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OGH vom 30.06.2020, 11Os53/20h

OGH vom 30.06.2020, 11Os53/20h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter im Verfahren zur Unterbringung des Christoph S***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom , GZ 70 Hv 9/19x37, nach Anhörung der Generalprokuratur nichtöffentlich (§ 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Christoph S***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen.

Danach hat er am in G***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung (ICD10: F 22), beruht, seine Mutter Anneliese S***** und deren Lebensgefährten Wolfgang M***** gefährlich mit dem Tod bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er gegenüber Eva O***** sinngemäß äußerte, er werde seine Mutter und deren Freund töten, sobald er aus der Krankenanstalt entlassen werde, und dadurch eine Tat begangen, die als Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 erster Fall StGB mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist.

Dagegen wendet sich die auf Z 4, 5a und 9 [lit] a des § 281 Abs 1 (§ 433 Abs 1) StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge ([Z 11 erster Fall iVm] Z 4) zuwider wurden durch die Abweisung (ON 36 S 7 f) des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags des Betroffenen auf „Abberufung des Sachverständigen Prof. W*****“ und „Bestellung eines neuen Sachverständigen aus dem Bereich Neurologie und Psychiatrie“ zur Durchführung einer „neue[n] Exploration“ (ON 29 S 15) Verteidigungsrechte nicht geschmälert.

Der Antrag wurde (allein) mit „offenbar“ bestehenden „Differenzen zwischen dem Betroffenen und dem Sachverständigen“ begründet. Damit wurden weder konkrete Anhaltspunkte für eine Befangenheit (§ 126 Abs 4 StPO) aufgezeigt noch mangelnde Sachkunde (vgl § 126 Abs 5 StPO) des vom Gericht bestellten Experten (auch nur) behauptet. Soweit er darauf gerichtet war, die – (hier) in dessen Vernehmung (§ 247 StPO) bestehende – Beiziehung des Sachverständigen zur Hauptverhandlung zu verhindern (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 370), verfiel er schon deshalb zu Recht der Abweisung. Als Begehren um Beiziehung eines „neuen“ Sachverständigen wiederum nannte er – entgegen § 55 Abs 1 zweiter Satz StPO – kein Beweisthema (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 327; RIS-Justiz RS0099301; zu den Voraussetzungen der Statthaftigkeit von auf Mangelhaftigkeit eines bereits erstatteten Sachverständigengutachtens gestützten Anträgen auf Beiziehung eines weiteren Experten [§ 127 Abs 3 erster Satz StPO] siehe im Übrigen RIS-Justiz RS0117263, jüngst 13 Os 19/20y; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 373).

Dass (aus Z 3 relevant) der Hauptverhandlung entgegen § 430 Abs 4 StPO kein Sachverständiger (§ 429 Abs 2 Z 2 StPO) zur Klärung der Unterbringungsvoraussetzungen beigezogen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 260) worden wäre oder die Enthebung des beigezogenen Experten trotz Vorliegen eines Befangenheitsgrundes gemäß § 47 Abs 1 Z 1 oder 2 StPO iVm § 126 Abs 4 zweiter Satz StPO zu Unrecht unterblieben wäre, wird ohnedies nicht behauptet.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) bekämpft die Feststellungen zur auf Kenntnisnahme der Adressaten von der Drohung und darauf, sie dadurch in Furcht und Unruhe zu versetzen, gerichteten Absicht des Betroffenen (US 5 f). Sie verweist auf eine – vom Erstgericht ohnedies gewürdigte (US 8) – Passage der Aussage der Zeugin O***** und auf die Angaben weiterer Zeugen, die inkriminierte Äußerung nicht wahrgenommen zu haben. Damit gelingt es ihr nicht, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der betreffenden Feststellungen zu wecken, die das Erstgericht – von der Rüge prozessordnungswidrig missachtet (RIS-Justiz RS0117961 [T1, T 3]) – auch auf die Einlassung des Betroffenen selbst stützte (wonach er „herumgeschrien“ habe, die „Lautstärke dementsprechend“ gewesen sei und das „jeder gehört haben“ müsste; US 8).

Dass die Tat aus Beschwerdesicht „nicht nachvollziehbar“ erscheint, stellt keinen Nichtigkeitsgrund her.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet die begründete Besorgniseignung (§ 74 Abs 1 Z 5 StGB; RIS-Justiz RS0092160, RS0092448) der Ankündigung des Betroffenen, seine Mutter und ihren Freund „heimzudrehen“ (mit dem konstatierten Bedeutungsinhalt „einer ernst gemeinten Ankündigung eines bevorstehenden Anschlages auf ihr Leben“ – US 5), indem sie auf die Anhaltung des Betroffenen in der „geschlossenen Psychiatrie“ (US 4 f) und die bloß mittelbare Kenntnisnahme durch die Bedrohten (US 5) hinweist. Sie legt nicht aus dem Gesetz abgeleitet dar (RIS-Justiz RS0116569), aus welchem Grund es bei der Beurteilung dieser Rechtsfrage auf die (unmittelbare) Realisierbarkeit des angedrohten Übels (vgl RIS-Justiz RS0092519, RS0092551, RS0092687) oder darauf ankommen sollte, dass die Bedrohten tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurden (vgl RIS-Justiz RS0092753).

Der Einwand, das Schöffengericht gehe „[r]echtsirrig“ „davon aus, dass der Betroffene unter dem Einfluss seiner geistigen bzw. seelischen Abartigkeit höheren Grades auch in Zukunft eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde“ (nominell Z 9 lit a), zeigt (auch) keinen aus Z 11 beachtlichen Urteilsfehler auf (vgl dazu Ratz, WK-StPO § 281 Rz 715 ff und in WK2 StGB Vor § 21–25 Rz 8 f; zur Eignung der Prognosetat siehe RIS-Justiz RS0116500). Vielmehr stellen die Beschwerdeerwägungen zur Plausibilität der Gefährlichkeitsprognose bloß ein Berufungsvorbringen dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 285d Abs 1 StPO schon nach nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufung folgt (§ 285i StPO).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:0110OS00053.20H.0630.000

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