OGH vom 01.09.2020, 20Ds5/20w

OGH vom 01.09.2020, 20Ds5/20w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Hofer als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin FI Ponath in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer wegen Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 17/19, 14 DV 32/19, TZ 28, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, des Kammeranwalts Mag. Kammler und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Berufung wird eine Geldbuße von 9.000 Euro verhängt.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Freispruch beinhaltenden Erkenntnis wurde der Beschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 4.500 Euro verurteilt.

Danach hat er als rechtsfreundlicher Vertreter von Maria K*****

1.) auf deren Anfragen vom 9. März, 25. April, 30. April, 3. Mai, 15. Juni, 27. Juni, 3. Juli, 15. August, 28. August, 22. Oktober, und nicht in angemessener Frist reagiert und inhaltliche Anfragen über den Verfahrensstand nicht beantwortet;

2.) trotz Auftrags im Februar 2018, unverzüglich Exekution zu führen, diese erst im Mai/Anfang Juni 2018 eingebracht.

Bei der Strafzumessung ging der Disziplinarrat von einem durchschnittlichen Nettoeinkommen von 6.000 Euro monatlich aus, berücksichtigte teilweise Sorgepflichten für die Ehegattin und die geschiedene Ehegattin und wertete als mildernd das „Tatsachengeständnis“, als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen sowie „das wiederholte Nichtbeachten der Urgenzen“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die fristgerecht erhobene Berufung des Kammeranwalts wegen zu geringer Höhe der verhängten Geldbuße. Er verweist auf die Schwere des Delikts der Treuepflichtverletzung an sich, eine Vielzahl einschlägiger Vorverurteilungen, den raschen Rückfall und die vorsätzliche Begehung.

Nach § 16 Abs 6 DSt ist bei der Verhängung der Strafe auf die Größe des Verschuldens und die daraus entstandenen Nachteile, vor allem für die Recht suchende Bevölkerung, bei Bemessung der Geldbuße auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Disziplinarbeschuldigten Bedacht zu nehmen. Außerdem sind bei der Strafbemessung die maßgebenden Grundsätze der § 32 ff StGB anzuwenden (Lehner in Engelhart et al, RAO9§ 16 Rz 17 mwN). Nach § 32 StGB wiederum sind – ausgehend von der Schuld des Täters – sowohl die allgemeinen als auch die besonderen Erschwerungs- und Milderungsgründe gegeneinander abzuwägen und ist überdies auf spezial- und generalpräventive Gründe Bedacht zu nehmen.

Der Beschuldigte hat Verstöße gegen § 9 RAO zu vertreten. Diese Bestimmung ergänzt § 1009 ABGB, der den Gewalthaber verpflichtet, das ihm durch den Bevollmächtigungsvertrag aufgetragene Geschäft „seinem Versprechen und der erhaltenen Vollmacht gemäß, emsig und redlich“ zu besorgen (stRsp RS0112203; Lehner in Engelhart et al, RAO9§ 9 Rz 10). Standesrechtlich folgt aus der Verpflichtung zu Treue, Eifer und Gewissenhaftigkeit etwa die rechtzeitige und ohne Aufschub erfolgende Information des Klienten von allen wesentlichen Vorkommnissen (RS0123612); ebenso die Verpflichtung, Verzögerungen, etwa bei Betreibungen oder Berichten hintanzuhalten (vgl Lehner in Engelhart et al, RAO9§ 9 Rz 11).

Im vorliegenden Fall blieben zwölf Anfragen in einem Zeitraum von knapp elf Monaten unbeantwortet und ein Exekutionsantrag wurde mit erheblicher Verspätung eingebracht, sodaß von einem gravierenden Handlungsunwert auszugehen ist.

Der Beschuldigte war zunächst bis selbständiger Rechtsanwalt, verzichtete zu diesem Zeitpunkt auf die weitere Ausübung der Rechtsanwaltschaft und wurde am als angestellter Rechtsanwalt wieder in die Liste der oberösterreichischen Rechtsanwälte eingetragen (Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , D 41/03, DV 9/04 ua, ES 16). Bei zahlreichen vor dem Verzicht begangenen Disziplinarvergehen war die Verjährungsfrist gemäß § 2 Abs 2 Z 2 DSt gehemmt, weshalb anhängige Verfahren fortgesetzt wurden. Der Beschuldigte wurde mit Erkenntnissen des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , D 41/03, DV 9/04 ua (wegen elf Vergehen, davon sechs einschlägig), vom , D 8/04, DV 14/04 ua (wegen zweier Vergehen, davon eines einschlägig), und vom , D 23/06, DV 36/17 (wegen zweier Vergehen, davon ebenfalls eines einschlägig), verurteilt.

Unmittelbar danach begann der Tatzeitraum der gegenständlichen Verstöße gegen die anwaltliche Treuepflicht. Der Beschuldigte wurde sofort rückfällig und setzte sein Verhalten über die Dauer von fast einem Jahr fort.

Dies obwohl er in der Zeit von 1998 bis zum Verzicht auf die Berufsausübung am weitere zwölf Verurteilungen aufweist (TZ 26), welche gemäß § 75 DSt nicht getilgt sind. Fehlende Delinquenz bis zur Wiedereintragung ist naturgemäß irrelevant.

Erschwerend sind somit das Zusammentreffen zweier strafbarer Handlungen derselben Art und deren Fortsetzung über längere Zeit sowie die zahlreichen Vorstrafen, mildernd das Geständnis.

Unter Berücksichtigung der vom Disziplinarrat dargestellten wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der aktuellen präventiven Erfordernisse war die Geldbuße für das gravierende neuerliche Fehlverhalten des offenbar durch bisherige Sanktionen nicht genug beeindruckten Beschuldigten im spruchgemäßen Ausmaß festzusetzen, ohne dass die von diesem in der Berufungsverhandlung relevierte Dauer seines Wiedereintragungsverfahrens Einfluss auf die Unrechtsfolge entfalten konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0200DS00005.20W.0901.000

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.