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OGH vom 08.03.2012, 13Os108/11y

OGH vom 08.03.2012, 13Os108/11y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin MMag. Linzner als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Ratko R***** wegen Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 11 zweiter und dritter Fall, 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 83 Hv 111/09i 277, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus deren Anlass wird das angefochten Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen Finanzvergehen des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach §§ 11 dritter Fall, 44 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (B) und der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1 FinStrG (C) sowie demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Wertersatzstrafen) aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Ihm fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ratko R***** jeweils mehrerer Finanzvergehen des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 11 zweiter und dritter Fall, 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (A), des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols nach §§ 11 dritter Fall, 44 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 (B) und der Abgabenhinterziehung nach §§ 11 dritter Fall, 33 Abs 1 FinStrG (C) schuldig erkannt.

Danach hat er von Anfang Mai 2007 bis zum in Wien und an anderen Orten

(A) gewerbsmäßig andere dazu bestimmt, in mehreren Angriffen insgesamt 34.996 Stangen Zigaretten der Marke Memphis, auf die 178.527,74 Euro an Zoll entfielen, vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union zu verbringen, und hiezu beigetragen, indem er Transporte organisierte, eine Lagerhalle anmietete und Hilfskräfte zum Abladen sowie zum Weitertransport der Zigaretten anwarb und damit beauftragte,

(B) durch die zu A beschriebenen Handlungen vorsätzlich dazu beigetragen, dass „unbekannt gebliebene Täter zu ihrem Vorteil vorsätzlich die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote und Verbote hinsichtlich des Handels mit Monopolgegenständen verletzten, wobei sich sein Tatbeitrag auf nicht mehr exakt feststellbare Mengen jenseits der Grenze von 1 Million Stück Zigaretten bezog“, sowie

(C) durch die zu A beschriebenen Handlungen vorsätzlich dazu beigetragen, dass andere unter Verletzung abgabenrechtlicher Anzeige , Offenlegungs oder Wahrheitspflichten Verkürzungen an Tabaksteuer um insgesamt 681.248,44 Euro bewirkten, indem die bezeichneten Zigaretten „ins Steuergebiet der Republik Österreich verbracht, in Gewahrsam gehalten bzw verwendet wurden“.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Mängel (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) erschöpfen sich darin, die vom Erstgericht lückenlos erörterten (Z 5 zweiter Fall), den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend beurteilten (Z 5 vierter Fall) Verfahrensergebnisse eigenen, für den Angeklagten günstigen Beweiswerterwägungen zu unterziehen, und wenden sich damit nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass wie die Generalprokuratur zutreffend aufzeigt zum Nachteil des Angeklagten das Strafgesetz mehrfach unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO):

Den Tatbestand des § 44 Abs 1 lit a FinStrG idF vor BGBl I 2010/104 erfüllt (ebenso wie jenen des § 44 Abs 1 FinStrG idgF), wer zu seinem oder eines anderen Vorteil vorsätzlich die in den Vorschriften über das Tabakmonopol enthaltenen Gebote oder Verbote hinsichtlich (ua) des Handels mit Monopolgegenständen verletzt. Solcherart hier relevante Gebote und Verbote sind jene über den Handel mit Tabakerzeugnissen (§ 5 Abs 3 TabMG iVm § 1 Abs 2 TabMG), worunter § 5 Abs 4 TabMG das gewerbsmäßige Inverkehrbringen solcher Erzeugnisse im Monopolgebiet versteht. Dieser Begriff ist nach der Judikatur inhaltsgleich mit dem des „Inverkehrsetzens“ nach § 28 Abs 1 SMG (RIS Justiz RS0120331; 13 Os 27/09h, EvBl 2009/138, 920), also der Übertragung des Gewahrsams auf einen anderen ( Schwaighofer in WK² § 27 SMG Rz 39, § 28 SMG Rz 22). Diese muss gewerbsmäßig, demnach in der Absicht erfolgen, sich durch wiederkehrendes Inverkehrbringen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Die strafrechtliche Definition der Gewerbsmäßigkeit (vgl § 70 StGB, § 38 Abs 1 FinStrG) kann hier zwanglos sinngemäß angewendet werden, weil sie im allgemeinen Sprachgebrauch Deckung findet und Gründe für eine rechtskreisspezifische Differenzierung insoweit nicht vorliegen.

Da die angefochtene Entscheidung zu diesen Kriterien keine Feststellungen enthält, tragen die Urteilskonstatierungen zum Schuldspruch B die Subsumtion nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG (idF vor BGBl I 2010/104) nicht.

Hinzu kommt, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts 4.996 Stangen Zigaretten sichergestellt worden sind (US 9), sodass diesbezüglich wohl nur ein Beitrag zum Versuch (§ 13 FinStrG) in Betracht kommt. Konstatierungen dazu, ob insoweit (von den unmittelbaren Tätern) das Stadium der straflosen Vorbereitungshandlung überschritten worden ist, enthält die angefochtene Entscheidung aber ebenfalls nicht.

Letztlich wird, wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei, in Bezug auf den Schuldspruch B nicht klar, wie die im Urteilstenor (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) enthaltene Passage, „wobei sich sein Tatbeitrag auf nicht mehr exakt feststellbare Mengen jenseits der Grenze von 1 Million Stück Zigaretten bezog“ (US 4), zu verstehen ist, zumal bei der Festsetzung des Strafrahmens die aus dem Verhandeln von rund 7 Millionen Zigaretten (US 3) errechnete Bemessungsgrundlage (§ 44 Abs 2 FinStrG) veranschlagt wurde (vgl US 10, 20).

Zum Schuldspruch C führt das Erstgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung zutreffend aus, dass die allfällige Hinterziehung von Tabaksteuer an den Kriterien des § 27 TabStG zu messen ist (US 19). Zentrales Anknüpfungsmoment dieser Norm ist der Bezug zu gewerblichen Zwecken. Konstatierungen hiezu sind der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen.

Darüber hinaus ist diese auch in Bezug auf den Schuldspruch C nicht stringent, weil das Erstgericht insoweit von der Beitragstäterschaft (§ 11 dritter Fall FinStrG) des Angeklagten ausgeht (US 4), im Rahmen der rechtlichen Beurteilung aber festhält, dass der Angeklagte selbst Steuerschuldner sei (US 19; vgl § 27 Abs 2 TabStG).

Die Schuldsprüche B und C waren somit schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zu kassieren (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO).

Dies hat die Aufhebung des Strafausspruchs (einschließlich der Wertersatzstrafen) zur Folge, worauf der Angeklagte mit seiner Berufung zu verweisen war.

Festzuhalten bleibt, dass das Urteil auch an (ebenfalls in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht aufgegriffener) Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO leidet, weil der Schuldspruch C (laut US 19 irrtümlich) nicht nach § 38 Abs 1 FinStrG erfolgte (US 4), der Strafrahmen aber auch diesbezüglich nach Maßgabe dieser Gesetzesstelle und solcherart (insgesamt) überhöht angenommen wurde (US 20).

Einer allfälligen Subsumtion nach § 38 Abs 1 FinStrG im zweiten Rechtsgang steht dieser Umstand freilich nicht entgegen, die diesfalls auszumessende Geldstrafe darf aber mit Blick auf das Verschlechterungsverbot (§ 293 Abs 3 StPO iVm § 290 Abs 2 StPO) nicht strenger sein als die im ersten Rechtsgang verhängte.

Die Kostenersatzpflicht, welche die amtswegige Maßnahme nicht umfasst ( Lendl , WK StPO § 390a Rz 12), gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.