OGH vom 22.02.2011, 8Ob5/11k
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei U***** AG, *****, vertreten durch Baier Böhm Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) E***** B*****, vertreten durch Mag. Karlheinz Amann, Rechtsanwalt in Wien, und 2) P***** P*****, vertreten durch Mag. Gunther Estermann, Rechtsanwalt in Wien, dieser vertreten durch Mag. Bernd Jahnel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 72.670 EUR sA, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 12 R 19/10t 129, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die Ausführungen zur behaupteten Mangelhaftigkeit vermögen schon mangels Relevanz keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen (RIS Justiz RS0043027). Auch mit den behaupteten sekundären Feststellungsmängeln gelingt es der Erstbeklagten nicht, die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision zu begründen. Im gegebenen Zusammenhang ignoriert sie vor allem die Negativfeststellungen des Erstgerichts zur breiten Palette der von ihr gegenüber der Klägerin erhobenen Vorwürfe und unternimmt den unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen auch noch in dritter Instanz anzufechten. Fragen der Beweiswürdigung können an den Obersten Gerichtshof allerdings nicht herangetragen werden (RIS Justiz RS0043371).
1.2 Soweit die Erstbeklagte in der außerordentlichen Revision wiederholt davon ausgeht, die Klägerin habe Gelder auf den für den Hausbau eröffneten Privatkonten zur Abdeckung von Geschäftsschulden des Zweitbeklagten verwendet und missbräuchliche Umbuchungen von den Hausbaukonten auf das Firmenkonto des Zweitbeklagten vorgenommen, weicht sie von den getroffenen Feststellungen ab. Ausgehend von der von den Vorinstanzen ermittelten Sachverhaltsgrundlage bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass mit den für den Hausbau zur Verfügung gestellten Geldmitteln andere Verbindlichkeiten als Baukosten abgedeckt und die Mittel zweckwidrig verwendet worden wären.
Das Erstgericht hat sämtliche den beiden Beklagten gewährten Hausbaukredite und Darlehen geprüft und bei seiner Tatsachenermittlung berücksichtigt. Die von der Erstbeklagten ins Treffen geführte „Berufung auf das Vorliegen eines einheitlichen Kredits zur Finanzierung des Hausbaus“ kann sich nicht zu ihren Gunsten auf die Entscheidung auswirken.
2.1 Die in den am in Kraft getretenen §§ 25c und 25d KSchG geregelte Interzession durch Schuldbeitritt, Garantie und Bürgschaft behandelt der Gesetzgeber gleich. Den verschiedenen Interzessionsformen liegt die Haftung eines persönlich haftenden Interzedenten für eine materiell fremde Schuld zugrunde ( Krejci in Rummel ³ § 25c KSchG Rz 2). Nach den Gesetzesmaterialien ist diese Voraussetzung nicht gegeben, wenn mehrere Personen gemeinsam und im gemeinsamen Interesse eine Verbindlichkeit eingehen und dementsprechend echte Mitschuldner sind (RV 311 BlgNR 20. GP 26). In diesem Sinn liegt eine materiell fremde Schuld nach der jüngeren Rechtsprechung dann vor, wenn dem zahlenden Interzedenten im Innenverhältnis ein Regressanspruch gegen den Hauptschuldner zusteht. Entscheidend ist, dass der Interzedent typischerweise damit rechnen kann, die Schuld - zumindest wegen seines Regressanspruchs - letztlich materiell nicht tragen zu müssen (3 Ob 111/08g; 4 Ob 205/09i). Anderes gilt, wenn die Leistung aus dem Grundverhältnis unmittelbar auch an den Mithaftenden erfolgt bzw ihm zugute kommt. Die bloß formelle Haftung des Interzedenten muss zudem nach den Umständen des Geschäftsabschlusses für den Gläubiger erkennbar sein (3 Ob 1/09g).
2.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, beide Beklagte seien als echte Mitschuldner der Hausbaukredite anzusehen, weshalb kein Interzessionsgeschäft vorliege, erweist sich als nicht korrekturbedürftig. Auch der Hinweis des Berufungsgerichts ist zutreffend, dass die Erstbeklagte nicht nur Personal , sondern auch Realschuldnerin gewesen sei. Auf einen (Dritt-)Pfandbesteller werden die Interzessionsbestimmungen der §§ 25c und 25d KSchG nach der Rechtsprechung aber nicht analog angewendet (9 Ob 85/02v; 9 Ob 16/06b; vgl auch 1 Ob 93/02m zur verneinten Sittenwidrigkeit und Sorgfaltspflichtverletzung).
3. Auch mit den weiteren Überlegungen in der außerordentlichen Revision zeigt die Erstbeklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.
Das Sittenwidrigkeitsurteil nach den für eine Angehörigenbürgschaft entwickelten Grundsätzen setzt im Allgemeinen eine Geschäftsunerfahrenheit des haftenden Angehörigen ohne wesentliches Eigeninteresse am Kreditvertrag voraus, sodass dieser aus der Verwendung der Kreditmittel keine unmittelbaren Vorteile ziehen kann (RIS Justiz RS0048300). Nur in dieser Konstellation kann angenommen werden, der Kreditgeber habe die emotionale Beziehung zwischen dem Haftenden und dem Hauptschuldner in sittlich anstößiger Weise ausgenützt.
Allgemeine vorvertragliche Schutz- und Sorgfaltspflichten des Gläubigers sogar einem dritten Sicherungsgeber gegenüber werden in der Rechtsprechung nur in ganz beschränktem Umfang bejaht. Eine solche Ausnahme ist lediglich dann anerkannt, wenn für die Bank erkennbar ist, dass der wirtschaftliche Ruin des Hauptschuldners unmittelbar bevorsteht oder dieser mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Kreditrückzahlung nicht in der Lage sein wird und die Bank damit rechnen muss, dass diese Umstände dem Sicherungsgeber nicht schon bekannt sind (RIS Justiz RS0026805; RS0026488). Ein Eigeninteresse des Mithaftenden an der Kreditgewährung, etwa weil er wirtschaftlich am finanzierten Projekt beteiligt ist oder durch die Kreditmittel auf andere Weise begünstigt wird, schließt derartige Schutz- und Sorgfaltspflichten im Allgemeinen aus.
Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.