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OGH vom 28.11.2017, 9ObA47/17b

OGH vom 28.11.2017, 9ObA47/17b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas und Mag. Thomas Kallab als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch hba Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Ö***** P***** AG, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 10.349,39 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 9.943,89 EUR sA) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 65/16g-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist seit 2006 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis war gemäß § 19 Abs 4 PTSG die Dienstordnung der Angestellten der Österreichischen Post AG (KV alt) als Kollektivvertrag anzuwenden. Der Vertrag war befristet und wurde in der Folge dreimal um je ca ein Jahr verlängert. Vor Ablauf der letzten Befristung vereinbarten die Parteien ein unbefristetes Dienstverhältnis, das dem ab geltenden neuen Kollektivvertrag für Bedienstete der Österreichischen Post AG gemäß § 19 Abs 3 PTSG (KV neu) unterliegen sollte.

Die Klägerin begehrt die Differenz zwischen dem nach dem KV neu bezahlten und dem höheren Entgelt nach dem KV alt für den Zeitraum Juni 2013 bis Februar 2016.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und wies das Klagebegehren mit Ausnahme des vom anzuwendenden Kollektivvertrag unabhängigen Zuspruchs von 405,50 EUR brutto sA ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist nicht zulässig.

1. Die Revision wendet sich nicht gegen die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, dass § 19 Abs 7 PTSG auch den „Altmitarbeitern“ der Beklagten grundsätzlich eine Optionsmöglichkeit einräumt. Auch wenn sich die programmatische Ansage des 1. Satzes dieser Bestimmung nur auf den Vorstand der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft bezieht und die Verhandlung eines neuen Kollektivvertrags bis 1997 vorsieht, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber den aus der Post und Telegraphenverwaltung übernommenen Mitarbeitern die Möglichkeit des Optierens in den neuen Kollektivvertrag unabhängig von der Dauer der Verhandlungen einräumen wollte und unabhängig davon, ob der Kollektivvertrag von einem durch Spaltung und Übernahme entstandenen Nachfolgeunternehmen geschlossen wurde, dem anstelle der Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft nach § 19 Abs 3 PTSG Kollektivvertragsfähigkeit zukommt.

2. Mit der Erklärung, dass ab einem bestimmten Zeitpunkt der KV neu für das Dienstverhältnis gelten soll, begibt sich der davon betroffene Bedienstete in den persönlichen Geltungsbereich des KV, ohne dass darüber hinaus ein Günstigkeitsvergleich nach § 3 ArbVG vorzunehmen wäre (vgl zu einer ähnlichen Rechtslage 8 ObA 190/02b). Grundsätzlich gilt im Bereich des Individualarbeitsrechts mit der Ausgliederung nach dem PTSG zwar das allgemeine Arbeitsrecht, aber nur sofern im Ausgliederungsgesetz nicht sondergesetzliche Regelungen vorhanden sind (vgl 9 ObA 71/13a; 8 ObA 162/01h). § 19 Abs 7 PTSG stellt aber eine solche Sonderregelung dar, die keine Einschränkung auf günstigere Bestimmungen des KV neu, sondern die Anwendung des Kollektivvertrags „nach den zu diesem Zeitpunkt für neu eintretende Bedienstete gültigen Bestimmungen“ vorsieht.

3. Ob bei Abgabe einer Erklärung eine unzumutbare Drucksituation für den Arbeitnehmer vorlag, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (vgl RIS-Justiz RS0112292). Zu berücksichtigen ist dabei, dass es im vorliegenden Fall nicht um einen Verzicht auf bereits erworbene, durch keine Gegenleistung mehr bedingte Ansprüche des Arbeitnehmers – etwa auf bereits fällige Entgelt- oder Urlaubsansprüche – geht, sondern um eine ausdrücklich erklärte, die Rechtsstellung für die Zukunft teilweise verschlechternde einvernehmliche Vertragsänderung. Insoweit ist die von der Revision zitierte Judikatur nicht anwendbar.

Dass eine solche „Verschlechterungs-vereinbarung“ nur insoweit rechtswirksam sein kann, als auch der geänderte Vertragsinhalt den durch Gesetz, Kollektivvertrag oder Betriebsvereinbarung zwingend normierten Mindesterfordernissen entspricht, bedarf keiner besonderen Begründung. Innerhalb dieser Grenzen ist aber ihre Zulässigkeit von der Rechtsprechung ausdrücklich anerkannt worden (RIS-Justiz RS0034043 [T1]). Im konkreten Fall liegt – entgegen der Revision – in der Anwendung des KV neu aber kein Verstoß gegen höherrangige Normen, da das Gesetz diese Möglichkeit, sofern der Arbeitnehmer eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, ausdrücklich vorsieht.

Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Klägerin, die nicht behauptet, zum damaligen Zeitpunkt in Unkenntnis ihrer rechtlichen Position gewesen zu sein und die die Vereinbarung abschloss, weil sie mit der Beklagten keine Probleme haben wollte, habe sich in keiner relevanten Drucksituation befunden, ist vor diesem rechtlichen Hintergrund jedenfalls nicht unvertretbar.

4. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00047.17B.1128.000

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