OGH vom 14.11.2017, 20Ds12/17w

OGH vom 14.11.2017, 20Ds12/17w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Hofer als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 30/16 (DV 49/16), TZ 21, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Dr. Hackl und des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe Folge gegeben und über ***** unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwalts-kammer vom , AZ D 41/16 (DV 50/16), TZ 24, eine Zusatzgeldbuße von 1.000 Euro verhängt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße in der Höhe von 2.500 Euro verurteilt.

Danach hat er als Verteidiger in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Linz mit Schriftsatz vom seine Bevollmächtigung als Verteidiger bekannt gegeben und die eheste Übermittlung von Ablichtungen des gesamten Strafakts beantragt, in weiterer Folge die Übernahme der ihm per Nachnahme übermittelten Aktenkopie verweigert und die ihm vorgeschriebenen Gebühren in Höhe von 459,90 Euro nicht bezahlt, sodass die Aktenkopie an die Staatsanwaltschaft Linz retourniert wurde.

Der Beschuldigte bekämpft dieses Erkenntnis mit Berufung wegen Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 9“ StPO) sowie wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe.

In der Rechtsrüge bezeichnet er § 7 Abs 2 GGG als „gesetzliche Haftungsfreizeichnung“, welche er für sich in Anspruch nehme. Er verkennt damit, dass diese Bestimmung nicht die Zahlungspflicht für Gerichtsgebühren regelt, sondern eine Haftungsnorm klarstellenden Inhalts ist. Die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Gerichtsgebührengesetz knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Der Oberste Gerichtshof teilt diese Rechtsansicht (vgl 16 Ok 7/08, RdW 2008/669 S 716 – RdW 2008, 716 = HS 39.159). Ausgehend von den Feststellungen des Disziplinarrats begegnet die Beurteilung, die Eingabe des Beschuldigten vom unter § 7 Abs 1 Z 3 GGG zu subsumieren, keinen Bedenken.

Weiters macht der Berufungswerber geltend, er habe mit Eingabe vom für seinen Mandanten erfolgreich Verfahrenshilfe beantragt. Damit entfernt er sich einerseits von den Feststellungen (RIS-Justiz RS0099810) und übersieht mit seiner Rechtsmeinung, dies bewirke nachträgliche Haftungsbefreiung, dass die Gebührenfreiheit und deren Erstreckung auf Bevollmächtigte erst mit dem Tag eintritt, an dem die Verfahrenshilfe beantragt wurde (§ 9 Abs 1, § 12 Abs 1 GGG). Eine rückwirkende Gebührenbefreiung sieht das Gesetz nicht vor.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur überdies zutreffend aufzeigt, sind von § 4 RL-BA 2015 nicht nur zivilrechtliche Verbindlichkeiten umfasst, sondern auch gegenüber einer Behörde gemachte Zusagen oder die Inanspruchnahme einer Leistung der Behörde, ohne die hiefür festgesetzte Gegenleistung zu erbringen (vgl Engelhart in Engelhart et al, RAO9 RL-BA 1977 § 3 Rz 6; RL-BA 2015 §§ 3, 4 Rz 1; betreffend die Nichtzahlung von Kopierkosten für bei Gericht bestellte und erhaltene Kopien: AnwBl 1999/7588, 323).

Die vom Beschuldigten im Rahmen seiner Berufung wegen Schuld angestrebte Negativfeststellung, ihn treffe „keine persönliche Haftung für die Herstellung der Aktenkopien“, kann als Forderung nach Konstatierung einer quaestio iuris nicht zu einem Erfolg führen. Nach den unbekämpften Sachverhaltsfeststellungen über die Bestellung der Aktenkopie mit Schriftsatz vom trifft ihn keine (akzessorische) Haftung nach § 7 Abs 2 GGG, sondern die Gebührenpflicht selbst (§ 7 Abs 1 Z 3 GGG). Ebenso versagt der unter Bezugnahme auf Anmerkung 7 zu Tarifpost 15 GGG erhobene Einwand, die Kopien seien ihm als Besteller (noch) nicht überreicht worden, ist doch die Gebührenpflicht für diese Kopien gemäß § 2 Z 8 GGG bereits mit deren Veranlassung entstanden.

Mit seiner Strafberufung wendet sich der Rechtsmittelwerber gegen die Höhe der verhängten Geldbuße. Dem ist entgegen zu halten: Die Tarifpost 15 gilt auch im Strafverfahren (§ 29a GGG). Gemäß Anmerkung 7 dazu werden Abschriften (und damit auch Kopien) erst überlassen, wenn die Gebühr hiefür beigebracht ist. Aus Entgegenkommen gegenüber auswärtigen Verteidigern und offenbar im Vertrauen auf Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit des Berufsstandes der Rechtsanwälte hat sich die Staatsanwaltschaft dieser Vorsichtsmaßnahme zur Sicherung des Gebührenanspruchs begeben (vgl § 32 Abs 3 letzter Halbsatz StGB). Der Missbrauch dieses Vertrauens erfordert spezial- und generalpräventiv eine strenge Sanktion.

Allerdings war zu berücksichtigen, dass die hier abgeurteilte Tat vor der Verurteilung durch den Disziplinarrat der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom , AZ D 41/16 (DV 50/16), TZ 24, rechtskräftig am heutigen Tag (20 Ds 8/17g), gesetzt wurde. Demnach liegen nunmehr die Voraussetzungen des § 31 StGB iVm § 16 Abs 5 DSt vor. Auf diese, eine Geldbuße von 3.000 Euro festsetzende Vorstrafe war daher Bedacht zu nehmen. Dem Milderungsgrund der bisherigen disziplinären Unbescholtenheit (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB) steht der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens jeweils zweier Disziplinarvergehen bei drei Angriffen gegenüber. Unter Berücksichtigung der Sorgepflichten sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten war daher die Zusatzgeldbuße mit 1.000 Euro auszumessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 54 Abs 5 DSt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0200DS00012.17W.1114.000

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