OGH vom 06.12.2016, 18OCg5/16h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr, Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätin Hon. Prof. Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** S.A., *****, vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LL.P. Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. D***** A*****, vertreten durch Wildmoser Koch Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und die Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei 1. Dr. G***** Z*****, vertreten durch zeiler.partners Rechtsanwälte GmbH in Wien, sowie 2. Dr. M***** N*****, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 3.737.590 EUR) nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:
Spruch
Das Begehren auf Aufhebung des am im Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich mit der AZ Sch 5389 erlassenen Schiedsspruchs wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.369,32 EUR (darin 2.562,55 EUR USt), dem Nebenintervenienten Dr. Z***** die mit 12.896,30 EUR (darin 2.121,38 EUR USt, 168 EUR Barauslagen) und dem Nebenintervenienten Dr. N***** die mit 17.830,17 EUR (darin 2.971,70 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beklagte hatte der Klägerin von 2009 bis 2012 in drei Tranchen Geschäftsanteile an einer (später insolvent gewordenen) Baugesellschaft um rund 92 Mio EUR verkauft. Anfang 2012 hielt er noch einen Anteil von etwa 13,5 %, den er am um rund 53 Mio EUR ebenfalls der Klägerin verkaufte.
Mit Schiedsklage vom begehrte der Beklagte von der Klägerin die vom letztgenannten Kaufpreis noch aushaftenden 3.737.590 EUR. Die Klägerin wandte unter anderem ein, dass sie den Kaufvertrag aufgrund ihres „Verhaltenskodex“ nicht geschlossen hätte, wenn sie gewusst hätte, dass sich der Beklagte bei mehreren Bauprojekten unlauterer Praktiken bedient hätte. Dies habe er ihr arglistig verschwiegen, weswegen sie nun den Kaufvertrag anfechte. Der Beklagte bestritt im Schiedsverfahren unter anderem die Kausalität eines allfälligen Irrtums für den Abschluss des Vertrags.
Mit dem nun angefochtenen Schiedsspruch verpflichtete das Schiedsgericht die Klägerin zur Zahlung des noch aushaftenden Kaufpreisteils. Es nahm zwar an, dass der Beklagte der Klägerin bewusst verschwiegen habe, dass er bei zwei Projekten unlautere Praktiken angewendet habe. Der dadurch bei der Klägerin verursachte Irrtum sei jedoch nicht kausal für den Vertragsabschluss gewesen; die Klägerin hätte die Geschäftsanteile auch dann erworben, wenn sie von den unlauteren Geschäftspraktiken gewusst hätte. Die Klägerin habe gewusst, dass der Beklagte wegen Bestechung bei einem anderen Projekt zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt worden sei; auch das habe sie nicht davon abgehalten, mit ihm einen Vertrag zu schließen.
Die Klägerin beantragt die Aufhebung dieses Schiedsspruchs. Der Beklagte habe im Schiedsverfahren nicht vorgebracht, dass die Klägerin von seiner Verurteilung gewusst habe. Vielmehr habe er dieses Vorbringen erst in einem post hearing brief erstattet. Dies sei jedoch unzulässig gewesen, weil das Schiedsgericht ein vor diesem post hearing brief liegendes cut off date festgelegt habe. Der Klägerin sei daher ein Gegenvorbringen „verwehrt“ gewesen. Daher habe die Klägerin in einem weiteren Schriftsatz die Zurückweisung dieses Vorbringens beantragt. Dem sei das Schiedsgericht jedoch nicht gefolgt. Durch die Berücksichtigung des Vorbringens habe das Schiedsgericht das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt (§ 611 Abs 2 Z 2 ZPO) und gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen (§ 611 Abs 2 Z 5); weiters habe es dadurch auch seine Entscheidungsbefugnis überschritten (§ 611 Abs 2 Z 3 ZPO). Es liege nicht bloß eine überraschende Rechtsansicht vor, sondern das Schiedsgericht habe Feststellungen ohne entsprechendes Sachvorbringen und ohne Möglichkeit der Klägerin getroffen, darauf zu replizieren. Bei der strittigen Feststellung habe es sich um den tragenden Grund für das Verwerfen der Irrtumseinrede gehandelt; zudem sei die Gehörsverletzung schon dann relevant, wenn sie abstrakt geeignet sei, zu einem anderen Ergebnis zu führen. Jedenfalls müsse der Aufhebungskläger aber nur nachweisen, dass die Relevanz nicht ausgeschlossen sei. Die Berücksichtigung nicht durch Vorbringen gedeckter Beweisergebnisse verstoße jedenfalls dann gegen den ordre public, wenn es sich um „fallentscheidende“ Beweisergebnisse handle. Notorisch sei allenfalls die Verurteilung des Beklagten gewesen, wobei die Klägerin nicht bestreite, davon gewusst zu haben; entscheidend sei, „welche Wirkung diese Verurteilung auf die Klägerin hatte bzw welche Maßnahmen sie ergriffen hätte.“ Aus einer vereinzelt gebliebenen Frage des Schiedsgerichts an den – als Zeugen vernommenen – Beklagten habe die Klägerin nicht ableiten können, dass deren Gegenstand relevant sein könnte.
Der Beklagte beantragt die Abweisung der Aufhebungsklage. Der Beklagte habe im Schiedsverfahren vorgebracht, dass eine allfällige Irreführung der Klägerin nicht kausal für den Vertragsabschluss gewesen sei. Im Verfahren habe er auf Befragen durch das Schiedsgericht ausgesagt, dass der Klägerin seine Verurteilung wegen Bestechung von Auftraggebern bekannt gewesen sei. Im post hearing brief habe er nicht etwa ein neues Vorbringen erstattet, sondern lediglich auf dieses Beweisergebnis hingewiesen und daraus abgeleitet, dass ein allfälliges Verschweigen von (anderen) unlauteren Verhaltensweisen nicht kausal für den Vertragsabschluss gewesen sei. Es sei gerade der Zweck von post hearing briefs , den Parteien die Interpretation von Beweisergebnissen zu ermöglichen. Zudem habe das Schiedsgericht das Vorliegen eines relevanten Irrtums auch aus anderen Gründen verneint. Denn nach seiner weiteren Begründung hätte es die Klägerin gerade dann, wenn ihr an ihrem „Verhaltenskodex“ gelegen gewesen wäre, vermeiden müssen, in einer gesellschaftsrechtlichen Beziehung mit dem Beklagten zu bleiben; sie hätte daher die verbliebenen Geschäftsanteile bei Kenntnis der unlauteren Praktiken umso mehr erwerben müssen. Auch das habe nach Auffassung des Schiedsgerichts gegen die Kausalität des Irrtums gesprochen.
Die Schiedsrichter Dr. Z***** und Dr. N***** traten dem Aufhebungsverfahren auf Seiten des Beklagten als Nebenintervenienten bei. Sie schlossen sich im Wesentlichen dessen Vorbringen an. Dr. Z***** führte weiters aus, dass eine Aussage zwar nach der Rechtsprechung zum nationalen Verfahrensrecht nicht Vorbringen ersetzen könne, dies aber für das Schiedsverfahren nicht gelte. Dr. N***** verwies darauf, dass die Verurteilung des Beklagten notorisch gewesen sei, weswegen es schon nach § 269 ZPO keines diesbezüglichen Vorbringens bedurft habe.
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die von den Parteien vorgelegten Urkunden. Auf dieser Grundlage wird folgender weiterer Sachverhalt festgestellt :
Der Beklagte hatte sich im Schiedsverfahren auf die mangelnde Kausalität einer allfälligen Irreführung berufen. Dazu hatte er unter anderem vorgebracht, dass die Klägerin dann, wenn sie tatsächlich auf ihren „Verhaltenskodex“ Wert gelegt hätte, die verbliebenen Geschäftsanteile bei Kenntnis von unlauteren Praktiken des Beklagten umso mehr hätte erwerben müssen, um eine weitere gesellschaftsrechtliche Beziehung mit ihm zu vermeiden (Schriftsatz Beilage ./27, Rz 65).
In der Schiedsverhandlung am 8. und (Protokoll Beilage ./28, S 189 ff) fragte der Vorsitzende des Schiedsgerichts den Beklagten, ob es richtig sei, dass er im Jahr 2006 vom Landgericht München wegen Bestechung eines Auftraggebers zu einer zweijährigen bedingten Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe von 1,8 Mio EUR verurteilt worden sei. Nachdem der Beklagte dies bejaht hatte, fragte ihn der Vorsitzende, ob dies der Klägerin bewusst gewesen sei, was der Beklagte ebenfalls bejahte. Die Klägerin sei fasziniert vom Projekt gewesen, auf das sich die Verurteilung bezogen habe. Es habe Aussagen darüber gegeben, was er getan und was er nicht getan habe. Man könne niemanden mehr Information über eine „Gesellschaft“ (gemeint im Kontext offenkundig: über sein Verhalten bei diesem Projekt) geben als diese.
Im post hearing brief vom verwies der Beklagte auf diese Aussage und leitete daraus ab, dass die Klägerin tatsächlich ihren eigenen Verhaltenskodex nicht befolgt habe. Daraus folge, dass sie den Abschluss des der Klage zugrunde liegenden Anteilskaufvertrags auch bei Kenntnis seines (anderen) unlauteren Verhaltens nicht abgelehnt hätte. Die Klägerin rügte dieses Vorbringen mit Schreiben vom als „verspätet“ (Beilage ./G): Es handle sich dabei um neues „Tatsachenvorbringen“, das nach dem cut off date erstattet worden sei und daher nicht beachtet werden dürfe. Aus diesem Grund beantrage sie dessen Zurückweisung. Die Klägerin erstattete kein Gegenvorbringen und beantragte auch nicht, ihr die Möglichkeit dazu zu gewähren.
Im Schiedsspruch (Beilage ./A) verneinte das Schiedsgericht die Kausalität einer allfälligen Irreführung durch den Beklagten. Es bezog sich dabei insbesondere auf die Verurteilung des Beklagten durch das Landgericht München, wobei es die diesbezügliche Kenntnis der Klägerin nicht nur aus der Aussage des Beklagten, sondern aus dem Umstand ableitete, dass das Verfahren „beträchtliche Beachtung in den Medien“ gefunden habe (Rz 395). Abgesehen davon hätte die Klägerin den Vertrag selbst dann geschlossen, wenn der Beklagte nicht verurteilt worden wäre oder wenn die Klägerin – trotz der Erkenntnismöglichkeit aufgrund einer einfachen Internetrecherche – davon nichts gewusst hätte: Hätte die Klägerin unlautere Praktiken des Beklagten tatsächlich entsprechend ihrem Verhaltenskodex verurteilt, so hätte sie zur Vermeidung weiterer Schäden für ihre Reputation die gesellschaftsrechtlichen Beziehungen mit ihm umso mehr beenden und zu diesem Zweck die verbliebenen Anteile erwerben müssen (Rz 397). Im Ergebnis schiebe die Klägerin ihren Verhaltenskodex nur vor, weil sie den Kaufpreis aus wirtschaftlichen Gründen (Insolvenz des Unternehmens) nicht zur Gänze zahlen wolle (Rz 396).
Diese Feststellungen gründen sich auf die jeweils genannten Urkunden. Einander widersprechende Beweisergebnisse gab es nicht.
Rechtliche Beurteilung
Rechtlich folgt:
1. Die Aufhebungsgründe des § 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO sind nicht verwirklicht.
1.1. Nach § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ist der Schiedsspruch aufzuheben, wenn das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspricht; § 611 Abs 2 Z 2 ZPO regelt mit dem Entzug des rechtlichen Gehörs einen besonderen Fall dieses Tatbestands (18 OCg 3/16i). Beide Aufhebungsgründe sind nur erfüllt, wenn gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens verstoßen wurde. Einen Anhaltspunkt bilden dabei die Nichtigkeitsgründe des Zivilprozessrechts. Nur ein Mangel des Schiedsverfahrens, der diesen Gründen gleichkommt, kann zur Aufhebung führen (18 OCg 3/16i mwN). Im Aufhebungsverfahren ist daher – anders als nach § 1052 Abs 2 lit d dZPO – nicht zu prüfen, ob das Schiedsverfahren den verfahrensrechtlichen Bestimmungen der §§ 594 ff ZPO oder einer diesbezüglichen Vereinbarung zwischen den Parteien (insb dem vereinbarten Regulativ einer Schiedsinstitution) entsprochen hat. Prüfungsmaßstab sind vielmehr die Mindesterfordernisse eines fairen Verfahrens, wie sie sich aus Art 6 EMRK und jenen Wertungen ergeben, die auch dem Verfahren vor den staatlichen Gerichten zugrunde liegen.
1.2. Litt das Schiedsverfahren unter einem derart schwerwiegenden Mangel, wird das in der Regel zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen. Anderes gilt aber dann, wenn sich aus der Begründung des Schiedsspruchs die fehlende Relevanz dieses Mangels für die Entscheidung des Schiedsgerichts ergibt.
(a) Zwar ist das im österreichischen Recht – anders als in § 1052 Abs 2 lit d dZPO – nicht ausdrücklich angeordnet. Daraus könnte abgeleitet werden, dass eine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public zwingend zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen muss ( Liebscher in Liebscher/Oberhammer/Rechberger , Schiedsverfahrensrecht II Rz 11/119; ähnlich Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 611 Rz 107: „Möglichkeit“ der Relevanz genügt). Im Regelfall wird das auch zutreffen: Der Tatbestand des § 611 Abs 2 Z 2 oder Z 5 ZPO ist ohnehin nur bei gravierenden Verfahrensmängeln erfüllt, sodass es – der Wertung des staatlichen Zivilprozesses entsprechend (§ 477 ZPO) – nicht angebracht ist, die im Verfahren unterlegene Partei auch noch mit der Darlegung der (tatsächlichen oder zumindest möglichen) Relevanz zu belasten. Dafür spricht auch der Umstand, dass dem Gesetzgeber das in § 1052 Abs 2 lit d dZPO enthaltene Relevanzerfordernis bekannt war (vgl die Erl zum der RV zugrunde liegenden Entwurf des Ludwig-Boltzmann-Instituts, abgedruckt bei: Kloiber/Rechberger/ Oberhammer/Haller , Das neue Schiedsrecht [2006] 322 f), er aber dennoch keine vergleichbare Regelung getroffen hat.
(b) Dennoch ist nicht nur wegen des Ausnahmecharakters der Aufhebungsgründe eine differenzierte Sichtweise geboten. Im Schiedsverfahren ist nach einer erfolgreichen Aufhebungsklage keine Zurückverweisung an das Schiedsgericht vorgesehen ( Hausmaninger in Fasching/Konecny 3 § 611 Rz 204; Liebscher in Liebscher/Oberhammer/Rechberger , Schiedsverfahrensrecht II Rz 11/108). Eine erfolgreiche Aufhebungsklage führt daher – anders als eine Nichtigkeitsberufung – auch dann zur vollständigen Vernichtung des Verfahrensaufwands, wenn sich der geltend gemachte Mangel nur auf einen Teil des Verfahrens oder des Streitgegenstands bezieht. Das spricht dagegen, § 611 Abs 2 Z 2 oder Z 5 ZPO auch dann greifen zu lassen, wenn sich aus der Begründung des Schiedsgerichts die fehlende Relevanz des vom jeweiligen Verfahrensmangel erfassten Punktes ergibt. Für ein solches Ergebnis gäbe es keine sachliche Rechtfertigung: Zweck der auf den ordre public bezogenen Aufhebungsgründe (§ 611 Abs 2 Z 2, Z 5 und Z 8 ZPO) ist die Beseitigung von Schiedssprüchen, deren Weiterbestand nach den Wertungen des nationalen Rechts im Ergebnis unerträglich wäre. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn sich schon aus der Begründung des Schiedsspruchs ergibt, dass ein – wenngleich gravierender – Verfahrensmangel für dieses Ergebnis letztlich irrelevant war. Das trifft insbesondere dann zu, wenn der Mangel nur einen nicht tragenden Teil der Begründung betrifft (vgl 18 OCg 2/14i, P 3.2).
1.3. Darauf aufbauend scheitert das auf § 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO gestützte Aufhebungsbegehren aus mehreren Gründen.
(a) Der Beklagte hatte vorgebracht, dass allfällige Täuschungshandlungen nicht kausal für den Abschluss des der Klage zugrunde liegenden Vertrags gewesen seien, die Klägerin war dem (insbesondere) unter Hinweis auf ihren Ethikkodex entgegengetreten. Die Annahmen des Schiedsgerichts zum Kenntnisstand der Klägerin dienten der Beurteilung dieser Kausalitätsfrage. Sie halten sich im Rahmen des Vorbringens des Beklagten und wären daher auch im Zivilprozess beachtlich gewesen (RIS Justiz RS0040318). Umso weniger liegt in der Vorgangsweise des Schiedsgerichts ein Verstoß gegen Mindesterfordernisse eines fairen Verfahrens.
(b) Zudem konnte die Klägerin auf den post hearing brief des Beklagten replizieren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt musste für sie aber erkennbar sein, dass ihr – im Aufhebungsverfahren nicht mehr bestrittener – Kenntnisstand zu einem wesentlichen Projekt des Beklagten Auswirkungen auf die Beurteilung ihrer eigenen Glaubwürdigkeit haben konnte. Dass sie in ihrer Replik nicht dazu Stellung nahm, sondern sich auf formale Argumente (Unzulässigkeit des Vorbringens) beschränkte, kann nicht dem Beklagten zur Last fallen.
(c) Abgesehen davon hatte das Schiedsgericht sein Ergebnis nicht nur auf die Kenntnis der Klägerin von der Verurteilung des Beklagten, sondern auch auf weitere Gründe gestützt. Insbesondere hatte es ausgeführt, dass die Klägerin den strittigen Vertrag auch und gerade in Kenntnis vom Fehlverhalten des Beklagten hätte schließen müssen, weil sie nur so eine mit ihrem Ethikkodex nicht vereinbare weitere gesellschaftsrechtliche Verflechtung mit ihm beenden konnte. Diese den Schiedsspruch für sich allein tragende Begründung wird in der Aufhebungsklage nicht bekämpft. Der behauptete Gehörverstoß war daher schon nach der Begründung des Schiedsspruchs nicht relevant für den Ausgang des Verfahrens.
2. Weshalb der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 1 Z 3 ZPO verwirklicht sein soll, ist nicht erkennbar. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass die Schiedsklage nicht unter die Schiedsklausel des Anteilskaufvertrags gefallen wäre. Auch das Rechtsschutzbegehren des Beklagten wurde nicht überschritten: Das Schiedsgericht ist schlicht seinem Standpunkt gefolgt, dass eine allfällige Irreführung nicht kausal für den Vertragsabschluss gewesen sei.
3. Aus diesen Gründen muss die Aufhebungsklage scheitern.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Die zur Gänze unterlegene Klägerin hat dem Beklagten und den auf seiner Seite beigetretenen Nebenintervenienten die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlichen Kosten zu ersetzen. Da es sich um ein erstinstanzliches Verfahren handelte, ist auch das Verrichten der Verhandlung (nur) nach TP 3A RATG zu honorieren.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:018OCG00005.16H.1206.000