OGH vom 29.06.1999, 11Os56/99
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Vielhaber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Dr. Reinhard S***** wegen des Vergehens der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 1. Fall StGB sowie einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom , GZ 24 Vr 868/97-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Plöchl, des Angeklagten Dr. Reinhard S***** und des Verteidigers Dr. Schirnhofer zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Dr. Reinhard S***** der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (1) sowie der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (2) schuldig erkannt.
Danach hat er in Steyr als Rechtsanwalt
1. die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht und dadurch einem anderen einen Vermögensnachteil zugefügt, indem er es im Februar und April 1991 entgegen einem ihm von der Raiffeisenkasse W***** regGenmbH und der W***** GmbH erteilten Auftrag unterließ, die von der genannten Raiffeisenkasse beim Bezirksgericht Kremsmünster gemäß § 1425 ABGB hinterlegten Geldbeträge von 3,5 Mio S und 1,665.000 S dadurch fruchtbringend anzulegen, daß er sie entweder auf einem Sparbuch mit zumindest 6,5 % Zinsen veranlagt und sodann die Sparbücher bei Gericht hinterlegt oder gemäß § 287 Geo in analoger Anwendung von § 77 EO und § 230 ABGB im Sinne des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz vom , Zl JMZ 308.282/2-III 3/81, einen Antrag auf fruchtbringende Veranlagung der eingezahlten Beträge stellt, wodurch der W***** GmbH ein Schaden von 494.818 S an entgangenen Zinsen entstand;
2. vom (richtig: - US 10) bis ihm anvertraute Güter, nämlich im Exekutionsweg für die Bank *****AG, Filiale S*****, hereingebrachte Geldbeträge nicht weitergeleitet oder abgerechnet, sondern sich mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz zugeeignet, und zwar
a) 212.945,05 S aus einer beim Bezirksgericht Oberwölz zum AZ E 488/93 geführten Exekution gegen Andreas Wi***** und
b) 22.000 S aus einer beim Bezirksgericht Lambach zum AZ 7 E 934/98H geführten Exekution gegen Gertrude P*****.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5a, 9 lit a, b und c des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; sie ist nicht im Recht.
Zum Schuldspruch 1:
Rechtliche Beurteilung
In der Tatsachenrüge (Z 5a - der Sache nach jedoch Z 5) wendet sich der Beschwerdeführer gegen die der Aktenlage (Beilage ./I bzw ./L und ./M) widersprechende Feststellung (US 6, 11), wonach er die Raiffenkasse W***** in den gerichtlichen Erlagsverfahren (Nc 5/91 und Nc 10/91 des Bezirksgerichtes Kremsmünster) schon beim Erlag (Februar bzw April 1991) anwaltlich vertreten habe.
Dem formellen Einschreiten im Erlagsverfahren kommt aber deswegen keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu, weil der Angeklagte bereits im Jänner 1991 sowohl vom Direktor der Raiffeisenkasse W*****, Anton B*****, als auch vom Geschäftsführer der W***** GmbH, Josef W*****, mit der fruchtbringenden Anlegung der zu hinterlegenden Geldbeträge beauftragt worden ist und (auftragsgemäß) die entsprechenden Erlagsanträge konzipiert hat (US 5, 6; Beilage ./I). Dieses (über die ganze Erlagszeit aufrechte) Mandat und die daraus resultierende Verpflichtung zur Wahrung der Machthaberinteressen schließt die Berechtigung zur Vornahme der entsprechenden Veranlagung mit ein.
Entgegen dem (sachlich auch eine Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO relevierenden) weiteren Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO bedurfte die "Aufrechnungseinrede" (Schaden aus entgangenem Zinsge- winn gegen offene Honorarforderungen) schon deswegen keiner separaten Erörterung in den Urteilsgründen, weil der als Mißbrauchsdelikt konzipierte Tatbestand des § 153 StGB bei der objektiven und subjektiven Tatseite nur auf den aus dem Mißbrauch selbst (unmittelbar) erwachsenen Vermögensnachteil des Machtgebers abstellt, sodaß Gegenforderungen des Machthabers gegen den Machtgeber die Strafbarkeit des ersteren grundsätzlich nicht ausschließen (Leukauf/Steininger Komm3 § 153 RN 28; SSt 51/46 ua).
Soweit der Rechtsmittelwerber mit diesem nicht entscheidungswesentlichen Einwand und der (sinngemäßen) urteilskonträren Behauptung, W***** habe in Wahrheit keinen Vermögensnachteil erlitten, die subjektive Tatseite (wissentlicher Befugnismißbrauch und bedingter Schädigungsvorsatz) bestreitet, macht er keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen geltend, sondern kritisiert lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter.
Die auf die Z 9 lit a und c des § 281 Abs 1 StPO gestützte Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Unter Hinweis auf die (rechtlich irrelevante) "Aufrechnungseinrede" stellt sie die subjektive Tatseite in Abrede und geht damit nicht von den Feststellungen des Erstgerichtes aus, was jedoch zur erfolgreichen Geltendmachung eines materiell- rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erforderlich wäre.
Auch der Verjährungseinwand (Z 9 lit b) versagt. Selbst ausgehend von der Beschwerdeansicht, daß die fünfjährige Verjährungsfrist (§ 57 Abs 3 StGB) am durch die pflichtwidrige Unterlassung der fruchtbringenden Anlegung in Gang gesetzt wurde, konnten die Untreuetaten bis zur ersten gerichtlichen Verfolgungshandlung am (Beischaffung des Personalblattes und der Strafregisterauskunft - S 2) nicht verjähren; der Rechtsmittelwerber übersieht nämlich, daß diese Verjährungsfrist durch die in der Zeit von (insoweit richtig auf US 10) bis zum Nachteil der B*****-Filiale S***** begangenen und auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Veruntreuungen gemäß § 58 Abs 2 StGB bis zu deren Verjährung (ebenfalls fünf Jahre Verjährungszeit) verlängert wurde.
Zum Schuldspruch 2:
Zu Unrecht fordert der Beschwerdeführer in der (nominell auch auf die Z 5 gestützten) Rechtsrüge (Z 9 lit b) einen Freispruch, weil er, was vom Schöffengericht festzustellen unterlassen worden sei, zwei Tage vor Anzeigeerstattung am Dr. Sch***** die vollständige Schadensgutmachung zugesichert und tatsächlich am geleistet habe, weswegen ihm der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 Abs 2 (gemeint offensichtlich: Z 2) StGB zustatten käme.
Tätige Reue nach der angeführten Gesetzesstelle kommt dem Täter aber nur zugute, wenn er sich gegenüber dem Geschädigten vertraglich (schriftlich oder mündlich) zur Gutmachung des ganzen aus der Tat entstandenen Schadens verpflichtet und diese Verpflichtung auch tatsächlich einhält. Ferner muß die Schadenshöhe ziffernmäßig und die Leistungsfrist kalendermäßig bestimmt sein (Leukauf/Steininger Komm3 § 167 RN 37 f; RZ 1985/56).
Nach eigener Darstellung hat der Angeklagte in einem Telefonat mit dem Kammeranwalt Dr. Sch*****, der seinerseits mit dem Direktor der B*****-Filiale S*****, Franz O*****, bekannt war, angekündigt, "er werde das Geld überweisen" (S 241). Da eine solche (einseitige) und den Endtermin der Leistungsfrist nicht konkretisierende Ankündigung keine Strafaufhebung bewirkt, ferner nach der Aktenlage zwischen dem Vertreter der geschädigten B*****-Filiale S***** Direktor Franz O***** und dem Angeklagten kein Vertrag über die gänzliche Schadensgutmachung zustandekam, erübrigten sich Feststellungen in die begehrte Richtung. Tätige Reue nach § 167 Abs 1 Z 1 StGB hat das Erstgericht rechtsrichtig verneint, weil die Schadensgutmachung tatsächlich (Leukauf/Steininger aaO RN 26) erst drei Tage nach Anzeigeerstattung erfolgte (US 9, 14). Somit haftet auch diesem Schuldspruch kein Rechtsfehler an.
Unverständlich ist schließlich der Rechtsmittelantrag "... nach § 288 (gemeint wohl: a) StPO die Hauptverhandlung zu vernichten ...". Zu dem damit der Sache nach relevierten Nichtigkeitsgrund des § 281a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch oder eine Versetzung in den Anklagestand), auf den § 288a StPO abstellt, finden sich in der Rechtsmittelschrift keine Ausführungen, weshalb dieser Antrag einer sachlichen Erledigung nicht zugänglich ist.
Das Erstgericht verhängte über Dr. Reinhard S***** unter Anwendung der §§ 28 Abs 1, 37 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 153 Abs 2 StGB eine Geldstrafe von 300 Tagessätzen zu je 250 S, an deren Stelle im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 150 Tagen zu treten hätte. Gemäß § 43a Abs 1 StGB sah es einen Teil der Geldstrafe im Ausmaß von 150 Tagessätzen unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.
Bei der Strafzumessung wertete es als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Vergehen und den relativ hohen Schaden (mehrfaches Überschreiten des "strafbestimmenden Wertbetrages"); als mildernd die "Unbescholtenheit", das Geständnis zu den objektiven Tatumständen und die mittlerweile erfolgte Schadensgutmachung.
Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten, in der er unter Hinweis auf seine Unbescholtenheit die bedingte Nachsicht der gesamten Geldstrafe begehrt.
Die Tatrichter haben die Strafzumessungsgründe richtig erfaßt, sie auch ihrem Gewicht entsprechend bewertet und auf deren Grundlage eine schuldangemessene Sanktion gefunden. Zutreffend haben sie auch nur die Hälfte der Geldstrafe bedingt nachgesehen, weil es jedenfalls des Vollzuges eines Teiles der Strafe bedarf, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbaren Handlungen abzuhalten; hat er doch durch die wiederholten Angriffe gegen fremdes Vermögen einen intensiven Täterwillen gezeigt, dem nur durch einen zumindest teilweisen Strafvollzug begegnet werden kann. Dieser Vollzug ist auch in generalpräventiver Hinsicht erforderlich, um der Strafe die notwendige abhaltende Wirkung auf andere potentielle Täter zu verleihen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a StPO.