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OGH vom 17.06.2010, 13Os11/10g

OGH vom 17.06.2010, 13Os11/10g

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Leopold F***** wegen Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 2 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom , GZ 7 Hv 75/07g-286, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Leopold F***** - soweit im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren relevant - von der Anklage freigesprochen, er habe in der Zeit vom September 2003 bis zum Februar 2004

(1) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von § 21 UStG entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung an Umsatzsteuer um rund 2,5 Mio Euro bewirkt, indem er Abgabengutschriften zu Unrecht geltend machte, und

(2) zu gleichartigen, im Versuchsstadium gebliebenen Malversationen abgesondert Verfolgter dadurch beigetragen, dass er in Rechnungen Umsatzsteuerbeträge in der Höhe von insgesamt etwa 2,3 Mio Euro zu Unrecht auswies.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft geht fehl.

Entgegen der Mängelrüge (Z 5) ließ das Erstgericht die Aussage des Angeklagten, er habe den Verdacht gehabt, dass die gegenständlichen Geschäfte nicht korrekt gewesen und im Zusammenhang mit Geldwäscherei gestanden seien (ON 285 S 681, 683, 685), keineswegs unbeachtet (Z 5 zweiter Fall), sondern legte sie vielmehr seinen Feststellungen zu Grunde (US 17).

Auch mit den Depositionen der als Zeugen vernommenen Finanzbeamten Silvia M*****, Gerhard W***** und Johann P***** setzten sich die Tatrichter auseinander (US 21, 23 bis 25). Welche Teile dieser Aussagen einer besonderen Erörterung bedurft hätten, um zu klären, für welches „Steuerkarussell“ der Angeklagte Informationen geliefert habe, und aus welchem Grund diesbezügliche Überlegungen hier schuld- oder subsumtionsrelevant sein sollen, lässt die Beschwerde nicht erkennen.

Zur Rechtsrüge (Z 9 lit b, der Zielrichtung nach Z 9 lit a) ist vorweg festzuhalten, dass das allfällige Vorliegen eines Rechtsirrtums in Finanzstrafverfahren nach § 9 FinStrG (und nicht nach § 9 StGB) zu beurteilen ist.

Soweit die Beschwerde zum Wesen des Rechtsirrtums argumentiert, geht sie aber schon im Ansatz fehl, weil das Erstgericht den Freispruch nicht auf einen solchen, sondern darauf gründet, dass der Angeklagte nicht vorsätzlich gehandelt hat (US 20, 27, 28). Die - im Übrigen ersichtlich auf das Vertrauen des Angeklagten in die Erklärungen jener Finanzbeamten, denen er laufend Informationen über allfälliges strafbares Verhalten anderer lieferte, bezogene Entscheidungspassage, der Angeklagte sei einem „Rechtsirrtum“ unterlegen (US 27, 28 f), ist solcherart unbeachtlich, weil sie die - den Bezugspunkt der Rechtsrüge darstellende - Feststellung fehlenden Vorsatzes nicht zu tangieren vermag.

Sind aber Tatbildelemente nicht vom gesetzlich verlangten Vorsatz umfasst, so ist der in Rede stehende Tatbestand nicht erfüllt, womit sich die Frage nach einem allfälligen Schuldausschließungsgrund - wie etwa dem des Rechtsirrtums - insoweit nicht stellt (SSt 53/13; vgl auch RIS Justiz RS0086153).

Ausgehend von der Urteilsannahme, der Angeklagte habe nicht mit dem Vorsatz gehandelt, Abgaben zu verkürzen, ist nicht ersichtlich, aus welchem Grund es weiterer Konstatierungen zu dessen Verantwortlichkeit für das in die gegenständlichen Geschäftsfälle involvierte Unternehmen Z***** Ltd bedurft hätte.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Zur in der Beschwerde angesprochenen Frage der Zusammensetzung des erkennenden Gerichts ist festzuhalten, dass mit BGBl I 2009/52 der letzte Satz des § 32 Abs 1 StPO dahin geändert wurde, dass das Landesgericht als Schöffengericht aus einem Richter und zwei Schöffen besteht, womit das Erstgericht (ON 285 S 679, ON 286 S 711) nicht gehörig besetzt war ( Jerabek , WK-StPO § 514 Rz 9). Die gegenteilige, im Erlass des BMJ vom über die Änderungen des StGB, der StPO, des JGG, des StAG und des StVG durch das Budgetbegleitgesetz 2009, JMZ 894000L/4/II3/09, JABl 2009/15, geäußerte Rechtsansicht, wonach für die Änderung der Senatszusammensetzung bei den Landesgerichten als Schöffengerichte „vom Grundsatz der per petuatio fori auszugehen“ und demnach das Strafverfahren in der Besetzung zu führen sei, die im Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Anklage gesetzlich vorgesehen gewesen ist, vermengt Gerichts besetzung mit Gerichts zuständigkeit (13 Os 115/09z, 125/09w; eingehend Ratz , WK-StPO § 281 Rz 111 bis 115). Da die Staatsanwaltschaft den solcherart gegebenen Besetzungsmangel ausdrücklich, unter Bezugnahme auf den bezeichneten Erlass nicht einwendete, hat dieser hier auf sich zu beruhen.