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OGH vom 27.08.2008, 13Os107/08x

OGH vom 27.08.2008, 13Os107/08x

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Johannes G***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 30 Hv 130/07d-100, sowie über dessen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch


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1.
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
2.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.
4. Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch beinhaltenden - Urteil wurde Johannes G***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 erster Fall und Abs 3, 148 zweiter Fall und 15 StGB (I.) sowie der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt. Danach hat er an verschiedenen (einzeln genannten) Orten

I. mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch wiederkehrende Begehung von (vor allem) schwerem (§ 147 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB) Betrug (I/A) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, eine Vielzahl von im Einzelnen bezeichneten Personen (I/A und I/B/1) und Verfügungsberechtigte eines Unternehmens (I/B/2) durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, welche die Privatpersonen und das Unternehmen im Gesamtbetrag von über 50.000 Euro schädigten oder schädigen sollten, und zwar

A. von bis Ende August 2007 in 56 detailliert angeführten Fällen jeweils unter Benützung falscher Urkunden, nämlich mit fiktiven Namen unterfertigter Mietverträge, durch die Vorgabe, Eigentümer der in den Verträgen bezeichneten Wohnungen zu sein und den Getäuschten den Gebrauch dieser Wohnungen durch Einräumung von Bestandrechten verschaffen zu können, zur Übergabe von Kautionen und Monatsmieten in der Höhe von insgesamt 88.715 Euro (davon hinsichtlich 5.905 Euro versucht);

B. durch Vorgabe seiner Zahlungsfähigkeit und -willigkeit


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1.
am zur Überlassung einer Wohnung (Schaden 200 Euro);
2.
im Februar 2007 zur Schaltung eines kostenpflichtigen Inserats (Schadenshöhe unbekannt);
II. falsche Urkunden mit dem Vorsatz hergestellt, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis von Tatsachen bzw Rechtsverhältnissen gebraucht werden, und zwar:
A. von bis 23 mit - im Einzelnen angeführten - fiktiven Namen unterfertigte Zahlungsbelege zum Beweis geleisteter Zahlung von Kautionen und Mietzinsen durch die namentlich genannten Geschädigten;
B. am ein mit dem fiktiven Namen „Johannes H*****" unterfertigtes Gästebuchblatt des Hotels S***** zum Beweis der dortigen Wohnsitznahme;
C. von bis sieben - mit im Einzelnen angeführten - fiktiven Namen unterfertigte Mietverträge zum Beweis der Begründung von Mietrechtsverhältnissen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen allein aus dem Grund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Sie wendet ein, das Erstgericht habe bei der Strafbemessung Feststellungen zur Medikamentenabhängigkeit und zum chronischen Arzneimittelmissbrauch des Angeklagten sowie in der Hauptverhandlung vorgekommene Indizien für dessen herabgesetzte Zurechnungsfähigkeit zu den Tatzeitpunkten übergangen und solcherart den Milderungsgrund des § 35 StGB zu Unrecht nicht in Anschlag gebracht. Damit wird keine Urteilsnichtigkeit aufzeigt, sondern bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 692, 705, 709, 728; RIS-Justiz RS0100043, RS0116960, RS0099920).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Bleibt anzumerken, dass die - in Betreff der Zahlungsbetätigungen (II/A) explizit festgestellte (US 31 f) - Weitergabe mit falschen Namen ausgefüllter und unterfertigter Urkunden mit deliktsspezifischem Vorsatz einen Gebrauch derselben iSd § 223 Abs 2 StGB darstellt. Die Strafbarkeit der Herstellung falscher Urkunden nach § 223 Abs 1 StGB tritt im Weg stillschweigender Subsidiarität gegenüber jener des Gebrauchs nach § 223 Abs 2 StGB zurück (Kienapfel/Schroll in WK² § 223 [2006] Rz 255). Dem Angeklagten gereicht die rechtsirrige Unterstellung unter § 223 Abs 1 StGB nicht zum Nachteil, weshalb zu einer amtswegigen Maßnahme nach § 290 Abs 1 zweiter Satz (erster Fall) StPO keine Veranlassung bestand.

Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

Da die Nichtigkeitsbeschwerde vom Verteidiger des Angeklagten rechtzeitig angemeldet und auch ausgeführt wurde, war der von Johannes G***** nachträglich (persönlich) gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand „zur Ermöglichung der Einreichung einer o.a. Nichtigkeitsbeschwerde" - mangels Fristenversäumung - als gegenstandslos zurückzuweisen (Lewisch, WK-StPO § 364 Rz 7, 9 mwN).

Vom Angeklagten überreichte eigene Aufsätze sind schließlich auch dann unbeachtlich, wenn der Verteidiger in der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde seinem Mandanten notwendig erscheinendes Vorbringen (hier zu den Nichtigkeitsgründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO) gegen dessen Willen unterlassen hat, weil sie gegen die von § 285 Abs 1 erster Satz StPO verlangte Einmaligkeit der Ausführung der Beschwerdegründe verstoßen (Ratz, WK-StPO § 285 Rz 6 f). Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor.

Amtswegiges Vorgehen bei anderen als materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründen kennt das Gesetz zwar nur nach Maßgabe - hier nicht in Rede stehender - erfolgreicher Geltendmachung durch einen Mitangeklagten (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO; vgl aber § 23 StPO); bei erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Urteil zugrunde liegenden Tatsachenfeststellungen kann der Oberste Gerichtshof aber im Rahmen des § 362 StPO von Amts wegen auf außerordentlichem Weg die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verfügen und solcherart Abhilfe auch gegen allfällige - den Tatsachenbereich betreffende - grobe Versäumnisse des Pflichtverteidigers bei Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde schaffen (vgl dazu das Erkenntnis des EGMR vom , Czekalla gegen Portugal, Nr 38830/97, NL 2002, 209), wofür vorliegend kein Anlass bestand. Die Entscheidung über die Berufung kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Fundstelle(n):
WAAAE-02675