OGH vom 25.05.2011, 8Ob50/11b
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** J*****, vertreten durch Dr. Georg Muhri, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wulf Kern, Rechtsanwalt in Wien, wegen 34.327,02 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom , GZ 41 R 127/05p 105, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Über Antrag der klagenden Partei wird die Parteibezeichnung „Verlassenschaft nach M***** J*****“ auf „F***** J*****“ richtig gestellt.
II. Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Zu Pkt I des Spruchs:
Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom , GZ 4 A 377/99f 10, wurde der Nachlass von M***** J***** dem (bisherigen) Erstkläger eingeantwortet. Erbe und Nachlass stellen gegenüber Dritten keine verschiedene Prozesspartei dar, sodass die Änderung der Parteibezeichnung nach erfolgter Einantwortung auf den Erben - auch von Amts wegen - zu berichtigen ist (RIS Justiz RS0035114; RS0039666).
Zu Pkt II des Spruchs:
1. Der Kläger bestreitet nicht, dass ursprünglich die OHG Bestandnehmerin der Räumlichkeiten und Abstellflächen war und nach dem Tod des zweiten Gesellschafters der verbliebene Alleingesellschafter die Mietrechte der OHG übernahm. Er tritt auch der Beurteilung nicht entgegen, dass die Übertragung der Mietrechte auf die Beklagte mangels Weitergaberechts der OHG sowie mangels Unternehmensveräußerung scheiterte und im Verhältnis zur Beklagten weder ausdrücklich noch konkludent ein eigenständiger Mietvertrag zustande kam. Die Überlegungen des Berufungsgerichts zu den Voraussetzungen für einen Anspruch auf Benützungsentgelt nach § 1041 ABGB im mehrpersonalen Rechtsverhältnis sowie zur Beweislast für die Rechtsgrundlosigkeit der Vermögensverschiebung (vgl dazu RIS Justiz RS0028179; RS0020078; RS0033564) und weiters die Verneinung dieser Frage unter der Prämisse, dass das Bestandverhältnis zum verbliebenen Alleingesellschafter der OHG aufrecht geblieben ist, stellt der Kläger ebenfalls nicht in Frage.
2.1 Der Kläger bestreitet aber den Verbleib der Mietrechte beim verbliebenen Alleingesellschafter der OHG und damit dessen Stellung als „Mittelsmann“ im mehrpersonalen Rechtsverhältnis, von dem die Beklagte einen Rechtsgrund für die Gebrauchsüberlassung des Bestandgegenstands ableiten kann. Dazu vertritt er die Auffassung, dass die Mietrechte im Zeitpunkt der Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Alleingesellschafters der OHG diesem nicht mehr zugestanden seien, weil nach § 193 Abs 2 KO vor der Tagsatzung zur Beschlussfassung über den Zahlungsplan die Verwertung des gesamten Vermögens stattfinden müsse. Außerdem sei ein Verzicht auf die Mietrechte erfolgt, weil eine Übertragung derselben auf die Beklagte (als Auffanggesellschaft) weder vom verbliebenen Alleingesellschafter der OHG noch von der Masseverwalterin gewollt gewesen sei.
2.2 Mit diesen Überlegungen zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Die Bestimmung des § 193 Abs 2 KO regelt nur, zu welchem Zeitpunkt im Laufe eines Insolvenzverfahrens die Tagsatzung über den Zahlungsplan stattfinden darf (vgl Mohr in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze, § 193 KO Rz 10). Aus dem Umstand, dass ein Zahlungsplan angenommen und bestätigt wurde, kann aber nicht zwingend auf die Verwertung der Mietrechte nach den Ausführungen in der außerordentlichen Revision „an wen auch immer“ - geschlossen werden. Außerdem gibt es durchaus auch Ausnahmen vom Gebot der vorherigen Verwertung des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens (vgl RIS Justiz RS0120895; Mohr aaO Rz 14).
Die Schlussfolgerung des Klägers, dass sich die Mietrechte von Gesetzes wegen nicht mehr im Vermögen des verbliebenen Alleingesellschafters der OHG befinden könnten, erweist sich ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichts als nicht begründet.
2.3 Der Kläger hat sich von vornherein auf den Standpunkt gestellt, dass die Mietrechte nicht auf die Beklagte übergegangen seien, weil keine Unternehmensveräußerung stattgefunden habe. Die Vorinstanzen haben diese Rechtsansicht geteilt. Im Allgemeinen, also ohne besondere Gegebenheiten, ist der Weiterbestand des bisherigen Bestandverhältnisses logische Konsequenz dieses Ergebnisses. Dementsprechend musste der Kläger mit einem weiterhin aufrechten Mietverhältnis zum verbliebenen Alleingesellschafter der OHG ernsthaft rechnen. Mit dem in der außerordentlichen Revision erhobenen Vorwurf des Vorliegens einer Überraschungsentscheidung und dem daraus abgeleiteten Erörterungsbedarf zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Manuduktions oder die Erörterungspflicht vorliegt, ist von vornherein einzelfallbezogen und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RIS Justiz RS0114544).
Auf die Eröffnung des Ausgleichsverfahrens sowie des Anschlusskonkurses über das Vermögen des verbliebenen Alleingesellschafters der OHG haben die Vorinstanzen ausdrücklich Bedacht genommen. Den dazu in der außerordentlichen Revision begehrten Feststellungen kommt für die Entscheidung der Rechtssache keine Bedeutung zu.
3. Die Beklagte hat unter anderem vorgebracht, dass sie in die Mietrechte der OHG gemäß § 12a Abs 1 MRG durch Unternehmenskauf eingetreten sei. Allein darin, dass der verbliebene Alleingesellschafter der OHG (nach den Ausführungen des Klägers) aufgrund eines Rechtsirrtums davon ausgegangen ist, dass die Mietrechte auf die Auffanggesellschaft übergegangen seien, liegt kein gegenüber dem Vermieter erklärter Verzicht auf die Mietrechte für den Fall der Unrichtigkeit der vertretenen Rechtsansicht vor. Eine Aufgabe der Mietrechte im Verhältnis zum Kläger sollte gerade nicht erfolgen. Dazu hat das Erstgericht auch darauf hingewiesen, dass der Kläger einen Verzicht auf die Mietrechte durch den verbliebenen Alleingesellschafter der OHG gar nicht behauptet habe.
Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass sich aus dem Sachverhalt weder eine Vertragsauflösung nach § 29 Abs 1 MRG noch eine einvernehmliche Vertragsbeendigung zwischen den Parteien des Bestandvertrags ableiten lasse, ist jedenfalls vertretbar. Entgegen den weiteren Ausführungen des Klägers ist der Verbleib der Mietrechte keineswegs ungeklärt.
Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.