OGH vom 28.05.2019, 11Os57/19w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Setz-Hummel als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Korner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Abdallah A***** W***** wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom , GZ 11 Hv 94/18i-111, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Abdallah A***** W***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am in M***** Nikoloz T***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), und zwar eine an sich schwere Körperverletzung verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit in Form einer ausgeprägten Schnittverletzung rechtsseitig im Bereich des Kinns bis zur Oberlippe sowie weiterer – bis zum Knochen des Unterkiefers reichender – Schnittverletzungen im Bereich der Wange und des Unterkiefers samt Eröffnung der Mundhöhle rechtsseitig und Verletzung des Zahnfleisches absichtlich zugefügt, indem er ihn mit einem Stanleymesser attackierte und schnitt, wobei die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85 StGB) in Form einer auffallenden Verunstaltung, und zwar einer dauerhaft verbleibenden, ausgeprägten, gut sichtbaren Narbenbildung im Bereich der rechten Gesichtshälfte mit einer Länge von 6 cm (vom Kinn bis oberhalb der Oberlippe reichende narbige Läsion), nach sich zog.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Soweit fallbezogen von Bedeutung, ist unabdingbare Voraussetzung einer Erfolg versprechenden Rüge aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO ein in der Hauptverhandlung gemäß § 55 Abs 1 StPO gestellter Antrag sowie ein gegen diesen gefasster Beschluss oder die Nichterledigung eines Antrags, mit anderen Worten eine Befassung des Schöffengerichts (§ 238 Abs 1 StPO) durch den Beschwerdeführer (vgl RISJustiz RS0098040; Danek/Mann, WKStPO § 238 Rz 1; Fabrizy, StPO13§ 238 Rz 3 und § 281 Rz 37; Hager/Meller/Hetlinger, Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung4 S 47; Schroll/Schillhammer, Rechtsmittel in Strafsachen3 Rz 172; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 9.96; Kirschenhofer in Schmölzer/Mühlbacher, StPO2§ 281 Abs 1 Z 4 Rz 7). Somit hat die Kritik an der Abweisung des Antrags auf spurenkundliche Untersuchung der am Tatort aufgefundenen Teile einer zerbrochenen Glasflasche auf sich zu beruhen, weil – trotz Abweisung desselben (allein) durch den Vorsitzenden – vom Beschwerdeführer keine Entscheidung des Senats begehrt wurde (ON 110 S 8 f).
Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall; RISJustiz RS0118316) zuwider haben sich die Tatrichter zureichend mit der Frage befasst (US 10, 12), ob die erwähnte Glasflasche als Tatwaffe in Betracht kommt, einen damit allenfalls verbundenen Ausschluss der Täterschaft des Angeklagten jedoch unter Hinweis auf weitere Beweisergebnisse verneint. Dabei war das erkennende Gericht nicht gehalten, sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde erhobenen Einwand im Voraus auseinanderzusetzen (RISJustiz RS0098541, RS0106642).
Ebenso wurden die Schilderungen des Zeugen T*****, in welcher Art der Angeklagte das Messer ergriff und wie er damit verfuhr, bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Erstgenannten berücksichtigt (US 11 iVm ON 59 S 5 f, 8).
Anhand einer eigenständigen Würdigung der ins Treffen geführten Verfahrensresultate versucht die Beschwerde bloß, andere (für den Nichtigkeitswerber günstigere) Schlussfolgerungen plausibel zu machen.
Mit dem Hinweis auf isoliert hervorgehobene Depositionen des Opfers, dessen Demonstration der Schnittführung in der Hauptverhandlung und auf verschiedene Aussagepassagen zur erwähnten Glasflasche gelingt es der Tatsachenrüge (Z 5a) nicht, beim Obersten Gerichtshof erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu erwecken.
Die Sanktionsrüge (Z 11) behauptet, die erschwerende Berücksichtigung der Tatbegehung „aus völlig nichtigem Grund“ im Rahmen des § 32 StGB (US 15) sei im Hinblick auf die in § 34 Abs 1 Z 3, Z 7 und Z 8 StGB gesetzlich normierten Milderungsgründe unzulässig. Dem ist zu entgegnen, dass auch ein in § 33 StGB nicht angeführter Umstand als aggravierend herangezogen werden kann, sofern er – wie hier im Handlungsunwert (vgl dazu Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 86, 92) – einem der demonstrativ aufgezählten Gründe gleichwertig ist (vgl RISJustiz RS0090881; Ebner in WK2 StGB § 33 Rz 1).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00057.19W.0528.000 |
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