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OGH vom 23.02.2016, 18OCg3/15p

OGH vom 23.02.2016, 18OCg3/15p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr, Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätin Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G *****, vertreten durch WOLFF THEISS Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei (nunmehr) A***** GMBH, *****, vertreten durch Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert: 35.000 EUR), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1. Die Bezeichnung der beklagten Partei wird von „A***** GMBH“ auf „A***** GMBH“ berichtigt.

2. Der Antrag der klagenden Partei, das Verhandlungsprotokoll vom in näher bezeichneter Weise zu berichtigen, wird abgewiesen.

3. Das Klagebegehren auf Aufhebung des Schiedsspruchs vom im Schiedsverfahren nach der Schiedsordnung des Internationalen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich mit der Geschäftszahl SCH 5365 wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.768,44 EUR (darin 460,74 EUR USt und 4 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu 1.:

Nach der am mit Gesellschafterbeschluss beschlossenen und am zu FN ***** im Firmenbuch eingetragenen Änderung der Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft wurde der Firmenwortlaut der beklagten Partei von „A***** GMBH“ geändert in „A***** GMBH“. Die Parteibezeichnung war daher im Einvernehmen mit den Streitteilen gemäß § 235 Abs 5 ZPO zu berichtigen.

Zu 2.:

Gemäß § 209 Abs 1 ZPO ist in jedes Protokoll über eine mündliche Verhandlung nebst den Angaben, welche den Gang der Verhandlung im Allgemeinen erkennen lassen, der Inhalt des auf den Sachverhalt sich beziehenden Vorbringens in gedrängt zusammenfassender Darstellung aufzunehmen, wobei nach § 210 Abs 1 ZPO auf bereits vorhandene vorbereitende Schriftsätze verwiesen werden kann.

Das Verhandlungsprotokoll vom entspricht sowohl seiner Form als auch seinem Inhalt nach diesen Voraussetzungen. Die Protokollierung gibt im Zusammenhalt mit den vorbereitenden Schriftsätzen , auf welche die klagende Partei verwiesen hat, das Prozessvorbringen der klagenden Partei vollständig und korrekt wieder. Der Senat sieht sich daher zu einer Korrektur einzelner Formulierungen des Protokolls, wie sie die klagende Partei begehrt, nicht veranlasst.

Die Einwendungen der klagenden Partei in ihrem hilfsweise erhobenen Widerspruch wurden in einem Anhang zum Protokoll bemerkt (§ 212 Abs 2 ZPO).

Von der Abweisung des Protokoll-berichtigungsantrags ist auch das Kostenersatzbegehren für diesen Antrag umfasst.

Zu 3.:

Gegenstand des Rechtsstreits ist die Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs des angerufenen Schiedsgerichts aus den Anfechtungsgründen des § 611 Abs 2 Z 2, 3, 5 und 8 ZPO.

Folgender Sachverhalt ist unstrittig:

Die klagende Partei ist eine bulgarische Aktiengesellschaft, die als Holding mehrere Unternehmen im Bereich der Agrarindustrie hält. Die beklagte Partei ist eine österreichische GmbH, die sich auf die Herstellung und den Vertrieb von Saatgut sowie auf Investitionen in Zentral- und Osteuropa spezialisiert hat.

Am schlossen die Parteien den in englischer Sprache verfassten, nachfolgend auszugsweise in deutscher Übersetzung wiedergegebenen Vertrag Nr. SOF 001/ über die „verbindliche Vermittlung eines Anteilskaufs“ ( mandatory agency at purchasing of shares ), im Folgenden kurz: Maklervertrag. Vertragsgegenstand war der Auftrag der klagenden an die beklagte Partei, mindestens drei Kaufinteressenten für mindestens 60 % der Unternehmensanteile an der S***** AD zu einem Kaufpreis von mindestens 7 Mio EUR zu finden. Der beklagten Partei wurde für einen (später verlängerten) Zeitraum von sechs Monaten das exklusive Recht der Vermittlung der Unternehmensanteile eingeräumt. Die Streitteile vereinbarten ein Vermittlungshonorar von 5 % des vereinbarten Kaufpreises, auf welches die klagende Partei eine Vorauszahlung von 70.000 EUR als „Managementvergütung“ ( management fee ) zu leisten hatte.

Abschnitt IV des Maklervertrags regelt die Rechte und Pflichten des Auftragnehmers. Art 13 lautet auszugsweise:

„Der Auftragnehmer ist verpflichtet:

[…]

iii. Drei oder mehr potentielle Käufer zu finden, die bereit sind, willens sind, in der Lage sind und die Kapazität haben, mindestens 60 % der Anteile und/oder der Vermögenswerte des Unternehmens um mindestens EUR 7.000.000,00 (sieben Millionen) zu erwerben.

[...]“

Abschnitt VI hat die „Honorarvereinbarung“ zum Gegenstand: Art 17 lautet:

„Der Verkäufer ist verpflichtet, 20 % (zwanzig Prozent) des angenommenen und angestrebten Vermittlungshonorars, das entspricht EUR 70.000 (siebzigtausend Euro) als Managementvergütung, um die operativen Ausgaben zu decken, an den Auftragnehmer zu zahlen. […] Die Vorauszahlung ist sofort (binnen sechs Werktagen) nach Unterzeichnung dieses Vertrags zu tätigen.“

Der im Abschnitt VII („Laufzeit“) enthaltene Art 21 lautet:

„Sofern der Verkäufer den Vertrag vor Ende der Laufzeit aus einem Grund kündigt, der nicht im Unvermögen des Auftragnehmers, einen Käufer zu finden oder in einem Verstoß des Auftragnehmers/eines Käufers gegen die Vertraulichkeit liegt, ist der im Voraus bezahlte Betrag von 70.000 EUR nicht zurückzuerstatten.

i. Sofern der endgültige, zwischen dem Käufer und Verkäufer unterzeichnete Vertrag nicht innerhalb der Laufzeit des vorliegenden Vertrags zustande kommt, ohne Verschulden des Auftragnehmers und/oder des Verkäufers [ ... without any guilt of the Agent and/or of the Seller ... ], ist der Auftragnehmer verpflichtet, dem Verkäufer 50 % des in o.a Art 17 [ Managementvergütung ] festgelegten Betrags zurückzubezahlen.“

Abschnitt IX gibt in Art 24 Auskunft über „Vertragsverletzungen“:

„Vertragsverletzung liegt nur in folgenden Fällen vor:

ii. Falls der Auftragnehmer nicht alle seine Pflichten und Aufgaben unter diesem Vertrag binnen sechs Monaten nach Unterzeichnung des Vertrags erfüllen kann;

iii. Falls es aus Gründen, die der Auftragnehmer verschuldet hat, zu einem Verstoß gegen die Vertraulichkeit kommt;

iv. Falls der Verkäufer nicht alle seine Pflichten und Aufgaben unter diesem Vertrag erfüllt.“

Abschnitt X („Streitigkeiten“) enthält in Art 25 folgende Schiedsklausel:

„Im Fall von Missverständnissen und Streitigkeiten aufgrund dieses Vertrags sollen die Regeln des Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Österreich in Wien anwendbar sein.“

Außerdem wurde in Art 26 festgelegt, dass auf den Vertrag „Europäische handelsrechtliche Vorschriften“ und das „Handelsgesetz der Republik Bulgarien“ anzuwenden sind.

Nach Abschluss des Vertrags zahlte die klagende Partei die Managementvergütung von 70.000 EUR an die beklagte Partei.

Die klagende Partei (als Schiedsklägerin) brachte am beim Internationalen Schiedsgericht der Wirtschaftskammer Österreich die Schiedsklage ein, mit der sie von der beklagten Partei die Rückzahlung der Hälfte der im Voraus geleisteten Managementvergütung, also von 35.000 EUR samt Zinsen, begehrte. Sie stützte dieses Begehren auf Art 21 (i) des Maklervertrags, der unabhängig von einem Verschulden, demnach mit oder ohne Verschulden der beklagten Partei, zur Rückzahlung verpflichte. Die angestrebte Veräußerung der Unternehmensanteile sei nicht zustande gekommen. Die beklagte Partei treffe daran auch ein Verschulden gemäß den Bestimmungen des Vertrags.

Die beklagte Partei (als Schiedsbeklagte) wandte ein, Art 21 (i) des Maklervertrags sei unklar formuliert, vom Parteiwillen nicht gedeckt und könnte zu absurden Ergebnissen führen. Die Vertragsbestimmung sei dahin auszulegen, dass die Hälfte der Managementvergütung, wenn überhaupt, nur dann zurückgezahlt werden müsse, wenn die beklagte Partei ihren vertraglichen Verpflichtungen nicht nachgekommen sei. Tatsächlich habe sie aber ihre vertraglichen Verpflichtungen erfüllt und der klagenden Partei drei potentielle Käufer präsentiert. Der Verkauf der Unternehmensanteile sei letztlich aus dem Verschulden der klagenden Partei gescheitert. Aus diesem Grund bestehe keine Rückzahlungspflicht der beklagten Partei.

Das aus einem Einzelschiedsrichter bestehende Schiedsgericht wies mit Schiedsspruch vom das Klagebegehren ab und verpflichtete die klagende Partei zum Kostenersatz.

In seiner Begründung hielt das Schiedsgericht eingangs fest, dass Art 21 (i) des Maklervertrags nicht unklar sei. Der Wortlaut gebe klar wieder, dass die beklagte Partei zur Rückzahlung eines bestimmten Betrags verpflichtet sei, falls ohne Verschulden einer oder beider Parteien der Kaufvertrag binnen der vereinbarten Frist nicht unterzeichnet sei (Rz 196). Die Parteien hätten während der Vertragsverhandlungen zwischen „Nicht-Erfüllung“ einerseits und „Vertragsbruch“ andererseits unterschieden. Der Vertrag enthalte Bestimmungen hinsichtlich der Obliegenheiten der Parteien (Teil IV und V) sowie Bestimmungen, die den Vertragsbruch spezifizieren (Art 24). Art 21 (i) erfasse nicht jene Situationen, in denen der endgültige Vertrag aufgrund eines Verschuldens einer oder beider Parteien nicht zustande gekommen sei (Rz 198). Die Rückzahlungspflicht gemäß Art 21 (i) werde in Situationen ausgelöst, in denen der endgültige Vertrag aus anderen Gründen als aus Verstoß gegen den Vertrag nicht zustande komme. Hätten beide Parteien ihre vertraglichen Obliegenheiten erfüllt und wäre der Vertrag dennoch nicht abgeschlossen worden, wären 50 % des Vorschusses zurückzuzahlen (Rz 199). Anders gesagt: Wenn die klagende Partei die Rückzahlung von der beklagten Partei zu fordern wünschte, weil der Kaufvertrag aufgrund des Verstoßes der beklagten Partei nicht abgeschlossen wurde, könne sie dies nicht auf Art 21 (i) stützen, sie müsste sich vielmehr auf Art 25 ( gemeint wohl: Art 24 ) oder auf das anwendbare Recht berufen. Die klagende Partei habe sich stets auf Art 21 (i) berufen, um die Rückzahlung zu fordern (Rz 200). Die beklagte Partei habe ihre vertraglichen Verpflichtungen gemäß Art 13 (iii) des Vertrags nicht erfüllt (Rz 206). Aus den vorliegenden Beweisen erschließe sich nicht, dass einer der drei Interessenten bereit gewesen wäre, 7 Mio EUR für die Anteile oder Vermögenswerte des Unternehmens zu zahlen (Rz 207). Art 21 (i) greife aber nicht, wenn die beklagte Partei daran scheitere, zumindest drei potentielle Käufer zu finden. Hätte die beklagte Partei drei qualifizierte Käufer gefunden, wäre der Vertrag aber nicht zustande gekommen, weil der bevorzugte Bieter die Investitionsmöglichkeit aufgrund der Finanzkrise nicht hätte ergreifen wollen somit ohne Verschulden der Parteien , wäre die Rückzahlungspflicht gemäß Art 21 (i) ausgelöst worden (Rz 210). Die klagende Partei sei daher nicht berechtigt, auf Basis von Art 21 (i) die Rückzahlung von 35.000 EUR zu fordern (Rz 211).

Die klagende Partei begehrt mit ihrer rechtzeitigen Klage die Aufhebung des Schiedsspruchs. Sie brachte im Wesentlichen vor:

- Trotz der Beurteilung, dass die beklagte Partei ihre Vertragspflichten nicht erfüllt habe, komme das Schiedsgericht zu dem absurden Ergebnis, dass eine Rückzahlungspflicht nach Art 21 (i) des Maklervertrags nur dann gegeben sei, wenn kein Verschulden vorliege. Da die beklagte Partei ihre Vertragspflichten aber schuldhaft nicht erfüllt habe, solle laut Schiedsgericht die Rückzahlungsverpflichtung entfallen. Das Schiedsgericht habe im Schiedsspruch nicht erörtert, worauf es diese Rechtsmeinung stütze bzw welche Auslegungsbestimmungen es herangezogen habe. Es fehle jeder Verweis auf relevante rechtliche Normen, welche die Ansicht des Schiedsgerichts rechtfertigen könnten.

- Der Schiedsspruch verletze tragende Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung und somit den materiell rechtlichen ordre public ( § 611 Abs 2 Z 8 ZPO ). Der Grundsatz nemo turpitudinem suam allegans auditur (oder nemo ex suo delicto meliorem suam condicionem facere potest ), der auf die Digesten des römischen Rechts zurückgehe, sei im österreichischen Recht wie in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs fest verankert. Seine Bedeutung zeige sich sowohl im öffentlichen Recht wie im Privatrecht, wo in zahlreichen Einzelgesetzen bei Unredlichkeit andere Rechtsfolgen als bei Gutgläubigkeit vorgesehen seien. Das Ergebnis des Schiedsspruchs verstoße eklatant gegen diesen tragenden Rechtsgrundsatz und werde nicht einmal ansatzweise den elementarsten Grundwertungen gerecht, sodass die Rechtskraft des Schiedsspruchs das Vertrauen in die allgemeine Rechtssicherheit erschüttern würde. Außerdem habe das Schiedsgericht grundlegende Auslegungsregeln missachtet, insbesondere jene des argumentum a minori ad maius .

- Das Schiedsgericht habe seine überraschende, durch Parteivorbringen nicht gedeckte Rechtsansicht mit den Parteien nicht erörtert und damit gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen ( § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ). Die Parteien hätten auf Anregung des Einzelschiedsrichters zwar dem Entfall einer mündlichen Verhandlung zugestimmt. Es sei jedoch vereinbart worden, dass der Einzelschiedsrichter, falls notwendig, das Schiedsverfahren wieder eröffnen und um die Erstattung weiteren Vorbringens zu Rechtsfragen bitten werde. Wäre dies geschehen, hätten die Parteien aufklären können, dass sie den Streitgegenstand enger sehen und die Rechtsansicht des Einzelschiedsrichters im Zusammenhang mit dem ordre public als äußerst problematisch erachten würden.

- Da den Parteien keine Gelegenheit geboten worden sei, ihre Angriffs- und Verteidigungsrechte hinsichtlich der erstmals aus dem Schiedsspruch erkennbaren Rechtsfragen geltend zu machen, seien sie auch in ihrem rechtlichen Gehör verletzt ( § 611 Abs 2 Z 2 ZPO ).

- Der Schiedsspruch überschreite auch das Rechtsschutzbegehren der Parteien ( § 611 Abs 2 Z 3 ZPO ). Die Beurteilung dieses Aufhebungsgrundes erfolge nach den zu § 405 ZPO entwickelten Grundsätzen. § 405 ZPO erfasse den gesamten Streitgegenstand, der sich nicht nur nach dem Wortlaut des Begehrens, sondern auch nach dem Inhalt des Sachantrags bestimme. Die Parteien hätten mit ihrem beiderseitigen Vorbringen dem Schiedsgericht lediglich die Frage zur Entscheidung unterbreitet, ob nach Art 21 (i) des Maklervertrags ein verschuldensunabhängiger oder ein verschuldensabhängiger Anspruch bestehe und ob die jeweiligen Anspruchsvoraussetzungen vorlägen. Der Streitgegenstand habe sich aber nicht auf die Frage erstreckt, ob ein Anspruch nur dann bestehe, wenn kein Verschulden der beklagten Partei vorliege. Beide Parteien hätten die Rückzahlungspflicht für den Fall des Verschuldens bejaht. Das Ergebnis des Schiedsspruchs stehe somit im Widerspruch zu den Sachanträgen der Parteien, das Schiedsgericht habe seine Entscheidungskompetenz überschritten.

Die beklagte Partei wandte ein:

- Das Schiedsgericht habe die Abweisung des Klagebegehrens nicht mit Verschulden der beklagten Partei begründet, sondern damit, dass Art 21 (i) des Maklervertrags, auf den sich die klagende Partei ausschließlich gestützt habe, auf den Sachverhalt nicht anzuwenden sei. Andere mögliche jedoch nicht geltend gemachte Anspruchs-grundlagen habe das Schiedsgericht explizit nicht ausgeschlossen. Die beklagte Partei sei durch das vom Schiedsgericht festgestellte Verschulden daher nicht besser gestellt.

- Aus diesem Grund liege kein Verstoß gegen den „Nemo-Auditur-Grundsatz“ vor. Bei diesem handle es sich auch um keine Grundwertung der österreichischen Rechtsordnung iSd § 611 Abs 2 Z 8 ZPO . Der angeführte Grundsatz habe im österreichischen Zivilrecht nur eine vergleichsweise geringe Bedeutung und werde insbesondere zur Schließung von Lücken des positiven Rechts, teilweise auch zur zusätzlichen (subsidiären) Begründung gerichtlicher Entscheidungen herangezogen.

- Die klagende Partei habe die Auslegung des Art 21 (i) des Maklervertrags durch ihr Schiedsklagebegehren selbst zur relevanten Rechtsfrage gemacht, sodass es sich bei dem diese Frage beantwortenden Schiedsspruch um keine Überraschungsentscheidung iSd § 182a ZPO handeln könne. Doch selbst ein Verstoß gegen das Überraschungsverbot begründe mangels Qualifikation als Grundwertung der österreichischen Rechtsordnung keine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public ( § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ). Davon abgesehen sei das Überraschungsverbot des § 182a ZPO im konkreten Schiedsverfahren gar nicht anwendbar, stehe doch die Anwendung der nicht speziell das Schiedsverfahren betreffenden Bestimmungen der ZPO im freien Ermessen des Schiedsgerichts.

- Die klagende Partei habe im Schiedsverfahren ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zur wesentlichen Rechtsfrage zu äußern und in insgesamt vier Schriftsätzen davon auch Gebrauch gemacht. Das Schiedsgericht habe überdies mehrere Telefonkonferenzen mit den Parteien abgehalten. Diese hätten in der Telefonkonferenz vom nach ausführlicher Erörterung einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet und vereinbart, dass der Schiedsspruch aufgrund des schriftlichen Vorbringens und der vorgelegten Dokumente gefasst werden solle. Der Vorschlag zu dieser Vorgangsweise sei nicht vom Schiedsrichter, sondern von den Parteien gekommen. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, die eine Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 611 Abs 2 Z 2 ZPO rechtfertigen könnte, liege unter diesen Umständen keinesfalls vor.

- Das Schiedsgericht habe sich mit der von den Parteien gestellten zentralen Rechtsfrage, nämlich der Auslegung von Art 21 (i) des Maklervertrags befasst, und seinen Schiedsspruch auf das Ergebnis dieser Auslegung gestützt. Der Schiedsspruch enthalte somit keine Entscheidungen, welche die Grenzen des gestellten Rechtsschutzbegehrens überschreiten würden und den Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 2 Z 3 ZPO verwirklichen könnten.

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in die von der klagenden Partei vorgelegten Urkunden.

Danach steht folgender weiterer Sachverhalt fest:

Die klagende Partei brachte im Schiedsverfahren nach der Schiedsklage am , am und am drei weitere vorbereitende Schriftsätze ein, mit denen sie jeweils auf Vorbringen der beklagten Partei replizierte. In allen diesen Schriftsätzen äußerte sich die klagende Partei zur strittigen Auslegung des Art 21 (i) des Maklervertrags. Der Schiedsrichter hielt am mit den Parteienvertretern eine Telefonkonferenz zur Vorbereitung der (an sich vorgesehenen) mündlichen Verhandlung ab. Im Hinblick auf eine kosteneffiziente Gestaltung des Verfahrens wurden bei dieser Konferenz mehrere Optionen besprochen. Eine davon lautete, dass keine mündliche Verhandlung stattfinden und das Schiedsgericht auf Basis des schriftlichen Vorbringens und der vorgelegten Dokumente entscheiden soll. Die Telefonkonferenz wurde auf den vertagt, um der Vertreterin der klagenden Partei die Rücksprache mit ihrer Mandantin zu ermöglichen. Am kamen Parteien und Schiedsrichter überein, dass ohne mündliche Verhandlung entschieden werden soll. Der Schiedsrichter legte den Parteien die nächsten prozessualen Schritte dar. Er stellte auch die Wiederaufnahme des Verfahrens samt Aufforderung an die Parteien zur Erstattung weiteren Vorbringens in Aussicht, falls sich diese Maßnahme als notwendig erweisen sollte.

Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen gründen sich auf die in Kopie und in beglaubigter Übersetzung von der englischen in die deutsche Sprache vorgelegten Schriftsätze aus dem Schiedsverfahren sowie das Protokoll der Telefonkonferenz vom 10./ (Beilage ./I) und die entsprechenden Ausführungen im Schiedsspruch (Beilage ./J Rz 28 ff).

Rechtliche Beurteilung

Rechtlich ist auszuführen:

1. Zum Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 8 ZPO:

1.1 Nach dieser Bestimmung kann eine Klage auf gerichtliche Aufhebung eines Schiedsspruchs darauf gestützt werden, dass der Schiedsspruch Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung ( ordre public ) widerspricht.

(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bietet dieser Aufhebungsgrund jedoch keine Handhabe für die Prüfung der Frage, ob und wie weit das Schiedsgericht die im Schiedsverfahren aufgeworfenen Tatfragen und Rechtsfragen richtig gelöst hat (9 Ob 27/12d; 2 Ob 206/12aecolex 2013/326 [ Nueber ]; 2 Ob 22/14wecolex 2015/243 [ Wollmann/Hlina ]; RIS Justiz RS0045124, RS0110126). Selbst die Prüfung, ob eine Ordre public Widrigkeit vorliegt, darf nicht zu einer (Gesamt )Überprüfung des Schiedsspruchs in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht führen (Unzulässigkeit einer révision au fond ; 5 Ob 272/07xecolex 2008/157 [krit Graf ]; 2 Ob 22/14wecolex 2015/243 [ Wollmann/Hlina ]; vgl auch Rechberger in Rechberger , ZPO 4 § 611 Rz 11; Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 611 Rz 205; Zeiler , Schiedsverfahren² [2014] § 611 Rz 34). Fehlentscheidungen müssen deshalb grundsätzlich hingenommen werden.

(b) Nur dann, wenn es mit dem Ergebnis des Schiedsspruchs zu einer unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung kommt, berechtigt dies zur Anfechtung des Schiedsspruchs nach § 611 Abs 2 Z 8 ZPO (vgl 5 Ob 272/07xecolex 2008/157 [ Graf ]; 9 Ob 27/12d; RIS Justiz RS0110743). Maßgebend ist dabei das Ergebnis des Schiedsspruchs und nicht seine Begründung (2 Ob 22/14wecolex 2015/243 [ Wollmann/Hlina ]; RIS-Justiz RS0110125).

(c) Das Verbot einer révision au fond entspricht auch der insoweit identischen Rechtslage in Deutschland (vgl Schwab/Walter , Schiedsgerichtsbarkeit 7 [2005] Kap 24 Rn 1; Münch in MünchKomm ZPO 4 [2013] § 1059 Rn 7), wobei in der jüngeren Rechtsprechung im Falle willkürlicher Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht eine Ausnahme für „allenfalls“ möglich gehalten wird (vgl etwa OLG Stuttgart , SchiedsVZ 2011, 49; weitere Nachweise bei Münch § 1059 Rn 7 FN 16).

1.2 Ausgehend von diesen Grundsätzen liegt der Aufhebungsgrund nicht vor:

(a) Das Schiedsgericht hat das Begehren der Schiedsklage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es in der von der klagenden Partei herangezogenen Anspruchsgrundlage (Art 21 [i] des Maklervertrags) keine Deckung finde. Denn diese Vertragsbestimmung regle nur Fälle, in denen die beklagte Partei am Scheitern des Hauptvertrags kein Verschulden treffe. Habe die beklagte Partei aber ein Verschulden zu verantworten (wovon das Schiedsgericht ausging), kämen für den Rückforderungsanspruch nur andere Anspruchsgrundlagen in Betracht. Auf diese habe sich die klagende Partei jedoch nicht gestützt.

(b) Diese Beurteilung des Schiedsgerichts beruht auf einer Auslegung des Maklervertrags, insbesondere dessen Art 21 (i), die zwischen den Streitteilen strittig und neben der Frage eines allfälligen „Verschuldens“ Hauptthema des Schiedsverfahrens war. Der Oberste Gerichtshof hat in Anlehnung an die oben erörterte Rechtsprechung bereits mehrfach klargestellt, dass die Richtigkeit einer Vertragsauslegung im Rechtsstreit über eine Aufhebungsklage nicht überprüft werden kann (9 Ob 53/08x; 9 Ob 27/12d).

(c) Der klagenden Partei ist zuzugestehen, dass die Auslegung der erwähnten Vertragsbestimmung auch im Sinne ihres Prozessstandpunkts möglich gewesen wäre. Von „willkürlicher“ Rechtsanwendung, die nach der Rechtsprechung einiger deutscher Gerichte eine inhaltliche Nachprüfung des Schiedsspruchs ermöglichen soll (oben 1.1 lit c), kann aber jedenfalls keine Rede sein. Das Schiedsgericht hat sich bei seiner Auslegung erkennbar zunächst am Wortlaut der strittigen Vertragsbestimmung orientiert und diese danach zum übrigen Vertragsinhalt in Beziehung gesetzt. Dass es dadurch in unvertretbarer Weise von den üblichen Auslegungsgrundsätzen abgegangen wäre, ist nicht ersichtlich. In ihrem Gesamtzusammenhang steht die Auslegung des Schiedsgerichts mit den elementaren Gerechtigkeitsvorstellungen der österreichischen Rechtsordnung auch keinesfalls derart im Widerspruch, dass das für die Prüfung der Ordre-Public-Widrigkeit allein relevante Ergebnis , nämlich die Abweisung eines Zahlungsbegehrens wegen Untauglichkeit der gewählten Anspruchsgrundlage, eine unerträgliche Verletzung tragender Grundwertungen erkennen ließe.

(d) Nach Ansicht der klagenden Partei verstößt der Schiedsspruch gegen den Grundsatz nemo turpitudinem suam allegans auditur (oder nemo ex suo delicto meliorem suam condicionem facere potest ), dass also niemand aus seiner Unredlichkeit einen Vorteil ziehen darf (vgl dazu Lukits , Der Nemo-Auditur-Grundsatz: Entwicklung und Bedeutung im modernen Recht, AnwBl 2015, 144).

Resultierte der „Vorteil“ aber bloß daraus, dass sich der Anspruchsteller bei der Wahl der richtigen Anspruchsgrundlage vergriffen hat ob dies hier zutraf, ist unüberprüfbare rechtliche Beurteilung des Schiedsgerichts -, erweisen sich die auf dem erwähnten Grundsatz fußenden Argumente von vornherein als verfehlt. Es muss daher nicht geprüft werden, ob die beklagte Partei überhaupt „unredlich“ war. Ebenso kann dahin stehen, ob der „Nemo-Auditur-Grundsatz“ tatsächlich Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung berührt.

1.3 Insgesamt läuft das Vorbringen der klagenden Partei zu diesem Aufhebungsgrund somit auf eine unzulässige révision au fond hinaus. Der Tatbestand des Aufhebungsgrundes ist nicht erfüllt.

2. Zum Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 5 ZPO:

2.1 Nach dieser Bestimmung ist ein Schiedsspruch aufzuheben, wenn das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung ( ordre public ) verletzt.

Dabei geht es um Verfahrensfehler, die so schwer wiegen, dass sie von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden sollten. Als Beispiele werden vor allem die - auch von § 611 Abs 2 Z 2 ZPO erfasste schwere Verletzung des rechtlichen Gehörs, das Fehlen der Parteifähigkeit und der Vertretungsmacht, das Ignorieren der Rechtskraft, die Fällung eines Schiedsspruchs ohne Beweisverfahren oder die Missachtung des Gebots der überparteilichen Rechtspflege und damit des Prinzips der Unparteilichkeit und der Unabhängigkeit der Schiedsrichter genannt (vgl 2 Ob 112/12b SZ 2013/57 = ecolex 2013/324 [ Zeiler ] = GesRZ 2014, 130 [ Reiner/Vanovac ]; Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 611 Rz 170 ff; Zeiler , Schiedsverfahren² [2014] § 611 Rz 29 ff).

2.2 Die klagende Partei sieht eine Verletzung des verfahrensrechtlichen ordre public darin, dass das Schiedsgericht seine Rechtsansicht mit den Parteien nicht erörtert und dadurch gegen das Verbot der Überraschungsentscheidung verstoßen habe. Damit wirft sie die Frage auf, ob der Aufhebungstatbestand auch durch eine Verletzung der Erörterungspflicht iSd § 182a ZPO verwirklicht werden kann.

Der Oberste Gerichtshof hat jedoch diese in 9 Ob 27/12d zunächst noch offen gelassene Frage in der Entscheidung 18 OCg 2/14i bereits hinreichend deutlich verneint. Daran ist festzuhalten, wobei auch auf die folgenden Ausführungen verwiesen werden kann.

3. Zum Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 2 ZPO:

3.1 Nach dieser Bestimmung ist ein Schiedsspruch ua aufzuheben, wenn eine Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte.

Inhaltlich regelt dieser Aufhebungsgrund die Verletzung des rechtlichen Gehörs, das den Parteien nach der ausdrücklichen Anordnung des § 594 Abs 2 Satz 2 ZPO auch in einem Schiedsverfahren zu gewähren ist.

3.2 Die klagende Partei rügt den soeben behandelten Erörterungsmangel auch unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihres rechtlichen Gehörs.

Dem ist nicht zu folgen:

(a) Der Oberste Gerichtshof prägte in langjähriger, ständiger Rechtsprechung den Rechtssatz, dass ein Schiedsspruch nur dann wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs angefochten werden kann, wenn einer Partei das rechtliche Gehör überhaupt nicht gewährt wurde (RIS Justiz RS0045092). An dieser Rechtsprechung wird im Schrifttum, beginnend mit der grundlegenden Arbeit von A. Reiner (Schiedsverfahren und rechtliches Gehör, ZfRV 2003/11, 52), in zunehmendem Maße Kritik geübt. Sie entspreche weder dem Mindeststandard des Art 6 EMRK ( fair trial ), noch halte sie einer rechtsvergleichenden Analyse stand ( Reiner , ZfRV 2003/72; vgl auch Pitkowitz , Die Aufhebung von Schiedssprüchen [2008] Rz 199 f; Ch. Klausegger , Rechtliches Gehör im Schiedsverfahren [Anm zu 3 Ob 122/10b], ecolex 2011, 37; Schett , Ein Schritt des OGH am langen Weg zum rechtlichen Gehör im Schiedsverfahren [Anm zu 4 Ob 185/12b], ecolex 2013, 628), sei nicht mehr zeitgemäß und könne auch vor dem Hintergrund des SchiedsRÄG 2006 nicht aufrecht erhalten werden ( Zeiler , Schiedsverfahren² [2014] § 594 Rz 21; Nueber , Neues zum rechtlichen Gehör im Schiedsverfahren, wbl 2013, 130; Czernich , Kriterien für die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen mangelnden rechtlichen Gehörs, JBl 2014, 295; jüngst auch Pitkowitz , Die Schiedsgerichtsbarkeit im Wettbewerb mit staatlicher Gerichtsbarkeit Eine Analyse aus österreichischer Sicht, in FS Wegen [2015] 725 [731]).

(b) Der Oberste Gerichtshof musste zu diesen kritischen Äußerungen bisher noch nicht grundlegend Stellung beziehen (vgl zuletzt 18 OCg 2/15s mwN).

In 4 Ob 185/12b wbl 2013/105 ( Nueber) wurde aber (im Zusammenhang mit einer Klageänderung) daran erinnert, dass das Verfahren zur Aufhebung eines Schiedsspruchs kein Rechtsmittelverfahren ist, sondern nur die Einhaltung von Mindestgarantien sichern soll (RIS-Justiz RS0117294). Der 4. Senat betonte, dass im Schiedsverfahren jedenfalls keine strengeren Anforderungen gelten können als in einem staatlichen Zivilprozess.

Nueber pflichtet in seiner Glosse diesen Ausführungen bei. Die Forderung nach höheren Standards für das rechtliche Gehör im Schiedsverfahren als in staatlichen Verfahren (so A. Reiner , Schiedsverfahren und rechtliches Gehör, ZfRV 2003/11, 72) schenke der Tatsache, dass es sich bei der Schiedsgerichtsbarkeit letztlich um parteiautonome Justizgewährung handle, zu wenig Beachtung (wbl 2013, 289).

(c) In dem zu 18 OCg 2/14i entschiedenen Fall wurde dem Schiedsgericht ähnlich wie hier zum Vorwurf gemacht, seinen Schiedsspruch auf eine „weder erörterte noch nach dem Vorbringen zu erwartende Grundlage“ gestützt und den Parteien dadurch jede Möglichkeit zu einem entsprechenden Vorbringen genommen zu haben.

Der Oberste Gerichtshof verneinte eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. In einem Verfahren vor staatlichen Gerichten hätte die unterbliebene Erörterung der maßgeblichen Rechtsansicht allenfalls als Verfahrensmangel geltend gemacht werden können, dessen Relevanz die Rechtsmittelwerberin noch darzutun gehabt hätte. Das Gewicht eines nach § 611 Abs 2 Z 2 ZPO zur Aufhebung des Schiedsspruchs führenden Gehörentzugs der von der Wertung her einem Nichtigkeitsgrund im Zivilprozess entspreche erreiche diese Vorgangsweise jedenfalls nicht.

(d) Auch an dieser unter dem Eindruck der kritischen Lehrmeinungen ergangenen Entscheidung ist festzuhalten. Entscheidender Maßstab für die Beurteilung als Aufhebungsgrund nach § 611 Abs 2 Z 2 ZPO ist demnach das Gewicht, das einer Gehörverletzung im staatlichen Verfahren beigemessen wird, sollen doch die Anforderungen im Schiedsverfahren nicht strenger sein (4 Ob 185/12b wbl 2013/105 [ Nueber ]). Nur wenn die Gehörverletzung im staatlichen Verfahren mit Nichtigkeit zu ahnden wäre oder wenn der Gehörentzug einem Nichtigkeitsgrund wertungsmäßig zumindest nahekommt, wäre der Aufhebungstatbestand erfüllt.

(e) Mit der Entscheidung 18 OCg 2/14i wurde zumindest für den dort behandelten Fall bereits der zuletzt von Czernich (Kriterien für die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen mangelnden rechtlichen Gehörs, JBl 2014, 295 [298 f]) geäußerten Rechtsansicht (inhaltlich) widersprochen, wonach schon die in einem staatlichen Zivilprozess bloß als Verfahrensmangel zu qualifizierenden Verletzungen des rechtlichen Gehörs unter der Voraussetzung einer „Plausibilisierung“ ihrer Eignung zur Beeinflussung des Verfahrensergebnisses zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen müssten. Erneut ist wie schon in 4 Ob 185/12b darauf hinzuweisen, dass das Verfahren zur Aufhebung eines Schiedsspruchs nicht mit einem Rechtsmittelverfahren vor den staatlichen Gerichten gleichgesetzt werden kann.

(f) Auch rechtsvergleichende Argumente müssen versagen. Schließlich entspricht es auch der herrschenden Auffassung in Deutschland, dass das Schiedsgericht im Rahmen der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht gehalten ist, den Parteien seine Rechtsansicht mitzuteilen und sie zur Äußerung hiezu aufzufordern (BGH , NJW 1990, 3210; OLG Stuttgart , SchiedsVZ 2011, 49; Schwab/Walter , Schiedsgerichtsbarkeit 7 [2005] Kap 15 Rn 3; Münch in MünchKomm ZPO 4 [2013] § 1041 Rn 38). Nur wenn es von einer bereits geäußerten oder sonst erkenntlich gemachten Rechtsauffassung wieder abweicht und die Parteien im Vertrauen auf diese Auffassung von weiterem Vorbringen abgesehen haben, kommt eine Gehörverletzung in Betracht (OLG Stuttgart , SchiedsVZ 2011, 49; Schwab/Walter , Schiedsgerichtsbarkeit 7 [2005] Kap 15 Rn 3; Münch in MünchKomm ZPO 4 [2013] § 1041 Rn 39; vgl auch Reiner , Schiedsverfahren und rechtliches Gehör, ZfRV 2003/11, 65 ff [„Legitime Erwartungen“]).

Dass das Schiedsgericht im vorliegenden Fall seine Rechtsansicht den Parteien gegenüber geäußert hätte und in der Folge davon abgewichen wäre, wird aber weder von der klagenden Partei behauptet, noch bestehen sonstige Anhaltspunkte dafür.

3.3 Diese Erwägungen bedeuten, dass sich die klagende Partei auch nicht erfolgreich auf den Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 2 ZPO stützen kann.

4. Zum Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 3 ZPO:

4.1 Nach dieser Bestimmung ist ein Schiedsspruch ua aufzuheben, wenn er das Rechtsschutzbegehren der Parteien überschreitet.

Mit ihr wird klargestellt, dass auch das Überschreiten der Sachanträge der Parteien durch das Schiedsgericht zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen kann. Ob das Schiedsgericht seine durch die Rechtsschutzanträge abgesteckten Befugnisse überschreitet, ist eine Frage des Streitgegenstands des Schiedsverfahrens, der sich nach dem Inhalt der Schiedsklage und allfälligen späteren Parteiendispositionen darüber bestimmt (vgl 18 OCg 2/15s; Zeiler , Schiedsverfahren² [2014] § 611 Rz 20). Die Beurteilung richtet sich nach den zu § 405 ZPO entwickelten Grundsätzen (18 OCg 2/14i; Hausmaninger in Fasching/Konecny ² IV/2 § 611 Rz 144; zu allgemein hingegen die Meinung von Pitkowitz , Die Aufhebung von Schiedssprüchen [2008] Rz 236, eine Überraschungsentscheidung müsste als ultra petita angesehen werden).

4.2 Die klagende Partei stützt sich auf diesen Aufhebungsgrund mit der Begründung, der Streitgegenstand habe sich nicht auf die Frage erstreckt, ob der aus Art 21 (i) des Maklervertrags abgeleitete Anspruch nur dann bestehe, wenn der beklagten Partei am Nichtabschluss des Hauptvertrags kein Verschulden vorzuwerfen sei.

Dem ist zu erwidern:

Das Schiedsgericht entschied über das Zahlungsbegehren der klagenden Partei auf der Grundlage des beiderseitigen Tatsachen- und Rechtsvorbringens, das es in seinem Schiedsspruch ausführlich wiedergab (Rz 74 bis 193). Es berücksichtigte somit auch die Rechtsansicht der klagenden Partei, die es allerdings nicht teilte und im Wege der Vertragsauslegung zu einem anderen Verständnis der strittigen Vertragsbestimmung gelangte. Auch ein staatliches österreichisches Gericht könnte nur über einen geltend gemachten Anspruch, also über jenen, der aus den Klagsbehauptungen abzuleiten ist, entscheiden, wäre aber an die von der klagenden Partei vorgenommene rechtliche Qualifikation des der Klage zugrunde liegenden Sachverhalts nicht gebunden (RIS-Justiz RS0037659; vgl auch Pitkowitz , Die Aufhebung von Schiedssprüchen [2008] Rz 239, der dem Schiedsgericht eine eigene Auslegung und Interpretation eines streitrelevanten Vertrags zubilligt). Der Streitgegenstand war jedenfalls durch das Zahlungsbegehren und das Tatsachenvorbringen zum Vertragsinhalt definiert. In diesem Rahmen hat das Schiedsgericht entschieden. Ein Verstoß gegen § 405 ZPO liegt daher nicht vor.

4.3 Aus den vorstehenden Gründen versagt auch die Berufung auf den Aufhebungsgrund der Kompetenzüberschreitung iSd § 611 Abs 2 Z 3 ZPO.

5. Ergebnis:

Das auf die Aufhebung des Schiedsspruchs gerichtete Klagebegehren erweist sich aus den angeführten Gründen als nicht berechtigt. Es ist daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO. Das von der beklagten Partei gelegte Kostenverzeichnis wurde von der klagenden Partei nicht beanstandet und ist daher der Kostenentscheidung zugrunde zu legen (§ 54 Abs 1a ZPO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:018OCG00003.15P.0223.000