OGH vom 09.10.1991, 9ObA184/91
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Göstl (Arbeitgeber) und Walter Bacher (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J***** J*****, Angestellter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei R***** F*****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei SPARKASSE B*****, vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen 104.952,35 S brutto abzüglich 23.216 S netto sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Ra 39/91-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 17 Cga 161/89-28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
Das Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger einen Betrag von 104.952,35 S brutto abzüglich 23.216 S netto samt 4 % Zinsen ab zu zahlen, wird abgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 52.811,80 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin enthalten 8.035,30 S Umsatzsteuer und 4.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen. Die klagende Partei ist weiters schuldig, der beklagten Partei die mit 10.094 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 849 S Umsatzsteuer und 5.000 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war bei der beklagten Partei vom bis als Programmierer beschäftigt. Nachdem die beklagte Partei das am fällige Entgelt des Klägers für August nicht ausgezahlt hatte, urgierte der Kläger am schriftlich die Auszahlung des Gehaltes, forderte die Überweisung auf sein in diesem Schreiben näher bezeichnetes Konto bei der Sparkasse B*****, Filiale E***** und setzte für die Zahlung eine Nachfrist bis , wobei er für den Fall des fruchtlosen Verstreichens dieser Frist seinen vorzeitigen Austritt kündigte. Der Beklagte veranlaßte am die fernschriftliche Überweisung der offenen Bezüge des Klägers von seinem bei einem anderen Institut geführten Konto auf das vom Kläger angegebene Konto bei der Sparkasse B*****, Filiale E*****. Die fernschriftliche Überweisung langte noch am selben Tag bei der Sparkasse B***** ein. Durch einen Fehler im Bereich dieses Institutes unterblieb die Gutschrift des Überweisungsbetrages auf dem Konto des Klägers. Am erkundigte sich der Kläger bei seinem Bankinstitut, ob der Betrag eingelangt sei; er erklärte, nachdem er dort eine negative Antwort erhalten hatte, dem Beklagten gegenüber seinen vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung eines Betrages von 104.952,35 S brutto abzüglich 23.216 S netto sA. Der Austritt sei gerechtfertigt, weil der Beklagte trotz Nachfristsetzung das fällige Gehalt nicht ausgezahlt habe; der Kläger habe zum Ende der Nachfrist darüber nicht verfügen können. Neben dem einbehaltenen Betrag habe er Anspruch auf Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung und aliquote Sonderzahlungen. Auf den hieraus resultierenden Gesamtbetrag von 104.952,35 S brutto habe der Beklagte nur 23.216 S netto geleistet.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage; er sei mit der Zahlung des Entgeltes nicht in Verzug gewesen. Mit allen Mitarbeitern sei die Auszahlung des Gehaltes für den vereinbart worden und nach Setzung der Nachfrist durch den (erkrankten) Kläger sei die Überweisung so rechtzeitig veranlaßt worden, daß sich der Betrag im Zeitpunkt des Ablaufes der Nachfrist in der Verfügung des Klägers befunden habe. Eine allfällige kurzfristige Zahlungsverzögerung sei nicht vom Beklagten verschuldet.
Das Erstgericht gab dem Begehren des Klägers statt. Das Gehalt des Klägers sei bereits am fällig gewesen, der Kläger habe jedoch auch nach Ablauf der Nachfrist am , 12 Uhr, noch immer nicht hierüber verfügen können, da ihm von seiner Hausbank bestätigt worden sei, daß sein August-Gehalt auf dem Konto noch nicht eingelangt sei. Zuvor habe der Kläger am der beklagten Partei eine ausreichende Nachfrist gesetzt. Auch wenn der Beklagte bereits am 6. 9. das Geld auf das Konto des Klägers überwiesen habe, komme es auf die tatsächliche Verfügungsmacht des Klägers an, die zum Zeitpunkt des Ablaufes der Nachfrist nicht gegeben gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Auszugehen sei davon, daß für die Berechtigung zum Austritt objektiver Verzug mit der Lohnzahlung genüge; dieser liege hier vor. Das Risiko der Überweisung trage der Überweisende. Es obliege dem Arbeitgeber, im Falle einer unbaren Lohnauszahlung den Überweisungsauftrag so zu erteilen und zu überwachen, daß die Gutschrift des Gehaltes auf dem Arbeitnehmerkonto rechtzeitig erfolgen könne. Dies habe der Beklagte unterlassen. Da der Kläger bei Ablauf der Nachfrist nicht über sein Gehalt habe verfügen können, sei der Austritt berechtigt.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Unterlassung der Parteienvernehmung des Beklagten war bereits Gegenstand der Mängelrüge der Berufung. Das Berufungsgericht hat diesen Anfechtungspunkt geprüft und ist zum Ergebnis gelangt, daß ein Verfahrensmangel nicht vorliege. Mängel des Verfahrens erster Instanz, die vom Berufungsgericht verneint wurden, können aber im Revisionsverfahren nicht mehr geltend gemacht werden. Ein Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.
Die Rechtsrüge ist hingegen berechtigt.
Wenn ein Arbeitnehmer einerseits mit einem Geldinstitut seiner Wahl einen Girokontovertrag schließt und dieses Geldinstitut dadurch im Sinn des § 1424 ABGB zu seinem Machthaber wird und er andererseits dem Arbeitgeber seine Bankverbindung bekanntgibt, dann wird durch diesen Vorgang der Arbeitgeber jedenfalls ermächtigt, mit schuldbefreiender Wirkung an das ihm vom Arbeitnehmer bekanntgegebene Geldinstitut Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis zu tilgen (vgl Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht, Allgemeiner Teil, 559; Bydlinski, Klang IV/2, 331; Reischauer in Rummel, Rz 1 zu § 1424; Schwimann-Mader, Rz 4 zu § 1424 ABGB). Durch diesen Vorgang erteilt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber gegenüber insbesondere sein Einverständnis zur Leistung an zahlungsstatt, daß nämlich statt des geschuldeten Bargeldbetrages (vgl § 78 Abs. 2 GewO iVm § 42 Abs. 1 AngG) ihm eine Forderung (gegenüber der Bank) geleistet werde (vgl Koziol-Welser, Grundriß I8 209). Sofern das Geldinstitut als Machthaber des Gläubigers (Arbeitnehmers) anzusehen ist, geht die Gefahr schon mit Einlangen bei diesem Geldinstitut ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Kontogutschrift auf den Gläubiger über (Reischauer in Rummel ABGB Rz 19 zu § 905). Der Beklagte hat alles zur Bewirkung der Zahlung vorgekehrt, wogegen der Irrtum des Geldinstitutes, bei dem der Kläger sein Girokonto unterhalten hat, im Verhältnis zum Beklagten dem Kläger zuzurechnen ist, so als ob sein Machthaber eine empfangene Zahlung verzögert oder sogar veruntreut hätte (in diesem Sinne auch 9 Ob A 54/90). Es ist daher davon auszugehen, daß sich der Beklagte mit der Zahlung des Gehaltes an den Kläger im Zeitpunkt des Ablaufes der Nachfrist nicht in Verzug befand. Das den bereits gezahlten Nettobetrag übersteigende Begehren, das ausschließlich aus einem berechtigten vorzeitigen Austritt abgeleitet wird, besteht daher nicht zu Recht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Schriftsatz vom ist nur nach TP 1 zu honorieren; der doppelte Einheitssatz steht nur für die Verrichtung von Tagsatzungen außerhalb des Sitzes des Rechtsanwaltes zu.