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OGH vom 16.07.2004, 8ObA67/04t

OGH vom 16.07.2004, 8ObA67/04t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Wolf und Manfred Gürtler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Michael G*****, vertreten durch Klein, Wuntscheck und Partner, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei G***** mbH, *****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Graz, wegen EUR 25.772,47 brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse EUR 23.771,12 brutto sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 22/04s-15, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Im Betrieb der beklagten Wohnbaugenossenschaft war es unter anderem mit einer vom dort als Bauleiter angestellten Kläger mit durch Unterschrift zur Kenntnis genommenen Dienstanweisung untersagt, Datentransfers zu Privatzwecken vorzunehmen. Es wurde darauf hingewiesen, dass ein Zuwiderhandeln gegen diese Anweisungen "arbeitsrechtliche Folgen" nach sich ziehen werde. Weiters war es den Arbeitnehmern verboten, Nebentätigkeiten im Baubereich auszuüben. Ein Vorstandsmitglied erteilte dem Kläger jedoch für ein Hotelprojekt hinsichtlich der Baumeisterausschreibung eine Ausnahmeerlaubnis, da es bei einer bestimmten Firma zu Schwierigkeiten gekommen war. Der Kläger übte aber darüber hinaus der Beklagten nicht bekannte weitere Nebentätigkeiten für andere Firmen bei Bauvorhaben und auch für ein Privathaus aus. Nach den Feststellungen erforderte allein der Arbeitsaufwand für eine der Firmen, den der Kläger auch noch während der Dienstzeit tätigte und der daher zu Lasten der Beklagten ging, etwa vier Arbeitstage. Der Kläger erhielt in Zusammenhang mit seinen verschiedenen Privatprojekten auch zahlreiche E-mails an die Adresse der Beklagten. Als er dabei von einem seiner eigenen "Klienten" angesprochen wurde, ob ihm dies nicht unangenehm sei, da es sich doch um ein "privates Projekt" handle, erklärte der Kläger, dass dies kein Problem wäre, da er ohnehin ein eigenes Passwort habe. Der Kläger druckte auch umfangreiche Ansichten von geplanten Häusern bei der Beklagten aus. Diese Tätigkeiten kamen der Beklagten erst zur Kenntnis, als sie nach einem anonymen Schreiben, in dem unter anderem mitgeteilt wurde, dass der Kläger, der immer die gleiche Baufirma beauftrage, auch andere Baustellen habe, die nichts mit der Beklagten zu tun hätten, und sich auf Kosten der Mieter ein großes Privathaus baue, Nachforschungen anstellte. Diese führten zur Entlassung. Nach den von der Beklagten bekämpften und vom Berufungsgericht als jeglicher Lebenserfahrung widersprechend qualifizierten Feststellungen des Erstgerichtes hat der Kläger aber seine Nebentätigkeiten unentgeltlich erbracht und haben die Arbeitsleistungen des Klägers für die Beklagte durch die ausgeübten Nebentätigkeiten nicht gelitten.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die gegen ausdrückliche Dienstanweisungen verstoßenden Nebentätigkeiten den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit gemäß § 27 Z 1 letzter Satz AngG verwirklichten. Es sei auch von einem pflichtwidrigen Unterlassen der Dienstleistung in einem erheblichen Umfang im Sinne des § 27 Z 4 AngG auszugehen. Auf letztere Rechtsansicht ist nicht weiter einzugehen, da - wie im Folgenden noch auszuführen sein wird - der Kläger im Zusammenhang mit der Annahme des Entlassungsgrundes der Vertrauensunwürdigkeit durch das Berufungsgericht keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen vermag.

Rechtliche Beurteilung

Grundsätzlich kann der Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 letzter Fall AngG nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalles beurteilt werden. Wenn das Berufungsgericht dabei ausgehend von den bereits durch die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes herausgearbeiteten Grundsätzen diese Einzelfälle beurteilt, so vermag die Überprüfung dieser Beurteilung regelmäßig keinen Beitrag zur Rechtsfortentwicklung oder Rechtseinheit im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zu leisten (vgl zuletzt etwa OGH 8 ObA 90/03y; Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 3). Es könnte daher eine Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nur insofern vorliegen, als die Beurteilung des Berufungsgerichtes eine so krasse Fehlbeurteilung darstellen würde, dass sie im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als Beeinträchtigung der Rechtssicherheit beurteilt werden müsste (vgl ). Dies vermag der Kläger hier nicht nachzuweisen.

Nach ständiger Judikatur des Obersten Gerichtshofes ist unter den Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 letzter Satz AngG ein Verhalten zu subsumieren, dass mit Rücksicht auf seine Beschaffenheit und die Rückwirkungen auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil der Arbeitgeber befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflicht nicht entsprechend erfüllen und dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährden werde (vgl RIS-Justiz RS0029547 mwN; OGH 8 ObA 90/03y; OGH 9 ObA 129/03s uva). Entscheidend ist das Gesamtverhalten des Angestellten, das nicht etwa nach der subjektiven Auffassung des Arbeitgebers, sondern danach zu beurteilen ist, ob vom Standpunkt eines vernünftigen kaufmännischen Ermessens nach der gewöhnlichen Auffassung der beteiligten Kreise diese Befürchtung objektiv gerechtfertigt ist (vgl OGH 9 ObA 129/03s; RIS-Justiz RS0029833 mwN). Grundsätzlich zutreffend weist der Kläger in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass jene Angestellten, die sich während eines langjährigen Dienstverhältnisses immer wohl verhalten haben, einen größeren Vertrauensvorschuss erwarten können als Arbeitnehmer, die sich bereits einer Verfehlung schuldig gemacht hätten (vgl 9 ObA 129/03s mwN). Nicht entscheidend ist aber, ob ein konkreter Schaden eingetreten ist oder eine Schädigungsabsicht bestand (vgl OGH 8 ObA 90/03y; RIS-Justiz RS0029531 mwN).

Wesentlich ist hier, dass der Kläger nicht nur entgegen der ausdrücklichen Anordnung in sehr umfangreichem Ausmaß diese Nebentätigkeit während der Arbeitszeit entfaltete und dazu auch in erheblichem Umfang Betriebsmittel der Beklagten verwendete, sondern dass er auch offenbar darauf vertraute, dass sein unrechtmäßiges Handeln der Beklagten deshalb nicht zur Kenntnis gelangen würde, weil seine Dateien durch entsprechende Passwörter abgesichert waren. Es mag nun dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber, der solche Privatnutzungen ausdrücklich verboten hat, auf die für ihn als Privatdateien ersichtlichen Daten zugreifen kann (vgl dazu Brodil in seiner Entscheidungsbesprechung ZAS 2002/16), da nur entscheidend ist, ob dieses Verhalten objektiv befürchten lässt, dass der Kläger seine Pflichten nicht entsprechend erfüllen und die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährden werde. Wenn das Berufungsgericht dies hier bejaht hat, so kann unter Beachtung all dieser Umstände nicht vom Vorliegen einer Fehlbeurteilung im dargestellten Sinne ausgegangen werden.

Die Ausführungen der Revision, wonach die Beklagte über einen großen Teil der Tätigkeiten des Klägers informiert gewesen sei entfernen sich von den konkreten Feststellungen. Insoweit kann die Rechtsrüge einer weiteren Behandlung nicht zugeführt werden (vgl Kodek in Rechberger ZPO § 503 Rz 5). Soweit sich der Kläger auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 8 ObA 7/02s bezieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass im damaligen Fall die Nebenbeschäftigung dem Arbeitgeber bekannt war. In der ebenfalls vom Kläger herangezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom zu 9 ObA 117/01y hat der Oberste Gerichtshof ausdrücklich festgehalten, dass in einer Nebenbeschäftigung, die entgegen einer vertraglichen, wirksamen Verpflichtung ausgeübt wird, ein Vertrauensmissbrauch im Sinne des § 27 Z 1 AngG erblickt werden kann.

Insgesamt vermag es die Revision des Klägers jedenfalls nicht eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen.