VfGH vom 27.09.2014, B530/2013

VfGH vom 27.09.2014, B530/2013

Leitsatz

Abweisung der Beschwerde im Anlassfall

Spruch

I. Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

II. Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der Beschwerdeführer absolvierte am den in der Verordnung des Rektorats der Medizinischen Universität Wien über die Zulassungsbeschränkung zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin, Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 10. Stück, Nr 15, (im Folgenden: Zulassungsverordnung) idF Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 7. Stück, Nr 7, des Rektorats der Medizinischen Universität Wien vorgesehenen Eignungstest für das Medizinstudium (im Folgenden: EMS) für die Zulassung zum Diplomstudium der Humanmedizin. Nach der Auswertung des Tests durch das Zentrum für Testentwicklung und Diagnostik, Department für Psychologie der Universität Freiburg, Schweiz betrug der Testwert des Beschwerdeführers 106. Der Testwert wurde gemäß § 10 Abs 1 der Zulassungsverordnung geschlechtergetrennt, und zwar anhand einer in der Broschüre "Test Info 2012" abgedruckten Formel, aus der erreichten Gesamtpunkteanzahl, dem für den Beschwerdeführer zutreffenden Mittelwert und der für ihn maßgeblichen Standardabweichung berechnet. Auf Grund dieses Ergebnisses nahm der Beschwerdeführer auf der von der Medizinischen Universität Wien geführten Rangliste des EMS in der sogenannten "Österreicher-Quote" (siehe § 4 Abs 3 Z 1 der Zulassungsverordnung idF Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 7. Stück, Nr 7, bzw. § 4 Abs 2 Z 1 der Zulassungsverordnung idF Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 2. Stück, Nr 2) den Rangplatz 662 ein.

2. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung zum Diplomstudium der Human- und Zahnmedizin an der Medizinischen Universität Wien wurde vom Senat der Medizinischen Universität Wien mit Bescheid vom im Instanzenzug als unbegründet abgewiesen. Nach Maßgabe der mit der Änderung der Zulassungsverordnung, Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , Nr 2, 2. Stück, erweiterten Zahl der zur Verfügung stehenden Studienplätze für das Diplomstudium Humanmedizin und unter Berücksichtigung der Nachrückungen gemäß § 12 der Zulassungsverordnung sei, so die Begründung des Senats, in der für den Beschwerdeführer maßgeblichen Quote der letzte Studienplatz an den/die Studienwerber/in mit der Position 544 vergeben worden. Dem Beschwerdeführer, der den Rangplatz 662 eingenommen habe, habe daher kein Studienplatz zur Verfügung gestellt werden können. Im Falle einer Berechnung des Testwertes ohne genderspezifische Auswertung hätte der Beschwerdeführer Rang 520 eingenommen.

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung gestützte, zu B530/2013 protokollierte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. In der Beschwerde wird die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer gesetz- bzw. verfassungswidrigen Verordnung behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, beantragt. Begründend wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die genderspezifische Auswertung des EMS eine sachlich nicht gerechtfertigte Differenzierung auf Grund des Geschlechts darstelle und daher gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße.

Der Beschwerdeführer äußert auch Bedenken hinsichtlich der Zuständigkeit des Rektorats der Medizinischen Universität Wien zur Beschränkung von Studienplätzen in der Zulassungsverordnung. Gemäß § 124b Abs 6 UG sei nur die Bundesregierung dazu ermächtigt, die Zahl der Studienplätze für Studienanfängerinnen und Studienanfänger festzusetzen und die Rektorate zu ermächtigen, ein qualitatives Aufnahmeverfahren festzulegen.

Weiters sei die Regelung des § 124b Abs 1 UG 2002 nicht hinreichend bestimmt, da nur von "Aufnahmeverfahren" die Rede sei, ohne deren Kriterien näher zu bestimmen. Schließlich sei § 10 Abs 1 der Zulassungsverordnung nach Ansicht des Beschwerdeführers insofern zu unbestimmt, als nach der zum Zeitpunkt der Absolvierung des Tests durch den Beschwerdeführer geltenden Fassung der Zulassungsverordnung völlig unklar gewesen sei, wie die Rangfolge der Testteilnehmer erstellt zu werden und wer den Testwert zu ermitteln habe.

4. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der der Beschwerde u.a. mit folgenden Argumenten entgegengetreten wird: Das Rektorat sei zur Regelung von Zugangsbeschränkungen gemäß § 124b Abs 1 UG 2002 zuständig. Die nach Geschlechtern differenzierende Auswertung des Eignungstests solle eine Unausgewogenheit des Tests zulasten von Frauen ausgleichen und sei eine sachlich gerechtfertigte Maßnahme gemäß Art 7 Abs 2 B VG. Die Auswertungsmethode sei in der mit der Anmeldung zum EMS verfügbaren Testinformation genau beschrieben und durch die rückwirkend mit in Kraft getretene Novelle der Zulassungsverordnung in den Verordnungstext aufgenommen worden.

5. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 B VG in der bis zum Ablauf des geltenden Fassung von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 10 Abs 1 der Verordnung des Rektorats der Medizinischen Universität Wien über die Zulassungsbeschränkung zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin, Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 10. Stück, Nr 15, in der Fassung Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 2. Stück, Nr 2, ein. Mit Erkenntnis vom , V5/2014, sprach er aus, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung nicht verfassungswidrig war.

II. Erwägungen

1. Die Bedenken ob der sachlichen Rechtfertigung der in § 10 Abs 1 der Verordnung des Rektorats der Medizinischen Universität Wien über die Zulassungsbeschränkung zu den Diplomstudien Human- und Zahnmedizin, Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 10. Stück, Nr 15, in der Fassung Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 2. Stück, Nr 2, angeordneten genderspezifischen Auswertung des EMS haben sich als unbegründet erwiesen (). Dies gilt auch im Hinblick auf Art 14 EMRK iVm Art 2 1. ZPEMRK (siehe EGMR , Fall Altinay , Appl. 37.222/04; vgl. auch EGMR , Fall D.H. , Appl. 57.325/00, [Z175]).

2. Im Verordnungsprüfungsverfahren sind keine Bedenken ob der ausreichenden Determinierung der in § 124b Abs 1 UG 2002 vorgesehenen Ermächtigung an das Rektorat, unter Zugrundelegung der in der Leistungsvereinbarung zwischen der Universität und dem Bund vorgesehenen Kapazitäten (§13 Abs 2 litk UG 2002) Zugangsbeschränkungen entweder durch Aufnahmeverfahren vor der Zulassung oder durch Auswahl der Studierenden bis längstens zwei Semester nach der Zulassung zu regeln, entstanden (siehe , Rz 28). Das Rektorat ist zur Erlassung der Verordnung auch gemäß § 124b Abs 1 UG 2002 zuständig. Eine Zuständigkeit der Bundesregierung gemäß § 124b Abs 6 UG 2002 besteht demgegenüber in jenen dort näher geregelten Fällen, die nicht von § 124b Abs 1 UG 2002 erfasst sind (vgl. Erläut. zur RV 225 BlgNR 24. GP, 29 f., siehe auch Perthold-Stoitzner in Mayer [Hrsg.] Kommentar UG 2 , 2010, § 124b, II.1.).

3. Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid auf § 10 Abs 1 der Zulassungsverordnung in der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung in Geltung stehenden Fassung Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 2. Stück, Nr 2. Diese Fassung änderte die zum Zeitpunkt der Absolvierung des EMS durch den Beschwerdeführer in Geltung stehende Fassung des § 10 Abs 1 der Zulassungsverordnung, Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 7. Stück, Nr 7, lediglich dahingehend, dass die bereits in der Fassung Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 7. Stück, Nr 7, vorgesehene genderspezifische Testauswertung um die zuvor in einer an die Testteilnehmer und Testteilnehmerinnen versendeten Testinformation enthaltene Darstellung der Berechnung des Testwertes erweitert wurde. Die sohin im den Beschwerdeführer betreffenden Verfahren präjudizielle Fassung des § 10 Abs 1 der Zulassungsverordnung, Mitteilungsblatt der Medizinischen Universität Wien, , 2. Stück, Nr 2, (siehe , Rz 25) legt die konkrete Berechnungsmethode der durch das Zentrum für Testentwicklung und Diagnostik, Department für Psychologie der Universität Freiburg, Schweiz, vorzunehmenden genderspezifischen Auswertung des EMS dar. In Abs 2 und 3 regelt § 10 der Zulassungsverordnung die Erstellung der Ranglisten innerhalb des jeweiligen Kontingents nach § 4 der Zulassungsverordnung für die jeweilige Studienrichtung. Insofern treffen auch die diesbezüglichen, vom Beschwerdeführer geäußerten Bedenken ob der ausreichenden Bestimmtheit der genannten Regelungen der Zulassungsverordnung nicht zu.

4. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften im Lichte des vorliegenden rein innerstaatlichen Sachverhalts und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass der belangten Behörde ein in die Verfassungssphäre reichender Fehler unterlaufen ist, ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

III. Ergebnis

1. Die Beschwerde ist daher abzuweisen und gemäß Art 144 Abs 3 B VG in der mit in Kraft getretenen Fassung antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

3. Die von der belangten Behörde begehrten Kosten sind nicht zuzusprechen, da es nach Lage des Falles zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, einen Rechtsanwalt mit der Vertretung der Behörde zu betrauen (z.B. VfSlg 11.924/1988 mwN).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2014:B530.2013