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OGH vom 29.01.2020, 13Os107/19p

OGH vom 29.01.2020, 13Os107/19p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer, Mag. Michel, Dr. Oberressl und Dr. Brenner in Gegenwart der Schriftführerin Dr. Ondreasova in der Strafsache gegen Isoken O***** wegen des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 151 Hv 7/19y-177, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Isoken O***** jeweils eines Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 2 StGB (1) und des Menschenhandels nach § 104a Abs 5 StGB (2) sowie jeweils eines Vergehens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 FPG (3) und der Förderung der Prostitution und pornographischer Darbietungen Minderjähriger nach § 215a Abs 1 StGB (4) schuldig erkannt.

Danach hat sie in W*****

(1) vom November 2015 bis zum November 2016 die nigerianische Staatsangehörige Happy J***** mit dem Vorsatz, dass sie in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besaß, der Prostitution nachgehe, durch Täuschung über dieses Vorhaben, nämlich durch die Vorspiegelung, sie könne dort eine Schulausbildung absolvieren und als Haushaltshilfe arbeiten, verleitet, sich in einen anderen Staat zu begeben, und sie unter Ausnützung ihres Irrtums über dieses Vorhaben in einen anderen Staat befördert, indem sie die Reise der Genannten von Nigeria nach Österreich organisierte, ferner

(2) die am geborene, somit minderjährige Happy J***** mit dem Vorsatz, dass diese ausgebeutet (§ 104a Abs 3 StGB) werde,

im November 2016 (US 4 f) angeworben, indem sie ihr nach Abnahme eines sogenannten Juju-Schwures eröffnete, sie müsse durch Prostitution 30.000 Euro verdienen und als „Schlepperlohn“ bezahlen, ferner

im Februar 2017 (US 5) beherbergt, indem sie ihr vorübergehend Unterkunft gewährte, und

im März 2017 (US 5) einem anderen angeboten, indem sie Dietmar N***** ankündigte, sie ihm zu „schicken“, damit er sie zur Ausübung der Prostitution vermittle, weiters

(3) durch das zu 1 beschriebene Verhalten die rechtswidrige Einreise einer Fremden, die über keine aufrechte Einreise- oder Aufenthaltsbewilligung für den Schengenraum verfügte, in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt (von 30.000 Euro) unrechtmäßig zu bereichern, sowie

(4) im März 2017 die am geborene, somit minderjährige Happy J*****, die (über Vermittlung des Dietmar N*****) der Prostitution nachging, ausgenützt, um sich einen Vermögensvorteil zuzuwenden, indem sie ihr „nahezu den gesamten Lohn abnahm“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten.

Weshalb die Feststellung, die Beschwerdeführerin habe die (in ihrem Verlauf detailliert konstatierte) Reise der Happy J***** organisiert (US 4), nicht die (rechtliche) Annahme eines Förderns deren Einreise (§ 114 Abs 1 FPG) tragen sollte, versäumt das gegen den gerichtete Vorbringen (der Sache nach Z 10) aus dem Gesetz abgeleitet darzulegen (siehe aber RIS-Justiz RS0116565). Das Argument, es fehle „jede Ausführung, wie die Angeklagte subjektiv und objektiv diesen Tatbestand erfüllt haben soll“, setzt sich ebenso prozessordnungswidrig (RIS-Justiz RS0099810) über die genau dazu getroffenen Urteilsfeststellungen (US 4) hinweg.

Welcher konkreten den („nach § 217 Abs. 2 StGB“) tragenden Feststellung die – angeblich unerwogen gebliebene (Z 5 zweiter Fall) – Aussage des Dietmar N*****, die Beschwerdeführerin nicht zu kennen (ON 162 S 13 iVm ON 24 S 32), in welcher Hinsicht erörterungsbedürftig entgegenstehen sollte, sagt die Rüge nicht. Im Übrigen haben die Tatrichter dieses Deponat – ausdrücklich – als durch die vom Gericht für glaubhaft befundenen Angaben der Zeugin J***** widerlegt erachtet (US 14).

Vor allem aus Letzteren folgerte das Erstgericht – unter Miteinbeziehung der übrigen Verfahrensergebnisse und dazu angestellter Plausibilitätserwägungen – seine Feststellungen zu sämtlichen Schuldsprüchen (US 7 bis 14). Dass diese Ableitung „nicht zwingend“ ist, macht sie keineswegs „willkürlich“ (Z 5 vierter Fall [vgl RISJustiz RS0098471]).

Ob die Beschwerdeführerin „ein Einkommen aus den vorgeworfenen kriminellen Handlungen“ (tatsächlich) „bezog“, betrifft – weil keiner der vom Schuldspruch umfassten Tatbestände darauf abstellt, vielmehr § 114 Abs 1 FPG (unrechtmäßige Bereicherung) und § 215a Abs 1 zweiter Satz StGB (Zuwendung eines Vermögensvorteils) bloß entsprechende verlangen – keine entscheidende, nämlich für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsache (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 399). Der darauf bezogene Einwand (Z 5 vierter Fall) verfehlt daher von vornherein den Bezugspunkt der unternommenen Anfechtung.

Das weitere Vorbringen erschöpft sich darin, Beweisergebnisse eigenständig zu bewerten und daraus von jenen des Schöffengerichts abweichende Schlussfolgerungen einzufordern. Damit wird lediglich – abseits der (solcherart bloß nominell) herangezogenen Anfechtungskategorien – die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld bekämpft.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0130OS00107.19P.0129.000

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