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OGH vom 16.10.2003, 8Ob50/03s

OGH vom 16.10.2003, 8Ob50/03s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling, und Dr. Kuras sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Rudolf Wöran, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Johann S*****, vertreten durch Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen EUR 10.900,93 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom , GZ 2 R 207/02b-34, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom , GZ 7 Cg 40/00v-27, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 686,88 (darin enthalten EUR 114,48) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der für die in der Revision geltend gemachten Rechtsfragen wesentliche Sachverhalt lässt sich dahin zusammenfassen, dass der beklagte Versicherungsangestellte mit der Adoptivtochter eines Kunden der klagenden Sparkasse bekannt ist und für deren Familie Versicherungsangelegenheiten betreut hat. Er vermittelte auch zur Abwendung einer Versteigerung einer Liegenschaft, die wegen Schulden dieser Adoptivtochter bei der Klägerin erfolgen sollte, einen Termin bei einem anderen Kreditinstitut.

Als der Vater der Bekannten im Jänner 1999 von seinem Pensionskonto, das bereits einen Sollstand von S 123.721,96 bei einer monatlichen Pension von S 12.000,-- aufwies, einen weiteren Betrag von S 250.000,-- beheben wollte, erklärte er, dass er vom Beklagten einen Geldbetrag erwarte. Die Sparkassenangestellte solle den Beklagten nur anrufen. Als die Sparkassenangestellte dem Beklagten dann mitteilte, dass der Kunde behaupte, vom Beklagten Geld zu bekommen, und einen Betrag von S 250.000,-- beheben wolle, äußerte der Beklagte dazu, dass das in Ordnung gehe und das Geld schon unterwegs sei. Noch an diesem Tag kam dann der Beklagte über Ersuchen seitens der Sparkasse in die Betriebsräumlichkeiten und unterfertigte dort schließlich als Bürge einen Wechsel über S 150.000,-- zuzüglich Zinsen, Zinseszinsen, Überziehungszinsen, Gebühren, Spesen und Provisionen.

Das Erstgericht hob mit seinem Urteil den Wechselzahlungsauftrag nach entsprechenden Einwendungen des Beklagten auf. Es begründete dies zusammengefasst damit, dass es die klagende Sparkasse unterlassen habe, eine entsprechende Aufklärung im Sinne des § 25c KSchG durchzuführen. Ausgehend von der bereits bestehenden Überziehung und der weiteren Auszahlung von S 250.000,-- sei die monatliche Pension nicht ausreichend gewesen, um eine entsprechende Absicherung zu bewirken. Weitere Sicherheiten seien offensichtlich nicht vorhanden gewesen. Die Aufklärung der des Beklagten sei unabhängig von allfälligen Kenntnissen des Beklagten über die Vermögenssituation des Kunden erforderlich gewesen.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der klagenden Sparkasse Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass der Wechselzahlungsauftrag aufrecht zu bleiben hat. Es folgerte rechtlich zusammengefasst, dass im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen sei, dass die Sparkasse bei Abschluss des Interzessionsvertrages im Sinne des § 25c KSchG hätte erkennen müssen, dass der Hauptschuldner vermutlich nicht in der Lage sein werde, seine Verpflichtung zur Gänze zu erfüllen. Habe doch der Beklagte selbst eine weitere Zahlung von S 250.000,-- zugesagt. Es handle sich aber auch um eine eigene Verbindlichkeit des Beklagten gegenüber der Klägerin aus seiner Zusage, dass "das Geld" schon unterwegs sei. Nur diese habe die Klägerin zur Auszahlung bewogen.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht vorweg als nicht zulässig, änderte diesen Ausspruch jedoch über Antrag des Beklagten nach § 508 ZPO im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass es zu "einem gleichgelagerten Sachverhalt" keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gebe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes (vgl § 508 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Als erhebliche Rechtsfrage wird im Wesentlichen releviert, "ob der Beklagte erkannte oder erkennen musste", dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen könne. Aus den folgenden Ausführungen ist ersichtlich, dass offensichtlich gemeint ist, ob der Gläubiger des "Hauptschuldners" erkennen musste, dass dieser nicht in der Lage sein werde, seine Verbindlichkeiten vollständig zu erfüllen.

Nach § 25c KSchG ist der Gläubiger - hier die klagende Sparkasse - verpflichtet, den Bürgen - hier den Beklagten - auf die wirtschaftliche Lage des Schuldners hinzuweisen, wenn der Gläubiger erkennt oder erkennen muss, dass der Schuldner seine Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht erfüllen wird. Unterlässt der Gläubiger diese Information, so haftet der Bürge nur dann, wenn er seine Verpflichtung trotz einer solchen Information übernommen hätte. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Verpflichtung den Gläubiger auch dann trifft, wenn der Bürge über die finanzielle Situation des "Hauptschuldners" Bescheid weiß. Soll dadurch doch eine Verminderung des Risikos für den Bürgen durch die ausdrückliche Warnung bewirkt werden (vgl OGH RIS-Justiz RS0113880 mwN insb SZ 73/121). Ob nun für den Gläubiger unter den gegebenen Umständen erkennbar war, dass der Hauptschuldner seine Verbindlichkeiten voraussichtlich nicht oder nicht mehr erfüllen werde könne, kann regelmäßig nur einzelfallbezogen beurteilt werden, weshalb eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zumeist nicht vorliegt (vgl RIS-Justiz RS0116208 = OGH 9 Ob 33/02x). Ist doch davon auszugehen, dass je nach Art und Ausmaß der Verbindlichkeit der Gläubiger eine sorgfältige Bonitätsprüfung unter Verwendung der ihm zugänglichen Instrumente vorzunehmen und sich somit Kenntnis von der wirtschaftlichen Lage des Hauptschuldners zu verschaffen hat (vgl RIS-Justiz RS0115984 mwN). Das Berufungsgericht hat sich im Rahmen dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes bewegt. Abweichungen davon, die es aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich machten, diese Frage durch den Obersten Gerichtshof aufzugreifen, vermag der Beklagte nicht aufzuzeigen. Es ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass dann, wenn der Kreditgeber selbst aktiv wird, um die Einbeziehung des Bürgen in das Schuldverhältnis zu erreichen, er die Forderung beim Hauptschuldner als nicht gesichert ansah (vgl RIS-Justiz RS0113882 mwN etwa SZ 73/121). Jedoch ist dies unter den vorliegenden Umständen nicht zugrundezulegen, da ja der Bürge - der Beklagte - selbst ein Verhalten gesetzt hat, das gegen diesen Anschein spricht, da er doch ausdrücklich festgehalten hat, dass ein entsprechender Betrag schon auf das Konto des Hauptschuldners überwiesen worden sei. Dass auch unter Annahme dieser Überweisung Zweifel an der Einbringlichkeit der Forderung hätten bestehen müssen, hat sich nicht ergeben.

Soweit die Beklagte vermeint, dass das Berufungsverfahren deshalb mangelhaft gewesen sei, weil das Berufungsgericht die erstgerichtliche Entscheidung auf Grund von Feststellungen des Erstgerichtes abgeändert habe, ohne dem Berufungsgegner zuvor mitzuteilen, dass es ihm freistehe, Mängel von Tatsachenfeststellungen oder der Beweiswürdigung des Erstgerichtes rügen, so ist dem entgegenzuhalten, dass sich die Berufung genau auf diese Feststellungen bezogen hat und daher der Beklagte gemäß § 468 Abs 2 zweiter Satz ZPO bereits gehalten war, allfällige Mängel der Tatsachenfeststellungen in der Berufungsbeantwortung zu bekämpfen.

Insgesamt handelt es sich jedenfalls um die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verpflichtung zur Information im Sinne des § 25c KSchG im Einzelfall und vermag es die Revision des Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.