OGH vom 30.07.2013, 8Ob5/13p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*****gmbH, *****, vertreten durch Dr. Daniel Bräunlich, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei B***** W*****, vertreten durch Kinberger Schuberth-Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, wegen 7.046,15 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom , GZ 53 R 92/12d 104, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom , GZ 15 C 862/10a 100, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 559,15 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 93,19 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
I. Der mit der Revision verbundene Ablehnungsantrag der Klägerin gegen den Vorsitzenden des Berufungssenats wurde mit rechtskräftigem Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom (ON 106) zurückgewiesen. Der damit im Zusammenhang geltend gemachte Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 1 ZPO liegt daher nicht vor.
II. Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der sich ein seit längerem still stehendes Betriebsgelände mit einem Hochtanklager befindet. Der Beklagte gehörte im Jahr 2002 einer Clique von Jugendlichen an, die sich schon vor August 2002 öfter am Betriebsgelände der Klägerin getroffen hatten, um dort heimlich zu rauchen, herumzuklettern oder das Gelände anzuschauen. Da an einer Seite der Zaun niedergetreten war und das Haupttor offen stand, konnte sich die Gruppe leicht und ohne Gewaltanwendung Zutritt verschaffen. Am Vorfalltag im August 2002 betrat die Gruppe neuerlich das Betriebsgelände der Klägerin. Diesmal verursachten mehrere Mitglieder der Gruppe jeweils für sich allein verschiedene Sachschäden. Der Beklagte selbst fügte der Klägerin keinen Schaden zu. Bevor die Gruppe das Gelände betreten hatte, gab es keine Vereinbarung, dort Sachen zu beschädigen. Niemand hat solche Beschädigungen angeschafft, es gab keinen Rädelsführer. Niemand hat eine andere Person zu Beschädigungen motiviert, jeder hat für sich „gearbeitet“. Die anderen anwesenden Personen hätten Beschädigungen auch ausgeführt, wenn der Beklagte nicht vor Ort gewesen wäre.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten den Ersatz des Schadens für zwei zerstörte Thermoscheiben sowie die Zahlung anteiliger Kosten für Aufräum und Malerarbeiten. Der Beklagte hafte mit den anderen Schädigern gemäß § 1301 ABGB solidarisch.
Der Beklagte hielt dem entgegen, dass er der Klägerin keinen Schaden zugefügt habe und die Voraussetzungen für eine Solidarhaftung nicht vorlägen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Der Kläger habe der Beklagten selbst keinen Schaden zugefügt. Er habe auch den Beweis erbracht, dass sein Verhalten für den Schadenseintritt nicht kausal war, weil kein gemeinschaftliches Zusammenwirken vorgelegen sei.
Das Berufungsgericht gab der von der Klägerin gegen dieses Urteil erhobenen Berufung nicht Folge. Der Beklagte sei zwar mit anderen Jugendlichen auf das Betriebsgelände mitgegangen, es habe aber keinen gemeinsamen Vorsatz zur Durchführung von Sachbeschädigungen gegeben. Der Beklagte habe weder einen physischen Tatbeitrag geleistet noch andere zur Tatbegehung motiviert. Die erstmals im Berufungsverfahren aufgestellte Behauptung, den Kläger habe im Sinn des § 286 Abs 1 StGB eine Verpflichtung zur Verhinderung der Beschädigungen getroffen, sei eine unbeachtliche Neuerung.
Rechtliche Beurteilung
Die vom Beklagten beantwortete Revision der Klägerin ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Mit ihrer Behauptung, bereits das gemeinschaftliche Vorgehen der Gruppenmitglieder, die ja gemeinsam das Betriebsgelände betreten hätten, sei hier ungeachtet des Fehlens eines gemeinschaftlich auf Beschädigung gerichteten Vorsatzes iSd §§ 1301, 1302 ABGB zur Begründung der Haftung ausreichend, zeigt die Revisionswerberin keine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht der Vorinstanzen auf. Sie beruft sich dabei auf die Rechtsprechung, wonach Gemeinschaftlichkeit im Sinn des § 1301 ABGB auch dann vorliegen kann, wenn zwischen den Tätern kein Einvernehmen über die Schädigung gegeben war, wohl aber über die gemeinsame Durchführung eines bestimmten Vorhabens, bei dessen Verwirklichung eine nicht beabsichtigte Schädigung erfolgte (RIS-Justiz RS0109824). Der Vorsatz iSd § 1302 Satz 2 ABGB braucht sich in diesem Fall nicht auf den vollen Schadenserfolg zu erstrecken, sondern muss nur auf eine Rechtsverletzung oder Schädigung gerichtet sein, um die Haftung auch für weitere daraus entspringende Schäden zu begründen. Die Grenze der Folgenzurechnung liegt bei den adäquaten Wirkungen der in der Verfolgung des gemeinsamen Ziels gesetzten Handlungen (1 Ob 200/03y; 2 Ob 290/99g). Die Ausdehnung der Mittäterhaftung auch auf solche Fälle beruht darauf, dass die Täter im Einvernehmen über die Durchführung einer Handlung waren, die für den dann tatsächlich eingetretenen wenn auch ursprünglich nicht beabsichtigten Schaden konkret gefährlich war (zB 2 Ob 12/98y: illegale Wettfahrt auf der Autobahn mit 200 km/h bei Einhaltung eines zu geringen Tiefenabstands zwischen den Fahrzeugen; 2 Ob 290/99g: unbefugte Busfahrt von Jugendlichen; 1 Ob 200/03y: gemeinsam geplanter Raubüberfall, bei dem das Opfer schwer verletzt wurde, während der in Anspruch genommene Schädiger im Fluchtauto wartete). Aus dieser Rechtsprechung ist aber für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen, weil das gemeinsame Vorhaben der Gruppenmitglieder sich hier auf das (auch schon früher erfolgte) Betreten der Liegenschaft beschränkte, das als solches nicht gefährlich iSd Herbeiführung der eingetretenen Schäden war. Diese Schäden entstanden durch den für den Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Feststellungen erst durch das in der Folge von einzelnen Gruppenmitgliedern jeweils für sich gesetzte Verhalten, das unabhängig vom gemeinsamen Vorhaben gesetzt wurde und von diesem daher zu trennen ist.
4. Das Berufungsgericht hat die erstmalige Berufung der Klägerin auf § 286 StGB im Rechtsmittelverfahren als Verstoß gegen das Neuerungsverbot qualifiziert. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist darin schon deshalb nicht zu erkennen, weil die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht nur kein Vorbringen zu den Voraussetzungen des objektiven und subjektiven Tatbestands des § 286 StGB erstattet hat, sondern sich ganz allgemein gar nicht darauf berufen hat, dass dem Beklagten die Unterlassung einer besonderen (RIS Justiz RS0022392) Verbindlichkeit zur Verhinderung einer Schadenszufügung iSd § 1301 ABGB vorzuwerfen wäre.
Da somit Rechtsfragen der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität hier nicht zu beantworten waren, war die Revision als unzulässig zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2013:0080OB00005.13P.0730.000