OGH vom 26.05.2020, 10ObS32/20h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau und den Hofrat Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Josef Putz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Z*****, gegen die beklagte Partei Österreichische Gesundheitskasse, 1030 Wien, Haidingergasse 1, vertreten durch Thurnher Wittwer Pfefferkorn & Partner Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 25 Rs 2/20k-20, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Klägerin beantragte aus Anlass der Geburt ihres (zweiten) Kindes am das Kinderbetreuungsgeld als Konto für 732 Tage ab der Geburt ( bis ). Das Erstgericht erkannte ihr mit rechtskräftigem Teilanerkenntnisurteil vom (ON 12) Kinderbetreuungsgeld für den Zeitraum von bis in Höhe von 16,89 EUR täglich zu.
Strittig ist im Revisionsverfahren noch der Anspruch der Klägerin für den davor liegenden Zeitraum von bis in Höhe von 16,89 EUR täglich.
Die Klägerin lebte in diesem Zeitraum im gemeinsamen Haushalt mit dem Kind in Österreich, sie war nicht erwerbstätig. Die Klägerin bezog im August und September 2018 sowie ab August 2019 die Familienbeihilfe. Im Zeitraum von Oktober 2018 bis Juli 2019 erhielt die Klägerin nach der angefochtenen Feststellung des Erstgerichts „eine Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe samt Kinderabsetzbetrag in Österreich ausbezahlt“.
Im hier noch strittigen Zeitraum war der Vater des Kindes unselbständig in der Schweiz beschäftigt. Er bezog im Juni 2019 in der Schweiz die Kinderzulage für den Zeitraum Oktober 2018 bis Mai 2019 in Höhe von gesamt 3.200 CHF (für beide Kinder). Bis zum lebte der Vater von der Klägerin und ihrem Kind getrennt, seit haben alle drei einen gemeinsamen Wohnsitz.
Das sprach der Klägerin auch für den Zeitraum vom bis zum Kinderbetreuungsgeld mit einem Tagsatz von 16,89 EUR zu. Die Klägerin erfülle die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 KBGG. Sie habe im strittigen Zeitraum vom Vater des Kindes getrennt gelebt, weshalb § 2 Abs 8 KBGG anzuwenden sei. Da die Klägerin im August und September 2018 die Familienbeihilfe bezogen und im Zeitraum von Oktober 2018 bis Juli 2019 die Ausgleichszahlung zur Familienbeihilfe gemäß § 4 Abs 2 FLAG erhalten habe, die gemäß § 4 Abs 6 FLAG als Familienbeihilfe gelte, sei auch die Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 1 KBGG erfüllt.
Das billigte diese Rechtsansicht und gab der von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
In ihrer zeigt die beklagte Österreichische Gesundheitskasse keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf:
1. Gegen die Zuerkennung von Kinderbetreuungsgeld an die Klägerin für den Zeitraum von bis , in dem die Klägerin die Familienbeihilfe (ungekürzt) bezogen hat, wendet die Beklagte – wie bereits in der Berufung – auch in ihrer außerordentlichen Revision nichts ein, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist.
2.1 Nach den – unangefochtenen – Feststellungen bezog die Klägerin im Zeitraum von Oktober 2018 bis Juli 2019 die Familienbeihilfe als Ausgleichszahlung Kinderabsetzbetrag. Dagegen führt die Beklagte nun erstmals in der Revision aus, dass die Klägerin den Kinderabsetzbetrag bezogen habe, nicht aber eine Familienbeihilfe als Ausgleichszahlung, weil die vergleichbare schweizerische Leistung, die vom Vater des Kindes bezogene Familienzulage, höher gewesen sei als die österreichische Familienbeihilfe.
2.2 Mit diesen Ausführungen weicht die beklagte Österreichische Gesundheitskasse jedoch von den Sachverhaltsfeststellungen ab. Der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung (§ 503 Z 4 ZPO) ist daher nicht gesetzmäßig ausgeführt.
2.3 Zu ergänzen ist:
Die Beklagte argumentiert mit den in Österreich und der Schweiz zustehenden Beträgen an Familienbeihilfe bzw Kinderzulage und schließt daraus, dass der Klägerin nur der Kinderabsetzbetrag zustehen habe können, weil der Kinderabsetzbetrag auch immer dann in voller Höhe zustehe, wenn die ausländische Familienleistung höher sei als die österreichische Familienbeihilfe.
Darin liegt aber nicht bloß eine andere rechtliche Qualifikation der Familienbeihilfe als Ausgleichszahlung, die die Klägerin nach den Feststellungen erhalten hat: Die Beklagte weist selbst zutreffend darauf hin, dass der Kinderabsetzbetrag in § 33 Abs 3 EStG geregelt und eine von der Familienbeihilfe unterschiedliche Leistung ist. Der Kinderabsetzbetrag hat den Zweck, gemeinsam mit der Familienbeihilfe die Unterhaltspflichten gegenüber haushaltszugehörigen Kindern steuerlich zu berücksichtigen (Kanduth-Kristen in Jakom EStG § 33 EStG Rz 20; 4 Ob 150/19s mwH).
Dass die Klägerin nicht die Familienbeihilfe als Ausgleichszahlung, sondern nur den Kinderabsetzbetrag erhalten habe, hat die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht behauptet, in der Berufung führt sie sogar ausdrücklich aus, dass die Klägerin die Familienbeihilfe als Ausgleichszahlung erhalten habe (S 4). Zu der von der Klägerin vorgelegten Mitteilung des Finanzamts „über den Bezug der Ausgleichszahlung“ vom (Beil ./N) gestand die Beklagte die Echtheit der Urkunde zu, zur inhaltlichen Richtigkeit verwies sie auf das eigene Vorbringen. Diese Mitteilung enthält jedoch keine Beträge, sondern nur Ausführungen über die Berechnung der Ausgleichszahlung.
3. Gegen die die Klagestattgebung tragende Begründung des Berufungsgerichts, dass sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs 6 FLAG ergebe, dass der festgestellte Bezug der Ausgleichszahlung als Familienbeihilfe im Sinn des Familienlastenausgleichsgesetzes gelte, sodass auch die Anforderungen des § 2 Abs 8 KBGG für die Anspruchsberechtigung der Klägerin erfüllt seien, wendet sich die Rechtsmittelwerberin nicht. Denn sie führt zwar aus, dass die Klägerin gemäß § 2 Abs 8 KBGG die Familienbeihilfe in eigener Person beziehen müsse, verneint das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung aber nur (mehr) mit dem Argument, dass die Klägerin tatsächlich keine Familienbeihilfe, sondern nur den Kinderabsetzbetrag bezogen habe, bei dem es sich um keine der schweizerischen Familienzulage gleichartige Leistung handle. Unterlässt aber die außerordentliche Revision die Bekämpfung der Hauptbegründung des Berufungsgerichts, so vermag sie schon aus diesem Grund keine für die Entscheidung der Rechtssache erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO darzustellen (RS0118709 [T4]; RS0043338).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:010OBS00032.20H.0526.000 |
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