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OGH vom 14.11.2017, 20Ds11/17y

OGH vom 14.11.2017, 20Ds11/17y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kuras als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Rothner und Dr. Hofer als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufungen des Beschuldigten und des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der OÖ Rechtsanwaltskammer vom , GZ D 20/16 (DV 47/16), TZ 36, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, des Kammeranwalts Dr. Hackl, des Beschuldigten und dessen Verteidigers Dr. Moringer zu Recht erkannt:

Spruch

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichten-verletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt und hierfür zu einer Geldbuße von 10.000 Euro verurteilt.

Danach hat er als Verteidiger eines in Richtung § 3g VerbotsG Angeklagten in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenengericht unter Bezugnahme auf die anklagegegenständliche Äußerung seines Mandanten, der für Ausländer eine Verbrennung bzw Vergasung gefordert hatte und dafür die Einrichtung in Mauthausen wiederbeleben wollte, am ausgeführt: „Es ist auch, wenn er diese Worte verwendet, er befindet sich außerhalb der anerkannten Geschichtsschreibung, er macht irgendwie Mauthausen zu einer Art Mythos, wenn er sagt, da marschieren die Leute in die Öfen, bitte, das ist überhaupt nie passiert. Es ist strittig, ob in Mauthausen Vergasungen und Verbrennungen stattgefunden haben, es ist für Hartheim erwiesen und was man seinerzeit – mittlerweile ist das wieder umgeändert worden – in Mauthausen zu Gesicht bekommen hat, ist eine sogenannte Gaskammer, die nachträglich eingebaut worden ist. Es ist, wie gesagt, unbekannt, ob die jemals dort vorhanden waren, weil beim Eintreffen der Amerikaner war das Konzentrationslager komplett leergeräumt, es hat sich keine Gaskammer und kein Verbrennungsofen dort befunden. Es ist also, wenn er sagt, er möchte dort wieder etwas herstellen, was es eigentlich nicht gegeben hat, eine Spintisiererei und realitätsfremd.“. Der Disziplinarrat sah dadurch die Grenzen der zulässigen Verteidigung seines Mandanten überschritten.

Der Beschuldigte bekämpft das Erkenntnis mit Berufung wegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO (in der Sache auch wegen § 281 Abs 1 Z 3 und Z 9 lit a StPO), wegen des Ausspruchs über die Schuld und wegen der Höhe der Strafe, während der Kammeranwalt in seiner Berufung wegen Strafe neben der verhängten Geldstrafe auch die zeitweise Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft begehrt.

Nach den wesentlichen Erkenntnisannahmen hat der Beschuldigte im Geschworenenverfahren einen Angeklagten vertreten, dem das Verbrechen nach § 3g VerbotsG vorgeworfen worden war, weil er in einer öffentlichen Äußerung für Ausländer die Verbrennung bzw Vergasung gefordert hatte und dafür ehemalige Einrichtungen in Mauthausen wiederbeleben wollte. Der Disziplinarbeschuldigte gab in seinem Schlussplädoyer in Gegenwart einer größeren Anzahl von Zuhörern unter anderem die im Spruch des Erkenntnisses des Disziplinarrats wiedergegebenen Äußerungen von sich. Dabei war er der Meinung, dass diese Aussagen ein taugliches Verteidigungsmittel darstellen würden, um zu beweisen, dass der Angeklagte deshalb keinen tatbestandsmäßigen Vorsatz gehabt habe, weil sein Verlangen nach einer Wiederherstellung von Massenvernichtungseinrichtungen im Konzentrationslager Mauthausen (und deren Einsatz) geschichtlich nicht haltbar gewesen sei, er also gar nicht in der Lage war, die geschichtlichen Gesamtzusammenhänge zu erfassen. Der vom Beschuldigten vertretene Angeklagte wurde freigesprochen.

Der Rechtsanwalt ist nach § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO befugt, alles, was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Hinsicht zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten. Auch nach § 57 Abs 1 zweiter Satz StPO ist der Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Verteidiger berechtigt und verpflichtet, jedes Verteidigungsmittel zu gebrauchen und alles, was der Verteidigung des Beschuldigten dient, unumwunden vorzubringen, soweit dies dem Gesetz, seinem Auftrag und seinem Gewissen nicht widerspricht. § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO stellt einen Rechtfertigungsgrund dar, der den Rechtsanwalt zu Handlungen berechtigt, die im Einzelfall sonst rechtswidrig wären (Lehner in Engelhart et al, RAO9, § 9 Rz 14; RIS-Justiz RS0031998). Mit der genannten Bestimmung wird verhindert, dass gesetzliche oder standesrechtliche Bestimmungen die Verteidigungs-möglichkeiten zu Lasten des Mandanten unangemessen verkürzen (Lehner in Engelhart et al, RAO9, § 9 Rz 15; Feil/Wennig, AnwR8, RAO § 9 Rz 9; mit Bezug auf § 23 MedienG: Heindl, AnwBl 2011, 125).

Zur Entscheidung, ab welcher Intensität ein objektiv rechtswidriger Einsatz von Angriffs- und Verteidigungsmitteln nicht mehr zulässig ist, muss im Einzelfall zwischen dem Recht des Mandanten auf Vertretung seiner Interessen und den dadurch verletzten Vorschriften abgewogen werden; die Grenze liegt jedenfalls sehr hoch (RIS-Justiz RS0120386; ähnlich Feil/Wennig, AnwR8 RAO § 9 Rz 8). Zumindest im Strafrecht lässt sich dies mit dem grundrechtlich abgesicherten Anspruch jedes Beschuldigten rechtfertigen, dass seine Rechte auch tatsächlich und effektiv geschützt sind. So weisen Soyer/Schumann (WK-StPO § 57 Rz 21) zutreffend darauf hin, dass sich die Rechte des Verteidigers im Wesentlichen aus seiner Funktion ableiteten, für die Effektuierung der Beschuldigtenrechte zu sorgen. Das wäre nicht mehr gesichert, wenn der Verteidiger ständig befürchten müsste, wegen einer möglichen objektiven Rechtswidrigkeit selbst zur Verantwortung gezogen zu werden. Solange sich der Verteidiger also innerhalb des Rahmens der Sozialadäquanz des Verteidigerhandelns verhielte, sei das als Grenze des zulässigen Handelns zu respektieren. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Rechtsanwalt subjektiv von der Tauglichkeit seiner Angriffs- und Verteidigungsmittel überzeugt ist und dass diese auch in abstracto prozessdienlich oder zumindest durch eine dem Rechtsanwalt glaubwürdig erscheinende Information gedeckt sind (Lehner in Engelhart et al, RAO9, § 9 Rz 17;RIS-Justiz RS0072222). Äußerungen wider besseres Wissen sind deshalb jedenfalls nicht geeignet, der Zweckerfüllung zu dienen (Lehner in Engelhart et al, RAO9§ 9 Rz 7 mwN; Feil/Wennig, AnwR8 RAO § 9 Rz 8 mwN).

Nach Ansicht des erkennenden Senats kann ein
– objektiv rechtswidriges – Verhalten des Rechtsanwalts (insbesondere des Verteidigers) nach § 9 Abs 1 Satz 2 RAO
– jeweils nach Lage des Falls und unbeschadet der Normen über die Sitzungspolizei (hier: §§ 232 Abs 2, 233 Abs 1, 235 bis 236a StPO) – gerechtfertigt sein, wenn es dazu dient, die Rechte des Mandanten tatsächlich zu effektuieren, der Rechtsanwalt persönlich der Meinung war, nach bestem Wissen und Gewissen im Rahmen einer effektiven Vertretung zu handeln, die von ihm gebrauchten Angriffs- und Verteidigungsmittel auch objektiv geeignet waren, den rechtfertigenden Zweck (also die Durchsetzung oder Verteidigung der Rechtsposition des Mandanten) zu erfüllen und wenn durch die Verwendung dieser Mittel nicht über die zur Erreichung dieses Zwecks notwendige Ausmaß in Rechte Dritter oder in gesetzliche Verbote oder Vorschriften eingegriffen wird. Strafgesetzwidriges Handeln des Rechtsanwalts liegt jedenfalls außerhalb des Rahmens der Sozialadäquanz von Vertreterhandlungen.

Die (der Sache nach) auf Z 3 (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) gestützte Rechtsrüge, das Erkenntnis nenne nicht die vom Beschuldigten übertretene Norm und verletze damit § 38 Abs 2 DSt, versagt insofern, als sich aus dem Erkenntnis klar ergibt, dass jener infolge Überschreitung der Grenzen zulässiger Verteidigung der (echt ideal konkurrierenden) Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes und damit der Verletzung des § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt wurde, womit den Inhaltserfordernissen des § 38 Abs 2 DSt Genüge getan ist.

Der Beschuldigte bestreitet in seiner Schuldberufung (und in der Sache auch wegen Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) eine Verletzung standesrechtlicher Vorschriften vor allem damit, dass der Disziplinarrat in seinem Erkenntnis keine einzige Norm genannt habe, deren Übertretung er schuldig sei. Allein das Überschreiten der „notwendigen“ Verteidigung, die der Disziplinarrat ihm vorwirft, stelle kein Disziplinarvergehen dar. Auch eine unter Umständen falsche Entscheidung, was zur Verteidigung des Mandanten notwendig sei, könne für sich allein genommen noch nicht die Standeswidrigkeit bewirken. Im Übrigen habe er sich im Rahmen der nach § 9 Abs 1 RAO zulässigen Verteidigung gehalten (ein Rechtfertigungsgrund, dessen Nichtanwendung der Disziplinarbeschuldigte in seiner Berufung auch als Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO aufgreift).

Auch damit ist der Disziplinarbeschuldigte im Ergebnis nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Sowohl die Berufspflichtenverletzung als auch die Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes kann auf der Übertretung einer gesetzlichen Bestimmung oder verfestigter Standesauffassungen (§ 1 Abs 3 RL-BA 2015) beruhen, wobei für Letztere Richtlinien oder (Standes-)Judikatur von – wenngleich nicht ausschließlicher – Bedeutung sind (Lehner in Engelhart et al, RAO9, DSt § 1 Rz 2–4; ebenso Rant in Csoklich/Scheuba Standesrecht der Rechtsanwälte2 103), vorausgesetzt sie stehen in einer dem Klarheitsgebot entsprechenden Bestimmtheit im Vorhinein fest (VfSlg 11.776/1988; 17.713/2005; 18.935/2008 ua; 20 Os 6/14d). Das Bestimmtheitsgebot schließt die Verwendung unbestimmter Gesetzesbegriffe nicht aus, wenn sie einen so weit bestimmbaren Inhalt haben, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten danach einrichten und die Anwendung der Begriffe durch die Behörde auf ihre Übereinstimmung mit dem Gesetz überprüft werden kann (VfSlg 11.776/1988; 19.771/2013 ua). Das gilt auch für die in § 1 Abs 1 DSt enthaltenen Blankettstrafnormen, die ebenso wie etwa die Notwendigkeit, eine andere Vorschrift sinngemäß anzuwenden, nicht per se zur Unbestimmtheit führen (VfSlg 6.896/1972 ua). Angesichts der Unterschiedlichkeit der Lebensgebiete, Sachverhalte und Rechtsfolgen, die Gegenstand und Inhalt gesetzlicher Regelungen sind, verlangt überdies nicht jeder Regelungsgegenstand eine bis ins Detail vorgegebene Determinierung (VfSlg 3.207/1957; 8.695/1979; 19.771/2013 ua).

Vor diesem Hintergrund ist dem Berufungswerber zwar einzuräumen, dass allein die Überschreitung der zulässigen Grenzen in der Anwendung von Angriffs- oder Verteidigungsmitteln die disziplinäre Verantwortlichkeit noch nicht begründet, sondern dass dazu eine objektive Rechtswidrigkeit des Verhaltens kommen muss.

Es handelt sich um eine notorische zeitgeschichtliche Tatsache, dass der nationalsozialistische Völkermord (vor allem an Juden) insbesondere durch den Einsatz von Giftgas erfolgte. Den Versuchen, diese historische Tatsache durch Bestreiten, Umdeuten oder die selektive Auswahl von historischen Quellen zu relativieren, ist der Gesetzgeber in Weiterentwicklung der Rechtsprechung durch die VG-Novelle 1992, BGBl 1992/148, entgegengetreten, indem er die Begehungsform der sogenannten Auschwitz-Lüge als neuen Tatbestand in das Verbotsgesetz aufgenommen hat (JAB 387, BlgNR 18. GP 4). Auch wenn § 3h VerbotsG strafrechtlich nur die Leugnung und das Verharmlosen der nationalsozialistischen Verbrechen in ihrem Kern unter strafrechtliche Sanktion stellt (Lässig in WK2 VG § 3h Rz 22), darf der Rechtsanwalt, der im Hinblick auf sein rechtliches Fachwissen und die Verpflichtung, die Gesetze zu beachten, eine besondere Vertrauensstellung in der Öffentlichkeit in Anspruch nimmt (vgl VfSlg 17.923/2006; § 10 RAO), in der Ausübung seines Berufs nicht einmal den Eindruck erzeugen, er wolle – im Widerspruch zur Wertung des Verbotsgesetzes – derartige notorische Tatsachen bezweifeln oder relativieren (§ 1 Abs 1 RL-BA 2015).

Mit den inkriminierten Äußerungen hat der Disziplinarbeschuldigte Vergasungen und Verbrennungen im Konzentrationslager Mauthausen nicht nur bezweifelt, sondern sogar bestritten, indem er einerseits zwar erklärte, dass es strittig wäre, […] ob in Mauthausen Vergasungenund Verbrennungen stattgefunden haben“,andererseits aber von einer „Art Mythos“, [der] „überhaupt nie passiert“ [sei], sprach und dezidiert sagte, der Angeklagte wolle wiederherstellen „[…] was es eigentlich nicht gegeben hat“.

Mit solchen Ausführungen in einer (gut besuchten) öffentlichen Gerichtsverhandlung hat der Beschuldigte somit zumindest den Eindruck erzeugt, er würde Details der notorischen Geschichte leugnen oder relativieren, was im gegebenen Zusammenhang jedenfalls gegen die zuletzt in § 1 Abs 1, Abs 2 RL-BA 2015 kodifizierte verfestigte Standesauffassung über die Redlichkeit der Berufsausübung verstieß, auch wenn er das VerbotsG nicht im Kern verletzte. Seine Verantwortung, nur ein Gesetzesverstoß wäre standeswidrig, entspricht wie dargelegt nicht dem Disziplinarrecht. Dass schon das Erzeugen des Anscheins einer Rechtsverletzung standesrechtlich strafbar sein kann, konnte dem Beschuldigten ebenfalls nicht verborgen geblieben sein, entspricht sie doch der ständigen Rechtsprechung, etwa zur formellen Doppelvertretung (Lehner in Engelhart et al, RAO9§ 10 RAO Rz 11; Feil/Wennig, AnwR8§ 10 RAO Rz 4). Dies gilt umso mehr im Zusammenhang mit dem sogenannten Holocaust, einer bis in die Gegenwart hochsensiblen Materie, wie die Existenz des Verbotsgesetzes selbst 60 Jahre nach dem Ende des NS-Regimes zeigt. Die beispiellose Besonderheit dieses Themas ist einem Rechtsanwalt (§ 1 Abs 1 RL-BA 2015) bekannt, deren nicht vollständige Durchdringung – vor allem bei Übernahme einer Verteidigung eines nach dem Verbotsgesetz Angeklagten – grob fahrlässig. Mag es auch
– soweit überblickbar – bislang keine einschlägige Judikatur zu dieser Rechtsfrage geben, ist im Gegenstand von einer aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bestimmbaren Standesauffassung auszugehen, nach der sich der Rechtsunterworfene ausrichten konnte.

Die Kritik des Berufungswerbers an dem im Erkenntnis verwendeten Begriff der notwendigen Verteidigung ist schon deshalb verfehlt, weil dieser Begriff vom Disziplinarrat keineswegs im Sinne des § 61 Abs 1 StPO gebraucht wurde (vgl Feil/Wennig, AnwR8 RAO § 9 Rz 9; Lehner in Engelhart et al, RAO8 DSt § 1 Rz 6). Ebensowenig ist der Begriff „zulässige Grenzen des § 9 RAO“ (vgl etwa RIS-Justiz RS0031998 [T3], RS0072222; Lehner aaO, RAO § 9 Rz 14, 16) undeutlich – wie die Berufung unterstellt – weil die dargestellte Bestreitung (jedenfalls auch) am Strafvorwurf gegen seinen Mandanten vorbeiging: Diesem wurde vorgeworfen, durch die Veröffentlichung der Kommentare, „Es wird zeit das ma noch über 70 joa wida amoi a paar einrichtungen eröffnet, don werdens e amoi weniger hoff i! Glaub mas, don wia i da erste hoaza do obm, don kinans nochanond kema, de öfm san sehr gross“ (Tatvorwurf in der Hauptfrage [Urteil ON 21 in Beilage ./B]:) sich auf andere als in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt zu haben. Dass dieser Vorwurf vom Disziplinarrat dahingehend ausgelegt wurde, er habe für Ausländer eine Verbrennung bzw Vergasung gefordert und dafür „Einrichtungen in Mauthausen“ wiederbeleben wollen (ES 6), präzisiert lediglich die Wortfolge „da obm“ als den dem Ort der Äußerung naheliegenden Ort Mauthausen und orientiert sich auch sonst an der Aussage des umfassend geständigen Angeklagten, der sich der Vorfälle bzw Vergasungen in Mauthausen voll bewusst war und in keiner Weise damit zu rechtfertigen versuchte, es habe keine Gaskammern gegeben, sondern bloß seinem Ärger über sexuelle Übergriffe durch Flüchtlinge Luft machen wollte. Inwieweit die Äußerungen im Plädoyer in diesem Konnex die „bestmögliche Verteidigung“ darstellen könnte, sagt die Berufung nicht.

Das inkriminierte Plädoyer verstieß also nicht nur gegen gefestigte Standesauffassung, sondern genügte überdies nicht den eingangs dargelegten Grundsätzen für die Annahme des Rechtfertigungsgrundes nach § 9 Abs 1 zweiter Satz RAO.

Aber auch der Schuldberufung im engeren Sinn ist ein Erfolg zu versagen, da die darin wiederholte Einlassung des Beschuldigten, er habe nur die Unwissenheit seines Mandanten aufdecken wollen, ohnehin mitberücksichtigt wurde. Gegen die Richtigkeit der Lösung der Schuldfrage durch den Disziplinarrat, gerade aus der Verantwortung des Berufungswerbers lasse sich auf einen grob fahrlässigen Verstoß gegen standesrechtliche Vorschriften schließen, bestehen schon deshalb keine Bedenken, weil sich der Beschuldigte ursprünglich sogar damit verantwortet hatte, dass ihm die Unrichtigkeit seiner Aussage bewusst war. Die vom Disziplinarbeschuldigten in seiner Berufung betonte Freisprechung seines Mandanten vermag nichts daran zu ändern, dass er sich zur Erreichung dieses Prozessziels fahrlässig eines disziplinär zu ahndenden Mittels bediente.

Die Verlesung eines historischen Gutachtens über den wissenschaftlichen Meinungsstand zum Betrieb des Lagers Mauthausen war schon wegen der sich keineswegs auf die Strittigkeit von Detailfragen beschränkenden inkriminierten Äußerungen entbehrlich.

Auch die vom Disziplinarrat ausgemessene Geldbuße ist nicht zu beanstanden. Zu Recht wurde der für das Ansehen der Rechtsanwaltschaft abträgliche hohe Erfolgsunwert berücksichtigt. Die damit für den Stand durch die öffentliche Wahrnehmung verbundenen Nachteile hätte der Berufungswerber leicht erkennen und durch vorsichtigere Wortwahl vermeiden können. Den (einzigen) Milderungsgrund der bisherigen Unbescholtenheit hat der Disziplinarrat ohnehin berücksichtigt.

Der darüber hinausgehenden zeitweisen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft, wie sie vom Kammeranwalt in seiner Berufung verlangt wird, bedarf es demgegenüber weder aus generalpräventiven noch aus spezialpräventiven Gründen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0200DS00011.17Y.1114.000

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