OGH vom 04.12.2002, 9ObA191/02g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strimitzer und DDr. Wolfgang Massl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Arthur W*****, Freischaffender, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei T*****verein Österreich, *****, vertreten durch Dr. Johannes Patzak, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 22.248,93 brutto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 9 Ra 105/02f-36, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 6 Cga 170/99h-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.189,44 (darin enthalten EUR 198,24 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Berufungsgericht hat die Berechtigung der Entlassung des Klägers im Ergebnis zutreffend verneint (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:
Rechtliche Beurteilung
Als ein wichtiger Grund, der den Arbeitgeber zur vorzeitigen Entlassung berechtigt, ist ua anzusehen, wenn sich der Angestellte einer Handlung schuldig macht, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt (§ 27 Z 1 dritter Fall AngG).
Dies ist nach der Lage des vorliegenden Falles zu verneinen:
Nach den bindenden Feststellungen der Vorinstanzen versuchte der Kläger im Juni 1999, beim halb geöffneten Fenster seines Arbeitsplatzes im Hochparterre hereinziehenden Zigarrenrauch, den er als ehemaliger Raucher als besonders unangenehm empfand, mit einem Duftspray zu "neutralisieren". Beim unvorsichtigen Hantieren des Klägers mit dem Duftspray wurde eine gerade unterhalb des Fensters vorbeigehende Passantin vom entstehenden Sprühregen im linken Wangenbereich getroffen, sodass sie ein "Prickeln" verspürte. Die Benetzung mit dem Duftspray führte bei der Betroffenen, deren Arbeitgeber Mieter der Beklagten war, zu keinen gesundheitlichen Nachteilen. Der Kläger entschuldigte sich in der Folge bei ihr. Der Vorfall blieb auch im Verhältnis zwischen dem Beklagten und seinem Mieter folgenlos.
Wenn auch der Kläger schon einmal vom Beklagten einen strengen Verweis erhalten hatte, weil er damals absichtlich faule Eier und übelriechenden Quargel aus dem Fenster geworfen hatte, um gegen hereindringenden Zigarrenrauch zu protestieren, so ist doch der vorliegende Fall so gelagert, dass in der in der Berufungsentscheidung im Ergebnis zum Ausdruck kommenden Auffassung des Berufungsgerichtes, dass die - auch in der Revisionsbeantwortung zutreffend als (leicht) fahrlässig qualifizierte (vgl Kuderna, Entlassungsrecht² 72) - Handlung des Klägers keinen zureichenden Grund darstelle, die ihn des Vertrauens des Arbeitgebers derartig unwürdig erscheinen lasse (§ 27 Z 1 dritter Fall AngG), dass dem Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht einmal mehr für die Dauer der Kündigungsfrist zumutbar gewesen wäre (vgl Kuderna aaO 60 f; Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 546 f, jeweils mwN; RIS-Justiz RS0029095), keine Fehlbeurteilung zu erblicken. Für die Beurteilung des für die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung entscheidenden Schuldgehaltes einer Verfehlung kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Schaden für den Arbeitgeber eingetreten ist, sondern es ist vor allem darauf abzustellen, ob das Verhalten des Angestellten geeignet war, die betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu gefährden (vgl Kuderna aaO 86; infas 1992, A 15). Dies ist hier nicht der Fall.
Zwischen dem Schuldinhalt und dem essentiellen Tatbestandsmerkmal der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers besteht insofern ein Zusammenhang, als die Unzumutbarkeit auch vom Ausmaß des Schuldvorwurfes abhängt. Je geringer die Schuldintensität um so eher ist dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar (vgl Kuderna aaO 73). Auch wenn der Kläger seine früheren Probleme, auf sozialadäquate Weise mit der ihn umgebenden Rauchbelästigung fertig zu werden, noch nicht völlig überwunden zu haben scheint, so erreicht doch jenes Ereignis, das hier die Entlassung unmittelbar ausgelöst hat, nicht jene Mindestintensität, die bereits eine Entlassung rechtfertigt (vgl Kuderna aaO 64).
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.