OGH vom 19.03.1974, 8Ob49/74
Norm
Jugendwohlfahrtsgesetz § 18;
Kopf
SZ 47/32
Spruch
Die Beschaffung des Unterhalts durch Geltendmachung von Rechtsansprüchen ist rechtlich eine Aufgabe der dem Vormund obliegenden gesetzlichen Vertretung des Mundels
Die uneheliche Mutter hat - falls sie nicht zum Vormund bestellt wurde - im Verfahren zur Festsetzung des Unterhalts ihres Kindes gegen dessen Vater keine Parteistellung
(KG Leoben R 44/74; BG Leoben 3 P 9/58)
Text
Die Bezirkshauptmannschaft L ist der Amtsvormund der am außer der Ehe geborenen minderjährigen B und K P. Deren Mutter stellte den Antrag, dem unehelichen Vater an Stelle des bisherigen monatlichen Unterhaltsbetrages von je 300 S einen solchen von je 800 S aufzuerlegen. Die Bezirkshauptmannschaft L schloß sich als Amtsvormund diesem Antrag der Mutter an.
Das Erstgericht erhöhte zunächst mit dem Beschluß vom den monatlichen Unterhaltsbeitrag für die beiden Minderjährigen von je 300 S auf je 400 S und wies nach Durchführung weiterer Erhebungen, insbesondere nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, mit dem Beschluß vom das Begehren der Mutter auf Erhöhung des Unterhaltes um weitere 400 S je Kind ab.
Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluß den Rekurs der Mutter gegen den abweisenden Beschluß des Erstgerichtes als unzulässig zurück. Es führte aus, nur derjenige sei zu einem Rechtsmittel im außerstreitigen Verfahren legitimiert, in dessen Rechtssphäre durch die Entscheidung eingegriffen werde. Eine Einflußnahme bloß auf die Interessenssphäre genüge nicht. Die gesetzliche Vertretung eines Mundels vor Gericht stehe dem Vormund zu. Dazu gehörten auch alle Maßnahmen zur Sicherung des notwendigen Unterhaltes durch Erwirkung entsprechender Unterhaltsbeschlüsse und die Vertretung des Mundels im außerstreitigen Verfahren. Der Amtsvormund habe sich zwar dadurch, daß er dem Unterhaltserhöhungsantrag der Kindesmutter beigetreten sei, mit diesem Antrag identifiziert. Zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den über diesen Antrag ergangenen Beschluß sei aber nur der Amtsvormund legitimiert, weil durch den Beschluß nur in die Rechtssphäre des Mundels eingegriffen werde. Die uneheliche Mutter werde durch die Abweisung des Unterhaltserhöhungsantrages nur in ihrer Interessenssphäre betroffen. Sie könne nicht die Rechtssphäre ihres Kindes wahren, da hiezu im Unterhaltsbemessungsverfahren nur der Amtsvormund berufen sei.
Der Oberste Gerichtshof gab dem Rekurs der unehelichen Mutter nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus der Begründung:
Was zunächst die Zulässigkeit des Rechtsmittels betrifft, so handelt es sich bei dem angefochtenen Beschluß des Rekursgerichtes nicht um eine Entscheidung über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes im Sinne des § 14 Abs. 2 AußStrG, sondern um eine solche über verfahrensrechtliche Voraussetzungen der Entscheidung, nämlich um die Legitimation der unehelichen Mutter zur Stellung des Antrages auf Unterhaltserhöhung und zur Ergreifung von Rechtsmitteln in einem solchen Verfahren (vgl. SZ 7/261; 8 Ob 183/70, 6 Ob 160/71). Da das Rekursgericht den Rekurs ohne Überprüfung der Sachentscheidung nur wegen mangelnder Rekurslegitimation der Mutter zurückgewiesen hat, liegt auch keine bestätigende Entscheidung im Sinne des § 16 Abs. 1 AußStrG vor, so daß auch die Rekursbeschränkung dieser Gesetzesstelle nicht zur Anwendung kommt.
Die Mutter wendet sich gegen die Ansicht des Rekursgerichtes, daß nur der Amtsvormund zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen den über den Unterhaltserhöhungsantrag ergangenen Beschluß berechtigt sei. Dadurch, daß der Amtsvormund ihrem Unterhaltserhöhungsantrag beigetreten sei, habe er sich mit diesem Antrag identifiziert und dadurch das ganze Verfahren und nicht etwa nur das erstinstanzliche Verfahren genehmigt. Es sei daher nicht für die Rechtsmittelinstanzen ein weiterer Beitritt erforderlich. Soweit das Rekursgericht darauf verweise, daß die dem Rechtsanwalt erteilte Vollmacht nur von der Mutter, nicht aber auch vom Amtsvormund unterfertigt sei, hätte ein darin allenfalls gelegener Mangel durch Zurückstellung des Rekurses zur Verbesserung durch Vorlage der Vollmacht des Amtsvormundes behoben werden können.
Die Sorge für die Erziehung des Mundels gehört - worauf auch die Überschrift zu § 216 ABGB hinweist - zu den besonderen Rechten und Pflichten des Vormundes, die gemäß § 18 Abs. 1 JWG auch für die Amtsvormundschaft gelten. Sie erstreckt sich auch auf die Beschaffung der Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes des Mundels. Soweit die Beschaffung des Unterhaltes durch Geltendmachung von Rechtsansprüchen zu bewirken ist, ist sie rechtlich eine Aufgabe der dem Vormund obliegenden gesetzlichen Vertretung des Mundels (vgl. Wentzel - Piegler in Klang 1/2, 376). Die gesetzliche Vertretung steht bei unehelichen Kindern nur dem Amtsvormund zu, solarige die Mutter nicht auf ihren Antrag zur Vormunderin bestellt ist (§ 198 Abs. 2 ABGB). Nur der Amtsvormund kann daher in dem Verfahren, das die Festsetzung des Unterhaltes für das uneheliche Kind zum Gegenstand hat, als Vertreter des Kindes Anträge stellen und Rechtsmittel ergreifen (vgl. SZ 7/261; GlU 15.786, GlUNF 2.997; 2 Ob 804/53; 5 Ob 151/62). Anders ist die Stellung der ehelichen Mutter im Verfahren wegen Unterhaltsleistung des ehelichen Vaters, in dem ihr wegen der Interessenkollision zwischen dem Vater als gesetzlichem Vertreter und dem unterhaltsberechtigten Kinde die Funktion einer besonderen Sachwalterin zukommt (vgl. SZ 5/117;, SZ 22/29; 6 Ob 145/62). Dadurch, daß sich der Amtsvormund im gegenständlichen Verfahren dem Unterhaltserhöhungsantrag der unehelichen Mutter angeschlossen hat, die als solche zur Antragstellung gar nicht berechtigt gewesen wäre, hat er deren Antrag zu seinem eigenen Antrag gemacht. Daraus kann nicht etwa eine Bevollmächtigung der Mutter durch den Amtsvormund für das weitere Verfahren, das zufolge dieses Verhaltens des Amtsvormundes durchzuführen war, abgeleitet werden. Die Mutter hat auch weder bei ihrer Antragstellung noch in ihrem Rechtsmittel in irgendeiner Weise zum Ausdruck gebracht, etwa mit Billigung des Amtsvormundes als dessen Bevollmächtigte aufzutreten. Für die Vorinstanzen bestand daher auch keinerlei Anlaß, zwecks Beibringung einer entsprechenden Vollmacht des Amtsvormundes an die Mutter bzw. an den von dieser bestellten Rechtsanwalt, ein Verbesserungsverfahren einzuleiten.
Der Mutter könnte im vorliegenden Verfahren wegen Unterhaltsfestsetzung gegen den unehelichen Vater eine Parteistellung auch nicht zuerkannt werden, falls sie eigene Ansprüche auf Grund ihrer Rechtsbeziehungen zum unehelichen Vater durchzusetzen bestrebt sein sollte - z. B. um allfällige subsidiäre Unterhaltsansprüche des Kindes gegen sie erst gar nicht entstehen zu lassen -, da solche Ansprüche nicht in dem nur die Interessen des Kindes betreffenden Pflegschaftsverfahren, sondern nur im Rechtsweg (§ 1042 ABGB) geltend gemacht werden könnten. Die Entscheidung im Verfahren wegen Unterhaltsfestsetzung wirkt nur im Verhältnis zwischen den Parteien des Unterhaltsanspruches. Der Verwendungskläger kann, unabhängig von einer gerichtlichen Unterhaltsfestsetzung und auch dann, wenn eine solche gar nicht stattgefunden hat, Verwendungsansprüche geltend machen (vgl. Stanzl in Klang IV/1, 932). Aus diesen Gründen vermag sich der erkennende Senat auch nicht der in der Entscheidung RZ 1933, 44 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht anzuschließen, daß der unehelichen Mutter wegen ihrer subsidiären Unterhaltsverpflichtung auch zur Vertretung eigener Interessen im Verfahren wegen Unterhaltsfestsetzung für das Kind Parteistellung zukomme. Ihr Rechtsmittel wurde daher vom Rekursgericht mit Recht zurückgewiesen.