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OGH vom 30.07.2019, 10ObS31/19k

OGH vom 30.07.2019, 10ObS31/19k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Faber, sowie die fachkundigen Laienrichter KAD Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei V*****, vertreten durch Mag. Eric Breiteneder, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Invaliditätspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 5/19t-78, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage der Zuerkennung der Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab dem Stichtag gemäß § 255 Abs 1 ASVG.

Die Vorinstanzen begründeten die Abweisung des Klagebegehrens im Zusammenhang mit dem behaupteten Berufsschutz des Klägers damit, dass der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag keine 90 Beitragsmonate der Pflichtversicherung erworben habe und daher keinen Berufsschutz genieße. Eine Rahmenfristerstreckung wegen Arbeitslosigkeit komme nicht in Betracht.

Der Revisionswerber leitet die angestrebte Verlängerung des Rahmenzeitraums gemäß § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG aus der Entscheidung 10 ObS 12/14h (SSVNF 28/13) ab.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

1. Der Oberste Gerichtshof hat zu der vom Revisionswerber aufgeworfenen Rechtsfrage bereits wiederholt – zu 10 ObS 8/15x SSVNF 29/10; bestätigt zu 10 ObS 14/18h – Stellung genommen. Gründe, von dieser Rechtsprechung abzugehen, werden in der außerordentlichen Revision des Klägers nicht aufgezeigt.

2.1. Gemäß § 255 Abs 1 und 2 ASVG in der seit geltenden Fassung (BBG 2011, BGBl I 2010/111) ist es grundsätzlich erforderlich, dass ein Versicherter mindestens 90 Pflichtversicherungsmonate der Ausübung eines qualifizierten Berufs innerhalb von 15 Jahren vor dem Stichtag nachweisen kann.

2.2. Liegen zwischen dem Ende der Ausbildung und dem Stichtag mehr als 15 Jahre, so verlängert sich gemäß § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG der in § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG genannte Rahmenzeitraum um die in diesem Zeitraum liegenden Versicherungsmonate nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a, d, e und g ASVG, um Monate des Bezugs von Übergangsgeld nach § 306 ASVG sowie um höchstens 60 Monate des Bezugs von Rehabilitationsgeld nach § 143a ASVG und von Umschulungsgeld nach § 39b AlVG.

2.3. Für die Frage der Erhaltung des Berufsschutzes hat der Oberste Gerichtshof das Vorliegen einer planwidrigen Gesetzeslücke in § 255 Abs 2 ASVG bejaht, die im Hinblick auf das Gebot der verfassungskonformen Interpretation im Weg der analogen Anwendung des § 255 Abs 4 Z 1 ASVG zu schließen ist: Demnach wird der Rahmenzeitraum des § 255 Abs 2 ASVG auch um (neutrale) Zeiten des Bezugs einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit (§ 234 Abs 1 Z 2 lit a ASVG) verlängert (10 ObS 12/14h SSVNF 28/13; 10 ObS 14/18h; RS0129361).

2.4. Der Oberste Gerichtshof stellte aber auch klar, dass eine – eine Analogie ermöglichende – planwidrige Lücke des § 255 Abs 2 Satz 4 ASVG im Hinblick auf Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht vorliegt (10 ObS 8/15x SSVNF 29/10; 10 ObS 14/18h; RS0130003).

2.5. Maßgeblich für die unterschiedliche Behandlung von in den Rahmenzeitraum des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG fallenden Zeiten des Bezugs einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und von Zeiten der Arbeitslosigkeit ist, dass der Versicherte während des Bezugs von Arbeitslosengeld (und Notstandshilfe) grundsätzlich arbeitsfähig sein muss (10 ObS 14/18h). Die zu 10 ObS 12/14h als ausschlaggebend angesehene Wertung – die Vermeidung der Diskriminierung behinderter Menschen, die durch den Bezug einer (befristeten) Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit nicht Gefahr laufen sollen, einen bestehenden Berufsschutz zu verlieren, weil sie während der Zeit des Pensionsbezugs arbeitsunfähig sind und aus diesem Grund keine Möglichkeit haben, Pflichtversicherungsmonate aufgrund von Erwerbstätigkeit zu erwerben (10 ObS 12/14h; vgl 10 ObS 14/18h) – kommt für Zeiten der Arbeitslosigkeit nicht zum Tragen.

3.1. Die Rechtsansicht des Revisionswerbers, aus der Entscheidung 10 ObS 12/14h könne die von ihm angestrebte Erstreckung der Rahmenfrist des § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG um Zeiten der Arbeitslosigkeit abgeleitet werden, findet in der genannten Entscheidung keine Deckung. Diese Ansicht wurde vielmehr vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach abgelehnt (10 ObS 8/15x SSVNF 29/10; 10 ObS 14/18h).

3.2. Die in der außerordentlichen Revision angeführte Entscheidung 10 ObS 2334/96z SSVNF 11/44 behandelt nicht die Erstreckung des Rahmenzeitraums gemäß § 255 Abs 2 Satz 2 ASVG.

3.3. Die Rahmenfristerstreckung des § 236 Abs 3 ASVG um neutrale Zeiten gemäß § 234 ASVG betrifft die Erfüllung der Wartezeit. Der Zweck dieser Regelung liegt im Erhalt der Anwartschaft (Panhölzl in SVKomm [205. Lfg] § 234 ASVG Rz 8), steht aber in keinem Zusammenhang mit dem Erwerb oder dem Erhalt des Berufsschutzes.

4. Da der Revisionswerber mit seinem Vorbringen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt, ist seine außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00031.19K.0730.000

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