OGH vom 05.09.2019, 19Ob1/19i

OGH vom 05.09.2019, 19Ob1/19i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.Prof. Dr. Höllwerth als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. HoferZeniRennhofer sowie die Anwaltsrichter Dr. Buresch und Dr. Klaar als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller Dr. W***** K*****, Dr. R***** K*****, Dr. G***** M*****, Mag. B***** N*****, und Dr. M***** W*****, alle Rechtsanwälte in Wien, alle vertreten durch Mag. Martin Josef Walser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Anfechtung der in der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom erfolgten Wahlen der Mitglieder des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte, der Mitglieder des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte und der Delegierten sowie Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses nach öffentlicher mündlicher Verhandlung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Anfechtung der in der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien vom erfolgten Wahlen der Mitglieder des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte, der Mitglieder des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte und der Delegierten sowie der Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragsteller fochten mit dem am beim Obersten Gerichtshof im ERV eingebrachten Schriftsatz die in der Plenarversammlung der Rechtsanwaltskammer Wien (fortan: RAK) vom erfolgten Wahlen der Mitglieder des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte, der Mitglieder des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte sowie der Delegierten und der Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses gemäß § 24b RAO an. Sie begründen diese Anfechtung im Wesentlichen wie folgt:

Ein von mehreren in der „S***** 2018/2019“ zusammengeschlossenen Standesvereinigungen und namentlich von RA Dr. B***** K***** et al unterstützter, mit datierter und am bei der RAK eingelangter Wahlvorschlag sei nicht kundgemacht worden. Die am erfolgte Zurückziehung dieses (ersten) Wahlvorschlags mit der Begründung, es seien inzwischen Unterstützungserklärungen zurückgezogen worden, sei nicht zulässig gewesen. In diesem ersten, später zurückgezogenen Wahlvorschlag vom seien (ua) Mag. P***** C***** für die Wahl zum Mitglied des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte und als Ersatzdelegierte zur Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses und Mag. B***** S*****-L***** für die Wahl zum Mitglied des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte vorgeschlagen gewesen. In einem weiteren von der „S***** 2018/2019“ und von RA Dr. B***** K***** et al unterstützten Wahlvorschlag vom seien dann weder Mag. P***** C***** noch Mag. B***** S*****L***** als Kandidatinnen vorgeschlagen gewesen. In dem von Dr. F***** W*****-H***** et al eingebrachten Wahlvorschlag vom seien zwar Mag. B***** S*****L***** als Kandidatin für die Wahl zum Mitglied des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte und Mag. P***** C***** als Kandidatin für die Wahl zum Mitglied des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte, Letztere jedoch nicht als Kandidatin für die Wahl zur Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses vorgeschlagen gewesen. Durch die von der RAK zu Unrecht akzeptierte Zurückziehung von Unterstützungserklärungen sei daher Mag. C***** von der Wahl zur Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses ausgeschlossen worden.

Eine vom Fünftantragsteller abgegebene Unterstützungserklärung für Mag. C***** sei nicht berücksichtigt worden, weil die RAK die unrichtige Auffassung vertreten habe, es gebe bereits einen Wahlvorschlag der Rechtsanwälte W*****H***** et al, der nicht nur Mag. C*****, sondern auch weitere Kandidaten enthalte und der Fünftantragsteller müsse dann, wenn er nur Mag. C***** unterstützen wolle, dafür 20 Unterstützungserklärungen beibringen.

Die Kundmachung der Wahlvorschläge sei nicht unverzüglich erfolgt.

Die Kundmachung der Wahlvorschläge und auch die Stimmzettel hätten die Namen der jeweiligen Unterstützer enthalten. Dadurch sei der Eindruck einer Listenwahl erweckt worden, was dem Wahlsystem der RAO als einer reinen Persönlichkeitswahl und dem Gebot der Neutralität widerspreche.

Die Erwähnung der „S*****“ auf den Stimmzetteln sei irreführend gewesen, weil diese kein Kammermitglied sei und auch keine Rechtspersönlichkeit besitze.

Die Reihung der Kandidaten auf den Stimmzetteln sei nicht nachvollziehbar gewesen, sei diese doch weder alphabetisch noch nach dem Datum des Einlangens der Wahlvorschläge erfolgt.

Die von der RAK aufgelegte Information zum Ausfüllen der Stimmzettel sei irreführend gewesen, weil im Gegensatz zu deren Darstellung auf den Stimmzetteln selbst eine „Nein-Spalte“ gefehlt habe und außerdem unklar gewesen sei, welche Anzahl an Kandidaten habe gewählt werden können.

Nach § 24 Abs 1 Z 4 RAO sei lediglich die Wahl von Delegierten zur Vertreterversammlung, nicht aber die von der RAK vorgenommene Wahl von „Ersatzdelegierten“ vorgesehen.

Die Rechtsanwaltskammer Wien beantragte, der Wahlanfechtung keine Folge zu geben. Die Wahlanfechtung sei verfristet. Die Wahlvorschläge seien ordnungsgemäß kundgemacht worden. Es gebe auch keine sonstigen gesetzlichen Vorgaben, die bei der Abwicklung der angefochtenen Wahlvorgänge verletzt worden seien. Die Zurückziehung des ersten Wahlvorschlags habe sich nicht im Sinn des § 24b Abs 2 RAO ausgewirkt.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Auf die Plenarversammlung vom war die vom BMVRDJ genehmigte Geschäftsordnung 2017 (GeO 2017) anzuwenden. Diese hat den Charakter einer von der Plenarversammlung erlassenen Verordnung.

Die Einladung zur Plenarversammlung wurde an die Mitglieder der RAK am verschickt. Die Einladung enthielt (ua) die Aufforderung, Wahlvorschläge bis längstens 5 Wochen vor dem Tag der Plenarversammlung mit entsprechender Anzahl von Unterstützungserklärungen im Kammeramt einzubringen.

Betreffend die angefochtenen Wahlen sind in offener Frist (ua) folgende Wahlvorschläge bei der RAK eingegangen:

Der vom Obmann der „S***** 2018/2019“, RA Prof. Dr. M***** B*****, übermittelte Wahlvorschlag der Kollegen „K***** et al“ vom , der (ua) Vorschläge für die Wahl der Mitglieder des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte, für die Mitglieder des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte, der Delegierten und der Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses enthielt, langte mit 26 Unterstützungserklärungen am in der RAK ein. In diesem Wahlvorschlag waren (ua) RA Mag. P***** C***** als Kandidatin für die Wahl zum Mitglied des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte und als Ersatzdelegierte zur Vertreterversammlung sowie RA Mag. B***** S*****L***** als Kandidatin für die Wahl zum Mitglied des Disziplinarrats vorgeschlagen.

Mit dem am selben Tag eingelangten Schreiben vom zog RA Prof. Dr. M***** B*****, als Bevollmächtigter der Rechtsanwälte K***** et al, den Wahlvorschlag vom zurück. Als Grund dafür wurde genannt, dass dieser Wahlvorschlag die notwendigen 20 Unterstützungserklärungen nicht mehr habe. Die Rückziehung von 12 Unterstützungserklärungen wurde beigelegt. Dieser Wahlvorschlag wurde nicht kundgemacht.

Am langte ein am kundgemachter Wahlvorschlag der Rechtsanwälte „W*****H***** et al.“ mit 23 Unterstützungserklärungen ein. Darin wurden (ua) Mag. C***** zur Wahl zum Mitglied des Ausschusses und Mag. S*****L***** zum Mitglied des Disziplinarrats vorgeschlagen. Vorschläge für Delegierte oder Ersatzdelegierte zur Vertreterversammlung wurden nicht erstattet.

Am wurde ein weiterer Wahlvorschlag der Rechtsanwälte „B***** et al.“ mit 25 Unterstützungserklärungen eingereicht und am kundgemacht; in diesem waren aber weder Mag. C***** noch Mag. S*****L***** für eine Wahl vorgeschlagen.

Die Kundmachung der Plenarversammlung der RAK erfolgte am via WebERV und an alle Rechtsanwaltsanwärterinnen und Rechtsanwaltsanwärter per EMail. Unter Tagesordnungspunkt B./3. war die Vornahme der Wahl von Mitgliedern des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte (§ 27 Abs 1 lit b RAO), unter B./8. die Wahl von Mitgliedern des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte (§ 7 Abs 1 Z 2 DSt), unter B./10. die Wahl der Delegierten zur Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses (§ 27 Abs 1 lit b RAO) und unter B./11. die Wahl der Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung vorgesehen. In dieser Kundmachung waren sowohl der Wahlvorschlag W*****H***** et al als auch der zweite Wahlvorschlag B***** et al enthalten.

In der Ausschusssitzung am berichtete der Präsident der RAK, dass der Wahlvorschlag vom zurückgezogen worden und daher eine Kundmachung unterblieben sei, was der Ausschuss zustimmend zur Kenntnis nahm. Weiters erfolgte die Beschlussfassung über die Stimmzettel. Die Mehrheit der Ausschussmitglieder sprach sich dafür aus, pro Funktion jeweils nur einen Stimmzettel aufzulegen, auf welchem alle Wahlvorschläge ersichtlich sind.

Auf den amtlichen Stimmzetteln für die Wahlen der RAK am schienen sowohl Mag. C***** (als Kandidatin für die Wahl der Mitglieder des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte) und Mag. S*****L***** (als Kandidatin für die Wahl der Mitglieder des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte) auf.

In der Plenarversammlung am wurden bei der Wahl der Mitglieder des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte 667 Stimmen abgegeben, davon waren 50 Stimmen ungültig bzw leer und somit 617 Stimmen gültig. Auf die Kandidatin Mag. C***** entfielen 274 Stimmen. Sie wurde als nicht gewählt erklärt. Bei der Wahl der Mitglieder des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte wurden 780 Stimmen abgegeben, davon waren 121 Stimmen ungültig bzw leer und somit 659 Stimmen gültig. Auf die Kandidatin Mag. S*****L***** entfielen 225 Stimmen. Sie wurde als nicht gewählt erklärt.

Die Wahlergebnisse der Plenarversammlung wurde am im allgemein zugänglichen Bereich der Homepage der RAK kundgemacht. Die Anzahl der jeweils abgegebenen Stimmen wurde am im internen (Mitglieder)Bereich publiziert.

Zur Beweiswürdigung ist auszuführen, dass die getroffenen Feststellungen auf dem dazu von den Parteien übereinstimmend erstatteten Vorbringen sowie den vorgelegten unbedenklichen Urkunden beruhen und im Übrigen unstrittig sind.

Rechtliche Beurteilung

In rechtlicher Beurteilung wird erwogen:

1. Zur Rechtzeitigkeit:

1.1. Gemäß § 24b Abs 1 RAO kann eine Wahl nach § 24 Abs 1 RAO von jedem Wahlberechtigten binnen einer Woche nach Veröffentlichung des Wahlergebnisses (§ 25 Abs 5 RAO) angefochten werden. Nach § 25 Abs 5 RAO ist das Ergebnis jeder Wahl „im Internet auf der Website der Rechtsanwaltskammer unverzüglich und allgemein zugänglich zu veröffentlichen“.

1.2. Die Frage, ob für den Fristenlauf schon die Veröffentlichung der Wahlergebnisse ohne Zahlen auf der allgemein zugänglichen Website der RAK am maßgeblich war oder die Anfechtungsfrist erst durch die Veröffentlichung der detaillierten Wahlergebnisse mit Zahlen im (nicht allgemein, sondern nur den Rechtsanwälten zugänglichen) Intranet am ausgelöst wurde, muss hier nicht geklärt werden. Die am im ERV eingebrachte Wahlanfechtung ist nämlich selbst bei Fristberechnung ab dem frühestmöglichen Zeitpunkt () nach der sowohl für verfahrens- als auch für materiell-rechtliche Fristen geltenden „Zivilkomputation“ (§ 125 Abs 2 ZPO iVm § 23 Abs 1 AußStrG;§ 902 Abs 2 ABGB;Buchegger in Fasching/Konecny3 II/3 § 125 ZPO Rz 1 und 6; Binder/Kolmasch in Schwimann/Kodek4§ 903 ABGB Rz 12 f) jedenfalls fristgerecht erfolgt.

2. Die Anfechtungsgründe nach § 24b Abs 1 RAO:

2.1. Vor dem Verfassungsgerichtshof kann die Anfechtung von Wahlen nach Art 141 Abs 1 lit a, b, h, i und j BVG (ganz allgemein) auf eine behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens gegründet werden. Im Gegensatz dazu können gemäß § 24b Abs 1 RAO Wahlen nach § 24 Abs 1 RAO von jedem Wahlberechtigten (nur dann erfolgreich) angefochten werden, wenn eine Person zu Unrecht von der Wahl ausgeschlossen, zur Wahl zugelassen oder als gewählt erklärt worden ist. Rohregger (in Engelhart/ Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10§ 24b Rz 3) erwähnt als vierten Fall, dass jemand zu Unrecht als nicht gewählt erklärt wurde.

2.2. Dem Obersten Gerichtshof steht daher nach dem Wortlaut des § 24b Abs 1 RAO bei Wahlanfechtungen nach der RAO eine vergleichsweise nur sehr eingeschränkte Prüfungsbefugnis zu (vgl dazu auch 19 Ob 2/18k; OBDK Bkv 6/10). Mangels einer gesetzlichen Grundlage ist es dem Obersten Gerichtshof demnach verwehrt, gleichsam jeden Mangel oder jede Unzweckmäßigkeit eines Wahlverfahrens wahrzunehmen, sofern diese nicht einen der in § 24b Abs 1 RAO normierten Anfechtungsgründe herbeigeführt haben.

3. Wahlvorschläge, Wahlinformation, Stimmzettel und Zurückziehung von Unterstützungserklärungen:

3.1. Die Antragsteller machen eine Reihe von angeblichen Mängeln des Wahlvorgangs geltend betreffend die vermeintlich nicht unverzüglich erfolgte Bekanntmachung von Wahlvorschlägen (vgl § 11 Abs 1 GeO 2017), die Bezeichnung der Unterstützer auf den Wahlvorschlägen und Stimmzetteln, irreführende Informationen zum Ausfüllen der Stimmzettel und auf den Stimmzetteln selbst, insbesondere die nur eventualiter mögliche Wahl einzelner Kandidaten für den Fall des Ausscheidens eines Amtsinhabers, sowie die behauptete Unzulässigkeit der Zurückziehung von Unterstützungserklärungen.

3.2. Weder zur unverzüglichen Bekanntmachung von Wahlvorschlägen noch zu deren genauen Inhalt oder zur Gestaltung der Wahlinformation und der Stimmzettel bestehen detaillierte Rechtsvorschriften, die bei den betreffenden Wahlvorgängen verletzt worden sein könnten. Die Antragsteller können auch nicht konkret aufzeigen und es ist für den Senat ebenfalls nicht erkennbar, wodurch es aufgrund dieser angeblichen Mängel dazu gekommen sein könnte, dass eine Person zu Unrecht von der Wahl ausgeschlossen, zur Wahl zugelassen oder als gewählt erklärt worden sein soll.

3.3. Die Wahlberechtigten sind Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter, von denen aufgrund ihrer Ausbildung zu erwarten ist, dass ihnen die Rechtsanwaltsordung, das Disziplinarstatut sowie die Geschäftsordnung (GeO 2017) und namentlich die Organe ihrer Kammer sowie die Abläufe der dazu vorgesehenen Wahlvorgänge bekannt sind. Daher ist insbesondere eine Fehleinschätzung dahin, dass die Wahlen nach § 24 Abs 1 RAO eine Listen- oder Parteiwahl seien, geradezu auszuschließen.

3.4. Ob letztlich die Zurückziehung von Unterstützungserklärungen oder von Wahlvorschlägen zulässig ist, muss hier deshalb nicht abschließend beurteilt werden, weil es insoweit – aus gleich folgenden Erwägungen – jedenfalls an der Erheblichkeit (§ 24b Abs 2 RAO) eines daraus gegebenenfalls ableitbaren Wahlanfechtungsgrundes fehlt.

4. Zu den Wahlen für den Ausschuss und den Disziplinarrat:

4.1. Der die Wahl der Mitglieder des Disziplinarrats regelnde § 7 DSt sieht zwar keine Anfechtungsmöglichkeit vor. Der Oberste Gerichtshof hat darin aber schon eine planwidrige Gesetzeslücke erkannt, die durch Rückgriff auf die inhaltlich verwandte Norm des § 24b RAO zu schließen ist (19 Ob 3/18g, AnwBl 2019, 172).

4.2. Im vorliegenden Fall wurden Mag. C***** als Kandidatin für die Wahl zum Mitglied des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte und Mag. S*****L***** als Kandidatin für die Wahl zum Mitglied des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte zunächst von einer Reihe von Rechtsanwälten unterstützt, die dann ihre Unterstützungserklärungen zurückgezogen haben. Allerdings sind beide Kandidatinnen für die genannten Funktionen von anderen Unterstützern rechtswirksam vorgeschlagen worden und waren daher für diese Funktionen zur Wahl in der Plenarversammlung am zugelassen, haben aber die nach § 24 Abs 6 RAO erforderliche einfache Mehrheit der Stimmen der an der Wahl teilnehmenden Kammermitglieder nicht erreicht. Sie wurden daher zu Recht als nicht gewählt erklärt. Es ist somit betreffend die Kandidaturen von Mag. P***** C***** für die Wahl zum Mitglied des Ausschusses aus dem Kreis der Rechtsanwälte und von Mag. B***** S*****L***** für die Wahl zum Mitglied des Disziplinarrats aus dem Kreis der Rechtsanwälte ein Anfechtungsgrund nach § 24b RAO nicht verwirklicht.

5. Zur Anfechtung der Wahl von Ersatzdelegierten

5.1. Den Antragstellern ist zunächst dahin zuzustimmen, dass eine Wahl von Ersatzdelegierten weder nach § 24 RAO, noch nach § 39 RAO gesetzlich ausdrücklich vorgesehen ist. Allerdings ist die Anzahl der dem Ausschuss angehörenden Delegierten der Vertreterversammlung aus dem Kreis der dem Rechtsanwaltsstand angehörenden Mitglieder des Ausschusses von der jeweiligen Anzahl der Kammermitglieder abhängig. Gemäß § 39 Abs 1 Z 2 RAO steht nämlich für je angefangene 150 Kammermitglieder aus dem Kreis der Rechtsanwälte ein Delegierter zu.

5.2. Nach den ErläutRV (483 BlgNR 24. GP 11) zum BRÄG 2010, BGBl I 2009/141, spricht nichts dagegen, eine größere Zahl als die zum Zeitpunkt der Plenarversammlung gesetzlich zustehende Anzahl an Delegierten zur Wahl zu bringen und gleichzeitig vorzusehen, dass die Gewählten (entsprechend der Anzahl der auf sie entfallenden Stimmen) in der Reihenfolge ihrer Wahl in die Delegiertenversammlung zu entsenden sind, um im Zusammenhang mit der Wahl der Delegierten der Vertreterversammlung bereits vorab sicherzustellen, dass auf sich nach der Wahl allenfalls ergebende Veränderungen bei der Zahl der zustehenden Delegierten reagiert werden kann oder um etwa entsprechende Vorsorge für den Fall des Ausscheidens eines der Delegierten aus dem Ausschuss vor Ablauf der Amtsdauer zu treffen.

5.3. Die Wahl von Ersatzdelegierten zur Vertreterversammlung ist nach Ansicht des erkennenden Senats eine Möglichkeit, der zuvor beschriebenen Zielsetzung des Gesetzgebers zu entsprechen und für den Fall der Erhöhung der Delegiertenanzahl oder des Ausscheidens von Delegierten aus dem Ausschuss Delegierte quasi „auf Reserve“ zu wählen, um in diesen Fällen möglichst flexibel reagieren und die Anberaumung neuer Wahlen vermeiden zu können. Warum damit ein Anfechtungsgrund im Sinn des § 24b Abs 1 RAO verwirklicht sein soll, ist nicht ersichtlich und wird im Anfechtungsantrag auch nicht konkret aufgezeigt.

5.4. Die Wahlkundmachung enthielt (nur) bei einzelnen Kandidaten den Hinweis, dass diese (nur) für den Fall ihrer Wahl zum Ausschussmitglied als Ersatzdelegierte gewählt werden sollten. Dieser Hinweis ist zufolge § 39 Abs 1 Z 2 RAO rechtlich zutreffend, mithin nicht irreführend und begründet, insbesondere unter Berücksichtigung des Umstands, dass es im konkreten Fall zu keinem Stimmengleichstand kam, die Voraussetzungen des § 24b Abs 1 RAO ebenfalls nicht.

5.5. Nach § 39 Abs 1 Z 2 RAO müssen die Delegierten der Vertreterversammlung dem Kreis der Ausschussmitglieder aus dem Rechtsanwaltsstand angehören. Da Mag. C***** nicht als Ausschussmitglied gewählt worden war, fehlte diese gesetzliche Voraussetzung für ihre Wahl zur Ersatzdelegierten. Unabhängig von der Frage, ob Mag. C***** im Hinblick auf die Zurückziehung des ersten Wahlvorschlags zu (Un)Recht nicht zur Wahl als Ersatzdelegierte zur Vertreterversammlung zugelassen wurde, hätte sie daher für diese Funktion mangels Zugehörigkeit zum Ausschuss nicht als gewählt erklärt werden dürfen. Es musste daher nicht mehr auf die Frage eingegangen werden, ob eine Zurückziehung der Unterstützungserklärungen für die Kandidatin Mag. C***** gemäß dem Wahlvorschlag K***** et al vom rechtlich zulässig war und diese zu Unrecht nicht zur Wahl am als Ersatzdelegierte zugelassen wurde.

6. Ergebnis:

Die Antragsteller zeigen für keinen der angefochtenen Wahlvorgänge einen – für den Wahlausgang erheblichen – Anfechtungsgrund im Sinn des § 24b RAO auf. Die Wahlanfechtung war daher abzuweisen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0190OB00001.19I.0905.000

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