittel zur Verfügung.

Über einen Antrag auf Inanspruchnahme von Bundesgrund durch die Bauwerberin war bei der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht abzusprechen. Ein solcher Antrag war nicht Gegenstand des Verfahrens, sodaß die vom Beschwerdeführer erhobene Einwendung einer in Zukunft vielleicht möglichen Inanspruchnahme von Grundstücken des Bundes zu Recht zurückgewiesen wurde.

Durch diese Zurückweisung ist der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

3. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die Behörde den bei der Erlassung des Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

b) Zur Begründung der behaupteten Gleichheitsverletzung wird in der Beschwerde zunächst auf die Bestimmungen des § 2 Abs 3 und des § 15 Abs 10 und 11 des Oö. Raumordnungsgesetzes - Oö. ROG, LGBl. 18/1972 idF LGBl. 15/1977 - verwiesen. In den weiteren Ausführungen wird dargelegt, daß durch den Zusammenhang der angeführten Vorschriften des Oö. ROG mit § 46 Abs 3 Oö. BauO der Bund als Gebietskörperschaft und gleichzeitiger Träger von Privatrechten "besonders begünstigt" erscheine. Darauf sei von der belangten Behörde überhaupt nicht Bedacht genommen worden, sie habe den Bund "gleich behandelt, wie alle sonstigen, durch keine besonderen gesetzlichen Bestimmungen begünstigten Nachbarn allenfalls zu behandeln gewesen wären".

c) Die angeführten Vorschriften des Oö. ROG beziehen sich ausschließlich auf die Stellung des Bundes als Gebietskörperschaft und damit als Hoheitsträger. Weder aus einer Bestimmung des genannten Gesetzes noch aus irgendeiner anderen Vorschrift geht hervor, daß dem Bund in seiner Stellung als Nachbar in einem Bauverfahren eine gegenüber anderen als Nachbarn in Betracht kommenden Personen besondere Begünstigung zukäme. Die zur Begründung der Gleichheitsverletzung in der Beschwerde vorgebrachten Ausführungen gehen daher ins Leere.

Im Verfahren vor dem VfGH ist kein Anhaltspunkt dafür hervorgekommen, daß in dem mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides abgeschlossenen Bauverfahren für die Behandlung des Bundes als Nachbar dem Gesetz ein gleichheitswidriger Inhalt unterstellt oder daß willkürlich vorgegangen worden wäre. Insbesondere trifft nach den vorgelegten Verwaltungsakten auch der Vorwurf eines in die Verfassungssphäre reichenden leichtfertigen, von der belangten Behörde nicht wahrgenommenen Verhaltens der Gemeindebehörden nicht zu. Ob das Gesetz bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch richtig angewendet wurde, hat der VfGH nicht zu prüfen.

Die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes liegt nicht vor.

4. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß durch den angefochtenen Bescheid eine vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte stattgefunden hätte.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.