VfGH vom 20.06.1984, b540/79
Sammlungsnummer
10064
Leitsatz
ErbStG 1955; keine Bedenken gegen § 7 Abs 1 unter dem Gesichtspunkt unterschiedlicher Behandlung von Ehe und Lebensgemeinschaft; kein Verstoß gegen Art 7 Abs 1 B-VG, Art 8 und 12 MRK
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrssteuern in Linz vom wurde dem Bf. gemäß § 7 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes 1955, BGBl. 141/1955 idF 15/1968 (künftig: ErbStG), Erbschaftssteuer nach Steuerklasse V vorgeschrieben.
1.2. Der gegen diese Steuervorschreibung erhobenen Berufung, in der der Bf. geltend machte, daß zwischen ihm und der Erblasserin eine Lebensgemeinschaft bestanden habe - ein Lebensgefährte sei in gleicher Weise wie ein Ehegatte in Steuerklasse I einzureihen - wurde von der Finanzlandesdirektion für OÖ mit Bescheid vom , Z 336/1-9/Hb-1979, keine Folge gegeben.
2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichbehandlung aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
2.2. Die bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
3.1. Der Bf. erblickt die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit darin, daß sich der angefochtene Bescheid entweder auf eine dem Gleichheitsgebot widersprechende Norm, nämlich § 7 Abs 1 ErbStG, stütze, oder daß die Behörde dieser Rechtsvorschrift einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt habe, da er als Lebensgefährte der Erblasserin "nicht in Gleichbehandlung mit dem formal legitimen Ehegatten in Steuerklasse I ... eingereiht" wurde. Aus dem Wesen der Ehe und eheähnlicher Gemeinschaften könnten keinerlei Schlüsse auf bestimmte steuerliche Behandlungen gezogen werden, insbesondere rechtfertige sich daraus nicht eine hieraus abgeleitete höhere oder niedrigere Steuerlast. Das österreichische Abgabenrecht habe während der Geltungsdauer des Einkommensteuergesetzes 1967 iZm. der damals vorgesehenen Haushaltsbesteuerung, welche Lebensgemeinschaften in gleicher Weise wie Ehegemeinschaften betroffen habe, "die Unbegründetheit einer solchen Differenzierung anerkannt". Gemäß Art 14 MRK sei der Genuß der in der Konvention festgelegten Rechte ohne eine Benachteiligung zu gewährleisten, die im jeweiligen Status begründet ist. Das aus Art 12 erfließende Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, umfasse auch das Recht, "nicht formal zu heiraten". Auch das aus Art 8 MRK erfließende Anrecht auf Respektierung des Familienlebens sei nicht auf sogenannte "legitime Familien" beschränkt. Die Einordnung des Lebensgefährten in Steuerklasse V sei somit eine ungerechtfertigte Benachteiligung, ein schwerer Eingriff in das Eigentumsrecht und eine Verletzung des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit.
3.2.1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980, 9186/1981) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
3.2.2. Die vom Bf. erhobenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 7 Abs 1 ErbStG werden vom VfGH nicht geteilt.
Lebensgemeinschaften unterscheiden sich von Ehen so wesentlich, daß der Gesetzgeber keineswegs genötigt ist, die beiden Gemeinschaften in jeder Hinsicht gleichzustellen. Insbesondere beruht die eheliche Gemeinschaft auf einer rechtlichen Institution, die ein wesentliches Element der rechtlichen Ordnung menschlicher Beziehungen bildet (vgl. VfSlg. 4678/1964), während für die nichtehelichen Lebensgemeinschaften eine vergleichbare rechtliche Ordnung des Gemeinschaftsverhältnisses nicht besteht. Wenn also § 7 Abs 1 ErbStG in der Steuerklasse I nur auf die durch das Eherecht gesetzlich geregelten Beziehungen zwischen Mann und Frau abstellt, jedoch Lebensgemeinschaften, die nicht auf dem Band der Ehe beruhen, unberücksichtigt läßt, bewegt sich der Gesetzgeber im Bereich einer rechtspolitisch zulässigen Entscheidung (vgl. auch die Entscheidung des BFH, BSt.Bl. 1983 II 114, und die Anmerkung dazu in RdW 1984, S 64).
Soweit sich der Bf. auf die einkommensteuerrechtliche Haushaltsbesteuerung während der Geltungsdauer des EStG 1967 beruft, ist daraus für seinen Standpunkt schon deshalb nichts zu gewinnen, weil die rechtliche Ausgangslage für die Vorschreibung der Einkommensteuer und der Erbschafts- und Schenkungssteuer so unterschiedlich ist, daß sich ein Vergleich der Regelungen nicht erlaubt.
Eine Berufung auf den nach Art 8 MRK jedermann gewährleisteten Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens geht schon vom Ansatz her fehl, weil eine erbschaftsteuerliche Regelung nicht geeignet ist, die durch Art 8 MRK geschützte Rechtssphäre zu verletzen. Auch Art 12 MRK bietet aus gleichen Gründen keinerlei Anlaß zu verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 7 Abs 1 ErbStG. Beide Rechte können im übrigen nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß Ehen und Lebensgemeinschaften nicht gleichgestellt sind.
3.2.3. Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen käme ein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot somit nur in Frage, wenn die Behörde Willkür geübt hätte. Dies wird vom Bf. gar nicht behauptet; das Verfahren ergibt keinerlei Anhaltspunkt für einen derartigen Vorwurf.
3.3. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Bf. in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß er in seinen Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.