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OGH vom 16.12.2010, 13Os109/10v

OGH vom 16.12.2010, 13Os109/10v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jahn als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz Z***** und eine andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 19 HR 135/09s des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über den Antrag des Masseverwalters im Konkurs über das Vermögen der Z***** GmbH und über jenes des Franz Z*****, Dr. Axel R*****, auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Graz führt zu 13 St 67/09m ein Ermittlungsverfahren gegen Franz Z***** und Margit K***** wegen der Verbrechen des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3 StGB und der betrügerischen Krida nach §§ 156 Abs 1 und Abs 2, 161 Abs 1 StGB, Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach §§ 159 Abs 1, Abs 2 und Abs 4, 161 Abs 1 StGB, des Vergehens nach § 122 GmbHG sowie Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG und § 33 Abs 2 lit a FinStrG.

Aufgrund der Angaben der Margit K***** stellten die Ermittlungsbeamten in einem von dieser bekannt gegebenen Versteck zahlreiche Banknoten und drei Sparbücher sicher (ON 71, 72).

Mit Beschluss vom bewilligte das Landesgericht für Strafsachen Graz die Beschlagnahme dieser Gegenstände (ON 97).

Dr. Axel R***** ist Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Franz Z***** sowie über jenes der nach den bisherigen Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens von diesem vormals geleiteten Z***** GmbH.

Mit der angefochtenen Entscheidung gab das Oberlandesgericht Graz dessen Beschwerde gegen den Beschlagnahmebeschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von Dr. R***** erhobene, als „Grundrechtsbeschwerde“ bezeichnete Rechtsbehelf ist nach seiner Zielrichtung als Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens (§ 363a StPO) zu werten, weil die Grundrechtsbeschwerde nach § 1 Abs 1 GRBG nur wegen hier nicht behaupteter Verletzungen des Grundrechts auf persönliche Freiheit offen steht.

Indem sich der Beschwerdeführer darauf beruft, dass auch Verletzungen anderer Grundrechte an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können, spricht er aber der Sache nach dessen ständige Judikatur an, wonach es eines Erkenntnisses des EGMR als Voraussetzung für eine Erneuerung des Strafverfahrens nicht zwingend bedarf, vielmehr auch eine vom Obersten Gerichtshof selbst aufgrund eines Antrags auf Verfahrenserneuerung festgestellte Grundrechtsverletzung durch eine Entscheidung oder Verfügung eines untergeordneten Strafgerichts dazu führt (RIS Justiz RS0122228).

Konkret wird eine Verletzung der Garantie des Eigentums (Art 1 1. ZPMRK) eingewendet, wobei der Beschwerdeführer ausdrücklich vorbringt, als Masseverwalter im Konkurs sowohl der Z***** GmbH als auch des Franz Z***** einzuschreiten.

Der Insolvenzverwalter (§§ 80 ff IO; im Konkursverfahren: Masseverwalter [§§ 167 Abs 3, 180 IO]) ist nach der herrschenden Organtheorie ein Organ der mit zumindest partieller Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Insolvenzmasse (6 Ob 145/02w, EvBl 2003/122, 559; Feil , Insolvenzordnung 7 § 81 Rz 1). Ist ein Insolvenzverwalter (Masseverwalter) für mehrere Insolvenzverfahren (Konkursverfahren) bestellt, muss er daher stets eindeutig erklären, für welche Masse er handelt (EvBl 1964/13; Feil , Insolvenzordnung 7 § 80 Rz 6; Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 80 KO Rz 18).

Indem der Erneuerungswerber erklärt, als Verwalter zweier Massen einzuschreiten, ist der Antrag somit einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich, weil nicht klar wird, wessen Grundrecht auf Eigentum Gegenstand des Antrags ist.

Der Erneuerungsantrag war daher schon bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen.

Im Übrigen sind zu einem darauf gerichteten Antrag Personen berechtigt, welche vertretbar behaupten, durch die letztinstanzliche Entscheidung eines Strafgerichts in einem Grundrecht verletzt oder trotz Ausschöpfung des Instanzenzugs gegen eine durch Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht begangene Grundrechtsverletzung weiterhin deren Opfer zu sein (zum Schutz vor Grundrechtseingriffen durch Kriminalpolizei oder Staatsanwaltschaft vgl 14 Os 60/09v, 63/09k, 64/09g, EvBl 2009/130, 866).

Die von § 363b Abs 2 Z 1 StPO genannte, in der Unterschrift eines Verteidigers bestehende Zulässigkeitsvoraussetzung hat den Obersten Gerichtshof mit Blick auf das bloß zwischen Anklägern und Beschuldigten (§ 38 Abs 3 StPO idF vor BGBl I 2004/19) differenzierende Verständnis des (von der Anpassungsgesetzgebung an das StPRefG unberührt gebliebenen) Erneuerungsverfahrens dazu veranlasst, Grundrechtsschutz nach § 363a StPO unter dem Aspekt als verletzt reklamierter Anklägerinteressen zu verneinen. Ankläger (zu denen neben Privatanklägern, Subsidiaranklägern und Privatbeteiligten etwa auch Antragsteller nach §§ 6 bis 7c und 9 f MedienG zählen) sind nicht antragslegitimiert, weil diese sich selbst nach dem Verständnis des historischen Gesetzgebers (BGBl 1996/762) keines Verteidigers bedienen konnten (§ 39 StPO idF vor BGBl I 2004/19).

Personen, die als Ankläger von einer Grundrechtsverletzung betroffen sind, sollte unter dem Aspekt innerstaatlicher Umsetzung von Urteilen des EGMR (Art 46 MRK; zur nachträglich erkannten Lücke aufgrund veränderter Normsituation vgl 13 Os 135/06m, EvBl 2007/154, 832) kein Recht auf Neudurchführung von strafgerichtlichen Verfahren eingeräumt werden (vgl RIS Justiz RS0123644). Angesichts der vom historischen Gesetzgeber intendierten, weiterhin systemkonformen Schutzrichtung gilt nichts anderes für Opfer (§ 65 StPO) in dieser Eigenschaft . Deren Interesse wird durch die Zulässigkeit von Fortführungsanträgen (§ 195 StPO) ausreichend geschützt (vgl Weigend , „Die Strafe für das Opfer“? Zur Renaissance des Genugtuungsgedankens im Straf und Strafverfahrensrecht, RW 2010, 39).

Für andere von strafgerichtlicher Grundrechtsverletzung im vorstehend definierten Sinn Betroffene gelten diese Überlegungen jedoch nicht (vgl bereits 13 Os 162/07h, EvBl LS 2008/31, 189; 14 Os 160/07x). Das Erfordernis der Verteidigerunterschrift besteht hier mit der Maßgabe, dass deren Erneuerungsanträge der Unterschrift einer im Sinn des § 48 Abs 1 Z 4 StPO zur Verteidigung befähigten Person bedürfen. Diese Voraussetzung ist erfüllt.

Nach Maßgabe der Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts „gehören“ (vgl § 367 Abs 1 StPO) die lt ON 71 sichergestellten Bargeldbeträge und Sparbücher der Z***** GmbH, deren Masseverwalter bei der Staatsanwaltschaft die Ausfolgung beantragt hat. Die Staatsanwaltschaft hinwieder hat nach § 115 Abs 2 StPO deren Beschlagnahme aus den in § 115 Abs 1 Z 2 und 3 StPO genannten Gründen beantragt, was vom Landesgericht für Strafsachen Graz am antragsgemäß beschlossen wurde (ON 97).

Der Erneuerungsantrag der Z***** GmbH stellt mit seinem bloß die Voraussetzungen für vorzeitige Ausfolgung nach § 367 Abs 2 StPO behauptenden Vorbringen das Vorliegen einer in den Vorschriften des 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks der StPO bestehenden gesetzlichen Grundlage für einen Eingriff in das reklamierte Grundrecht nicht in Abrede. Weitere, nicht erfüllte Eingriffsvoraussetzungen werden ebenso wenig behauptet, sodass sich der Antrag als offenbar unbegründet erweist (§ 363b Abs 2 Z 3 StPO).

Was die begehrte Zurückstellung nach § 367 Abs 2 StPO anlangt, ist diese vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beschlagnahme gänzlich unabhängig. Gegen eine im Ermittlungsverfahren von der Staatsanwaltschaft verweigerte Zurückstellung steht dem Opfer (unbefristet) Einspruch wegen Rechtsverletzung zu (§ 106 StPO). Von diesem Rechtsbehelf wurde noch nicht Gebrauch gemacht, sodass der Erneuerungsantrag unter diesem Aspekt mangels Ausschöpfung des Instanzenzugs unzulässig ist (RIS Justiz RS0122737).