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VfGH vom 26.02.1982, B527/80

VfGH vom 26.02.1982, B527/80

Sammlungsnummer

9324

Leitsatz

EStG 1972; keine Bedenken gegen § 22 Abs 1 Z 1 und § 23 Z 1 Gewerbesteuergesetz 1953; keine Bedenken gegen § 1 Abs 1; keine denkunmögliche Anwendung; keine Willkür

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer betreibt auf Grund einer Gewerbeberechtigung zum Betrieb eines technischen Büros für Wohnraumgestaltung unter Ausschluß aller den staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikern sowie den konzessionierten Baumeistern vorbehaltenen Tätigkeiten in Lienz ein technisches Büro für Innenarchitektur.

Das Finanzamt Lienz ordnete mit Bescheid vom die im Jahre 1978 aus dieser Tätigkeit erzielten Einkünfte den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu und schrieb davon die Gewerbesteuer vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Die Finanzlandesdirektion für Tirol wies dieses Rechtsmittel mit Bescheid vom als unbegründet ab.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Erwerbsfreiheit behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.

3. Der Beschwerdeführer hat gegen den bekämpften Bescheid auch beim VwGH Beschwerde geführt. Dieser Gerichtshof hat die Beschwerde mit Erk. vom , Z 3237, 3238, 3315/80, als unbegründet abgewiesen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Erwerbsfreiheit nach Art 6 StGG verletzt.

In dieses Recht wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 7993/1977) nur dann eingegriffen, wenn einem Staatsbürger durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt wird.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer Einkommen- und Gewerbesteuer vorgeschrieben. Damit wurde aber nicht der Antritt oder die Ausübung einer bestimmten Erwerbsbetätigung untersagt.

Es ist daher ausgeschlossen, daß der Bescheid ihn im erwähnten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt hat.

2. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.

a) Der bekämpfte Bescheid setzt Abgaben fest; er greift daher in das Eigentumsrecht des Beschwerdeführers ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8428/1978) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.

b) Der angefochtene Bescheid ist nicht ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen. Er gründet sich vor allem auf § 22 Abs 1 Z 1 des Einkommensteuergesetzes 1972, BGBl. 440 (EStG 1972) und auf § 1 Abs 1 des Gewerbesteuergesetzes 1953, BGBl. 2/1954 (GewStG 1953).

§22 Abs 1 Z 1 EStG 1972 lautet auszugsweise:

"Einkünfte aus selbständiger Arbeit sind:

1. Einkünfte ... aus der Berufstätigkeit ... der staatlich befugten

und beeideten Ziviltechniker, der Architekten ... und aus einer

ähnlichen freiberuflichen Tätigkeit ..."

Dem § 1 Abs 1 GewStG 1953 zufolge unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen iS des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.

Gemäß § 23 Z 1 EStG 1972 zählen zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb "Einkünfte aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist".

c) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. VfSlg. 8958/1980 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im übrigen bringt auch der Beschwerdeführer selbst keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei Bescheiderlassung angewendeten Rechtsnormen vor.

d) Der angefochtene Bescheid könnte sohin das Eigentumsrecht nur bei denkunmöglicher und das Gleichheitsrecht nur bei willkürlicher Gesetzesanwendung verletzt haben.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde Willkür deshalb vor, weil sie von ihrer ständigen Rechtsprechung abgewichen sei.

Auch wenn die Behörde tatsächlich von ihrer bisher in ähnlich gelagerten Fällen ausgedrückten Rechtsmeinung abgegangen sein sollte, hat das Verfahren keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt und ihn dadurch willkürlich behandelt hätte (vgl. zB VfSlg. 8725/1980, S 16).

Im übrigen begründet der Beschwerdeführer den Vorwurf, die Behörde sei willkürlich und denkunmöglich vorgegangen, damit, daß die Behörde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt habe und daß es völlig verfehlt sei anzunehmen, die vom Beschwerdeführer ausgeübte Tätigkeit sei keine freiberufliche und die daraus erzielten Einkünfte seien nicht Einkünfte aus selbständiger Arbeit, sondern aus einem Gewerbebetrieb; dies deshalb, weil der Beschwerdeführer eine den Ziviltechnikern ähnliche freiberufliche Tätigkeit iS des § 22 Abs 1 Z 1 EStG ausübe.

Der angefochtene Bescheid setzt sich mit dieser Frage eingehend auseinander und kommt zu einem negativen Ergebnis. Die belangte Behörde meint, daß eine Tätigkeit "ähnlich" iS des § 22 Abs 1 Z 1 EStG 1972 sei, wenn sie in den wesentlichen Momenten mit dem typisierten Bild eines der in dieser Gesetzesbestimmung erwähnten freien Berufe übereinstimme. Dazu gehöre einerseits die fachliche Qualifikation durch entsprechende Ausbildung, andererseits eine tatsächliche Tätigkeit, die den wesentlichen und typischen Teil der Tätigkeiten umfaßt, zu denen die einschlägigen Vorschriften über den freien Beruf, zu dem Ähnlichkeit bestehen soll, berechtigen. Keine dieser Voraussetzungen liege beim Beschwerdeführer vor. Er sei ein Tischlermeister mit mehrjähriger Praxis; die von ihm ausgeübte Berufstätigkeit unterscheide sich von jener eines "Architekten als Ziviltechniker".

Diese Gesetzesauslegung der belangten Behörde ist nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. VfSlg. 8565/1979; s. auch das über die an den VwGH gerichtete Parallelbeschwerde ergangene Erk. vom , Z 3237, 3238, 3315/80). Dieser Auslegung allenfalls anhaftende Fehler wären jedenfalls nicht derart schwerwiegend, daß die darauf gegründete Entscheidung einer gesetzlosen gleichgehalten werden könnte. Ob die belangte Behörde den Sachverhalt richtig beurteilt hat, ist nicht vom VfGH zu entscheiden.

Die Behörde hat sohin das Gesetz nicht denkunmöglich angewendet. Damit scheidet auch aus, daß sie dadurch willkürlich vorgegangen wäre, daß sie die Rechtslage gehäuft verkannt hätte.

Die vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmängel reichen, selbst wenn sie tatsächlich vorgekommen sein sollten, nicht in die Verfassungssphäre.

Der Beschwerdeführer ist also im Eigentumsrecht und im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.

3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.