OGH vom 24.01.2020, 8ObA64/19y
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr.
Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr.
Stefula als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Thomas Stegmüller und Gerald Fida in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei P***** C*****, vertreten durch Mag. Michael Rettenwander, Rechtsanwalt in Saalfelden am Steinernen Meer, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Erich Frenner, Rechtsanwalt in Saalfelden am Steinernen Meer, wegen 2.280,77 EUR netto sA und Dienstzeugnis, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 54/19a-24, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO
zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1.1. Soweit das Berufungsgericht die Rechtsmittelausführungen für nicht stichhältig, hingegen die damit bekämpften Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils für zutreffend erachtet, kann es sich gemäß § 500a Satz 2 ZPO unter Hinweis auf deren Richtigkeit mit einer kurzen Begründung seiner Beurteilung begnügen. § 500a ZPO beschränkt die Möglichkeit einer verkürzten Begründung nicht auf bestimmte Berufungsgründe. Es kann in geeigneten Fällen auch in Fragen der Beweiswürdigung mit dem Hinweis auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts und einer kurzen Zusatzbegründung das Auslangen gefunden werden (RIS-Justiz RS0122301). Ob den Anforderungen des § 500a ZPO genügt wurde, ist eine Frage des Einzelfalls, die der Oberste Gerichtshof nur bei einer grob fehlerhaften Anwendung der dem Berufungsgericht eingeräumten Möglichkeit der Begründungserleichterung aufgreifen kann (RS0123827; RS0122301 [T1]). Hier verwies das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf § 500a ZPO bei Erledigung der Tatsachenrüge auf die seiner Ansicht nach umfassende und profunde Beweiswürdigung des Erstgerichts und tätigte in Erwiderung der Tatsachenrüge ergänzend beweiswürdigende Ausführungen. Eine grob fehlerhafte Anwendung des § 500a ZPO ist nicht ersichtlich.
1.2. Dem Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Zeugen K***** zur Klägerin kommt keine unmittelbare Entscheidungsrelevanz für den vorliegenden Rechtsstreit zu. Dies erkennt auch der Kläger, wenn er meint, wann die Beendigung von dessen Arbeitsverhältnis zur Beklagten erfolgte, sei (nur) deshalb relevant, „weil sich bei Zugrundelegung der diesbezüglichen Aussage des K***** eine exakte Parallele zur Aussage des Klägers bezüglich des Zeitpunkts der Beendigung seines eigenen Arbeitsverhältnisses zur Beklagten ergibt“. Dies läuft auf ein Indiz hinaus: Wenn die Beklagte nach der nicht nur verbalen, sondern auch tätlichen Auseinandersetzung des Zeugen K***** und des Klägers am im Lokal den Zeugen nicht sogleich entlassen habe, so habe sie dies wohl auch nicht beim Kläger getan. Das Berufungsgericht war aber nicht gehalten, auf jedes einzelne Beweisergebnis und Argument des Berufungswerbers und damit auch nicht auf dieses Argument einzugehen. Es reichte, dass das Berufungsgericht seiner Pflicht, die Beweiswürdigung des Erstgerichts zu überprüfen, nachkam und – was es mit aller Deutlichkeit tat – die Gründe anführte, aus denen es die der Entlassung zugrunde gelegten Tatsachen als erwiesen annahm (
vgl RS0043268; RS0043162; RS0043226).
2. Die Vorinstanzen haben übereinstimmend die Entlassung des Klägers nach § 82 lit g 1. Fall GewO 1859 als berechtigt erachtet. Die Frage, ob ein konkretes Verhalten den Tatbestand der Ehrenbeleidigung erfüllt, kann ebenso wie die Frage der
Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RS0029630 [T4]). Wenn das Berufungsgericht die Ansicht vertritt, der Beklagten war hier eine Weiterbeschäftigung des Klägers, der einen anderen Kellner – den Zeugen K***** – während der Arbeit wiederholt provozierte und insbesondere als „Arschloch“, „schwul“ und „kleinen Mann“ bezeichnete, weshalb es zwischen den beiden am im Lokal letztlich zu einer auch körperlichen Auseinandersetzung kam, unzumutbar, so ist dies nicht korrekturbedürftig. An der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung des Klägers ändert der Umstand nichts, dass diesem wenige Wochen zuvor während einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Geschäftsführers der Beklagten die Tageslosungen anvertraut worden waren.
3.1. Die Hauptfunktion eines Arbeitszeugnisses besteht in seiner Verwendung als Bewerbungsunterlage im vorvertraglichen Arbeitsverhältnis. Es dient dabei dem Stellenbewerber als Nachweis über zurückliegende Arbeitsverhältnisse und dem präsumtiven Arbeitgeber als Informationsquelle über die Qualifikation des Bewerbers (RS0111190 [T1]). Es besteht nur ein Anspruch auf ein Dienstzeugnis über die Dauer und Art der Dienstleistung. Es besteht kein Anspruch des Dienstnehmers auf ein „qualifiziertes“ Dienstzeugnis mit Werturteilen des Dienstgebers über Leistung und Führung im Dienst (RS0029978 [T3]).
3.2. Das Dienstzeugnis darf dem Dienstnehmer die Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes nicht erschweren, weshalb auch seine äußere Form nicht so beschaffen sein darf, dass daraus auf eine mangelnde Wertschätzung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer oder auf Divergenzen zwischen ihnen geschlossen werden kann (8 ObA 217/00w = DRdA 2002/15 [Eichinger]; 9 ObA 11/12a mwH). Als nicht berichtigungsbedürftig wurden in der Rechtsprechung etwa ein geringfügiger Grammatikfehler in einem sonst richtigen und vollständigen Dienstzeugnis (8 ObA 7/12f) sowie uneinheitliche Zeichenabstände, unterschiedliche Zeilenabstände, ein fehlender Punkt und das Ausschreiben des Geburtsmonats des Arbeitnehmers im Gegensatz zur Bezifferung der Monate seines Beschäftigungsbeginns- und -endes gewertet (9 ObA 11/12a). Ob – als solche der äußeren Form des Zeugnisses zuzuordnende – Rechtschreib- oder Grammatikfehler oder sonstige Fehler, etwa hinsichtlich des Layouts oder des verwendeten Papiers, eine Erschwerung des Dienstnehmers bei Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes befürchten lassen, ist stets eine Frage des Einzelfalls (vgl 9 ObA 149/17b; vgl auch Müller-Glöge in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht20 [2020] § 109 GewO Rz 15 mwH: Rechtschreibmängel vom Arbeitnehmer hinzunehmen, sofern nicht negative Auswirkungen auf seine Bewerbungsaussichten zu erwarten sind; ferner Hoffmann in Pielow, GewO, 48. Edition [2019], § 109 Rz 119 f: Einzelfallbeurteilung).
3.2. Hier fehlte im für die Beschäftigungen des Klägers bei der Beklagten in den Zeiträumen bis und bis zunächst ausgestellten einheitlichen Arbeitszeugnis bei der handschriftlichen Angabe der ausgeübten Tätigkeit mit „Restaurantfachmann mit Inkasso“ der Buchstabe u. Dem Kläger wurde (im vorgedruckten Text) bestätigt, er habe „ihm übertragenen Aufgaben gewissenhafte und zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt“. Es war die handschriftlich angegebene Wohnanschrift des Klägers nach Postleitzahl, Ort und Hausnummer (der Ort verfügt über keine Straßennamen) korrekt und für eine Zustellung hinreichend angegeben, bei dem zusätzlich angegebenen Namen des Ortsteils aber statt richtig „K*****feld“ „K*****gelenk“ angeführt, wobei der Kläger während des aufrechten Dienstverhältnisses und von ihm unbeanstandet geblieben von der Beklagten unter dieser Adresse geführt und ihm von der Post auch zugestellt worden war. In den hierauf in der Tagsatzung vom dem Kläger im Original ausgefolgten, jeweils einen der beiden oben genannten Zeiträume betreffenden Zeugnissen unterblieb der Rechtschreibfehler („Restarant“) und Adressfehler („K*****gelenk“), weiterhin vorhanden waren aber die bereits im Vordruck enthaltenen Grammatikfehler („ihm übertragenen Aufgaben gewissenhafte und zu unserer vollsten Zufriedenheit erfüllt“). Das Berufungsgericht ging vertretbar davon aus, es lägen insgesamt nur Flüchtigkeitsfehler vor, die sich – soweit sodann nicht ohnehin behoben – bloß im gesetzlich gar nicht geschuldeten qualifizierenden Teil des Arbeitszeugnisses fänden, was sie noch zusätzlich relativiere. Die wohlwollende Formulierung im qualifizierenden Teil wiege bei Weitem auch nur den leisesten Verdacht auf eine fehlende Wertschätzung auf. Auch sei zu bedenken, dass auf der Arbeitgeberseite eine Pizzeria mit einem (gemeint) nicht Deutsch als Muttersprache habenden Geschäftsführer agiere und dass letztlich nicht davon auszugehen sei, dass die Beklagte den Kläger habe gering schätzen wollen.
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:008OBA00064.19Y.0124.000 |
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