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OGH vom 03.09.2020, 20Ds7/20i

OGH vom 03.09.2020, 20Ds7/20i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Mitterlehner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Part als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Verletzung von Berufspflichten über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 51/19 (9 DV 45/19), TZ 27, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleithner und des Kammeranwalts Mag. Kammler zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an den Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer verwiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen – in Abwesenheit des Disziplinarbeschuldigten gefällten (§ 35 DSt) – Erkenntnis wurde der Beschuldigte Rechtsanwalt ***** des Disziplinarvergehens der Verletzung von Berufspflichten (nach § 1 Abs 1 [1. Fall] DSt) schuldig erkannt und zu einer Geldbuße verurteilt.

Der Kammeranwalt bekämpft dieses Erkenntnis – „auch im Auftrag des Ausschusses der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer“ (vgl insoweit Lehner in Engelhart et al RAO10§ 47 DSt Rz 3) zugunsten des Disziplinarbeschuldigten – mit einer Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 1 StPO, RIS-Justiz RS0128656 [T1]).

Die Verhandlung darüber wurde in Abwesenheit des Beschuldigten durchgeführt, weil seinem etwa eine Stunde vor Beginn des Gerichtstags eingebrachten, in keiner Weise belegten Vertagungsantrag (Begründung: Magen-Darm-Grippe) aufgrund früherer Vorkommnisse gerade mit diesem Rechtsanwalt (vgl dazu vor allem 20 Ds 14/17i, aber auch 20 Ds 3/18y) kein ausreichender Anhaltspunkt für ein Vorliegen eines § 226 Abs 1 Z 1 StPO entsprechenden Grundes zu entnehmen war.

In der Besetzungsrüge (Z 1) macht der Berufungswerber zutreffend geltend, dass ein Mitglied des erkennenden Senats des Disziplinarrats, und zwar *****, gemäß § 12 1. Satz 2. Fall DSt von der Ausübung ihres Amtes – fallaktuell demgemäß von der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und Entscheidung – ausgeschlossen war, weil gegen sie (jedenfalls noch) am beim Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer (vgl Delegierungsbeschluss des Obersten Gerichtshofs vom , GZ 20 Ns 3/19z-4) ein Disziplinarverfahren anhängig war (zur Ausgeschlossenheit in einem solchen Fall siehe Lehner in Engelhart et al RAO10 DSt § 12 Rz 2, § 26 Rz 17; zur (tatsächlichen) Anhängigkeit des Disziplinarverfahrens gegen die Genannte siehe den Vermerk des Vizepräsidenten des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom [TZ 28], wonach [a./] ihm ***** zwar noch am , aber erst nach Verkündigung des den Disziplinarbeschuldigten ***** betreffenden Erkenntnisses mitgeteilt habe, dass gegen sie beim Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer ein Disziplinarverfahren anhängig und sie von der in diesem Verfahren bereits bestellten Untersuchungskommissärin mittlerweile zu einer Stellungnahme aufgefordert worden sei, [b./] zum Zeitpunkt der Durchführung der Verhandlung am gegen den Beschuldigten ***** demgemäß auch kein Beschluss iSd § 12 2. Satz DSt vorgelegen sei sowie [c./] der Einstellungsbeschluss des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom dem Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer [auch erst] mit Schreiben vom zur Kenntnisnahme übermittelt worden sei).

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass das Disziplinarverfahren gegen einen Rechtsanwalt erst mit Bestellung des Untersuchungskommissärs durch den Präsidenten des Disziplinarrats anhängig wird, eine bloße Antragstellung durch den Kammeranwalt auf Bestellung eines Untersuchungskommissärs hingegen dafür nicht ausreicht (vgl Lehner in Engelhart et al RAO10 DSt § 22 Rz 8 mit weiteren Nachweisen).

Die Teilnahme eines ausgeschlossenen Mitglieds des Disziplinarrats an der mündlichen Verhandlung und an der Erkenntnisfällung war für den Berufungswerber – nach dessen unwiderlegbarem Vorbringen, welches durch den Inhalt des in seinen wesentlichen Teilen bereits wiedergegebenen Vermerks des Vizepräsidenten des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom dem Sinn nach vollinhaltlich bestätigt wird – erst lange nach mündlicher Verkündigung des Erkenntnisses erkennbar, weshalb – worauf er zutreffend hinweist – die in § 281 Abs 1 Z 1 2. Halbsatz StPO normierte Rügeobliegenheit (vgl zu dieser etwa 13 Os 151/08t) hier nicht zum Tragen kommt (RIS-Justiz RS0101626; Haager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung4, S 23; Ratz, WK-StPO,§ 281 Rz 143).

Der Berufung war daher wie aus dem Spruch ersichtlich Folge zu geben.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0200DS00007.20I.0903.000

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