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OGH vom 22.06.2010, 11Os55/10p

OGH vom 22.06.2010, 11Os55/10p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Spreitzer als Schriftführer in der Strafsache gegen Dejan R***** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach §§ 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 31 Hv 17/09x-59, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen weiteren, unbekämpft gebliebenen Freispruch des Angeklagten von einem Vorwurf in Richtung des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (I./) enthält, wurde Dejan R***** - soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung von der wider ihn erhobenen Anklage (ON 21), er habe „in St. Johann im Pongau und an anderen Orten gemeinsam mit dem abgesondert verfolgten Andelko J***** als Mittäter

II./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem den Cüneyt A***** durch die sinngemäße Äußerung, sie würden ihn und seine Familie verprügeln, wenn er ihrer Forderung, einen Kredit unter falscher Identität aufzunehmen und ihnen 10.000 Euro aus dem Realisat zu übergeben, nicht nachkomme, wobei sie ihm zur Betonung der Ernsthaftigkeit Bilder, die zusammengeschlagene, blutende Personen und den Angeklagten Dejan R***** als angeblichen Täter zeigen sollten, vorgehalten haben, durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, nämlich Verfügungsberechtigte der G***** AG durch Vortäuschen ein rückzahlungswilliger Kreditnehmer mit Namen „Burhan A*****“ zu sein, zur Auszahlung von 35.000 Euro zu verleiten, genötigt, welche dieses Unternehmen an seinem Vermögen geschädigt habe, wobei die Angeklagten mit dem Vorsatz gehandelt haben, sich durch das Verhalten der Verfügungsberechtigten der G***** AG unrechtmäßig zu bereichern;

III./ mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, wodurch die genannten Kreditinstitute in einem Betrag von 73.000 Euro und demnach einen 50.000 Euro übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen geschädigt wurden bzw werden sollten;

a./ durch die unter Punkt II./ oben beschriebene Tat den abgesondert verfolgten Cüneyt A***** dazu bestimmt und durch Übergabe der unten angeführten falschen bzw gefälschten Urkunden lautend auf „Burhan A*****“ zu dessen strafbarer Handlung beigetragen, der am Verfügungsberechtigte der G***** AG durch Vortäuschen, ein rückzahlungswilliger und rückzahlungsfähiger Kreditnehmer zu sein, wobei er (Cüneyt A*****) zur Täuschung über seine Identität eine falsche Urkunde, nämlich einen gefälschten Reisepass, eine falsche Meldebestätigung, eine falsche Gehalts- und Lohnbestätigung und ein von ihm mit dem Namen „Burhan A*****“ unterfertigtes Kreditantragsformular benützt habe, zur Auszahlung eines Kredits von 38.000 Euro verleitet und

b./ am Verfügungsberechtigte der G***** GesmbH durch Vortäuschen, ein rückzahlungsfähiger und rückzahlungswilliger Kreditnehmer namens „Erdem Y*****“ zu sein, wobei sie zur Täuschung über die Identität des Antragstellers falsche Urkunden, nämlich einen gefälschten belgischen Reisepass, eine falsche Meldebestätigung, eine falsche Gehalts- und Lohnbestätigung und einen mit falschen Namen unterfertigten Kreditantrag, benützt haben, zur Auszahlung von 35.000 Euro zu verleiten versucht;

IV./ zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem durch die sinngemäße Äußerung, sie würden Cüneyt A***** umbringen, falls er sie wegen der unter 1./ und 2./ [gemeint: II./ und III./] beschriebenen Taten der Polizei anzeigen werde, durch Drohung mit dem Tode zu einer Unterlassung, nämlich von der Anzeige Abstand zu nehmen, genötigt;

V./ zu einem unbekannten Zeitpunkt nach dem Andelko J***** als Geschäftsführer der A***** GesmbH und Dejan R***** als der faktische Geschäftsführer dieses Unternehmens dadurch, dass sie zwei unter Eigentumsvorbehalt stehende WC-Container im Wert von 35.520 Euro der B***** GmbH an einen unbekannten Ort verbracht haben, um alleine darüber wie Eigentümer zu verfügen, ein Gut, das ihnen anvertraut worden war, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern“

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte durch diese Taten das Verbrechen der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II./), das Verbrechen des schweren Betrugs, teils als Beteiligter nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 12 zweiter und dritter Fall, 15 StGB (IV./), das Verbrechen der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (IV./) und das Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB (V./) als verwirklicht angesehen.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft bekämpft diesen Freispruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider verfiel der seitens der Staatsanwaltschaft gestellte Antrag auf „Vertagung der Hauptverhandlung, nochmalige Ladung des Angeklagten Andelko J***** und Aufhebung seines Aufenthaltsverbots für den Zeitraum der Hauptverhandlung“ (S 11 in ON 55) zu Recht der Abweisung, zumal er weder ein Beweisthema noch ein Vorbringen zur Relevanz desselben für die Schuld- oder Subsumtionsfrage enthielt (§ 55 Abs 1 StPO; RIS-Justiz RS0107040; Ratz WK StPO § 281 Rz 327). Das in der Beschwerde hiezu nachgereichte Vorbringen muss unbeachtet bleiben, weil die Prüfung der Berechtigung eines Antrags stets auf den Antragszeitpunkt bezogen zu erfolgen hat (RIS Justiz RS0099618; Ratz WK-StPO § 281 Rz 325).

Soweit das Rechtsmittel zur Verlesung des Protokolls über die Vernehmung des Andelko J***** vor der Polizei (S 141 ff in ON 11) auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit (§ 13 StPO) sowie auf den Umstand hinweist, dass sich der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft gegen diese verwahrt hat (vgl ON 67), vermag sie auch keinen - aus § 281 Abs 1 Z 3 StPO beachtlichen ( Ratz WK-StPO § 281 Rz 195) Verstoß gegen das Beweiserhebungsverbot (Beweisgewinnungsverbot) des § 252 Abs 1 StPO zu nennen, zumal nicht dargetan wird, weshalb die in der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung nicht durch dessen Ausnahmesätze (Z 1 bis Z 4) gedeckt gewesen wäre (RIS Justiz RS0118778).

Der Mängelrüge (Z 5) ist grundsätzlich beizupflichten, dass das Gericht um dem Vorwurf der Unvollständigkeit zu entgehen das gesamte wesentliche Beweismaterial verwerten und formell einwandfrei dartun muss, weshalb es sich für die Glaubwürdigkeit der Verantwortung eines Angeklagten entscheidet und in die entgegengesetzte Richtung weisende Ergebnisse des Beweisverfahrens für belanglos oder weniger überzeugend hält (RIS-Justiz RS0098495, RS0098428). Die Kritik an der unterlassenen Würdigung der Angaben des Andelko J***** vor der Polizei, welcher ein Treffen zwischen ihm, Cüneyt A***** und dem Angeklagten im Jahre 2005 einräumte (S 145 in ON 11), unterlässt aber eine deutliche und bestimmte Bezeichnung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (§ 285a Z 2 StPO; RIS-Justiz RS0116879; Ratz , WK-StPO § 285d Rz 10). Welche konkreten Urteilskonstatierungen gerügt werden sollen, führt die Beschwerde nämlich nicht an. Dementsprechend verabsäumt sie auch eine nähere Darstellung, weshalb die fehlende Würdigung dieser Aussage einer für einen Schuldspruch ausreichenden Feststellung über entscheidende Tatsachen im Wege stand.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).