OGH vom 18.02.2019, 18OCg2/19x (18OCg3/19v)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Musger und Mag. Painsi sowie die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in den Rechtssachen der klagenden Parteien 1. P*****, Rechtsanwalt, ***** (18 OCg 2/19x), und 2. M*****, dieser vertreten durch Singer-Musil Singer Rechtsanwälte OG in Wien (18 OCg 3/19v), jeweils gegen die beklagten Parteien 1. J*****, 2. D*****, 3. M*****, 4. D*****, und 5. M*****, jeweils wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 95.000 EUR [18 OCg 2/19x] und 10.500 EUR [18 OCg 3/19v]), den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Verfahren 18 OCg 2/19x und 18 OCg 3/19v werden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Führendes Verfahren ist 18 OCg 2/19x.
Die Anträge beider Kläger auf Erlassung einstweiliger Verfügungen werden abgewiesen.
Die Klagen werden als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung geeignet zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Aufgrund einer „Klage“ des Zweit-, Dritt-, Viert- und Fünftbeklagten stellte das „Schiedsgericht“ des erstbeklagten Vereins mit „Entscheidung“ vom – soweit hier relevant – fest, dass alle Funktionen der gewählten Organe des erstbeklagten Vereins am erlöschen und alle vom Präsidium seit dem gefassten Beschlüsse nichtig seien. Weiters suspendierte es die beiden Kläger von ihren Funktionen als Präsident bzw Vizepräsident und Kassier des Vereins und schloss sie aus dem Verein aus.
Der Erstkläger erhob beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eine „Klage auf Aufhebung eines Schiedsspruchs wegen Nichtigkeit“ mit dem Antrag, den „Schiedsspruch des Schiedsgerichts vom “ für „unwirksam“ zu erklären und als „nichtig“ aufzuheben. Nach einem telefonischen Hinweis des Gerichts auf die beabsichtigte Zurückweisung beantragte er unter ausdrücklicher Berufung auf § 615 ZPO die Überweisung an den Obersten Gerichtshof. Das Landesgericht sprach daraufhin seine Unzuständigkeit aus und überwies die Klage somit dem damit verbundenen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung dem Obersten Gerichtshof.
Der Zweitkläger erhob (direkt) beim Obersten Gerichtshof eine Klage auf „Aufhebung eines Schiedsspruchs“ mit dem Antrag, „den Schiedsspruch der Erstbeklagten vom “ für „unwirksam“ zu erklären und als „nichtig“ aufzuheben.
Beide Kläger stützen sich einerseits darauf, dass es sich beim „Schiedsgericht“ nur um eine Schlichtungsstelle nach § 8 VereinsG gehandelt habe. Andererseits werfen sie dem Schiedsgericht – unter ausdrücklicher Bezugnahme auf § 611 Abs 2 Z 5 ZPO – Verstöße gegen den formellen ordre public (insbesondere Begründungsmängel und die Befangenheit von Schiedsrichtern) vor. Zur Passivlegitimation des erstbeklagten Vereins bringen die Kläger vor, dass dieser für das Schiedsgericht und dessen „Fehlleistungen“ einzustehen habe.
Mit Anträgen auf Erlassung einstweiliger Verfügungen begehrten die Kläger jeweils, den Schiedsspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die jeweilige Klage „auszusetzen“, weil sie sonst nicht an der nächsten Generalversammlung teilnehmen und ihr Stimmrecht ausüben könnten. Der Zweitkläger verweist zudem auf den mit dem Ausschluss verbundenen Entzug des passiven Wahlrechts und auf Vermögensnachteile des erstbeklagten Vereins, die sich aus Handlungen des „neuen“ (gemeint offenbar: zu wählenden) Präsidiums ergeben würden. Hingegen würde der Zweitkläger als Präsident versuchen, den Verein wirtschaftlich zu sanieren.
Rechtliche Beurteilung
A. Zur Verbindung:
Da sich die Klagen gegen dieselben Beklagten richten, denselben „Schiedsspruch“ bekämpfen und im Kern dieselben Rechtsgründe geltend machen, ist es zweckmäßig, die Verfahren nach § 187 Abs 1 ZPO zu verbinden. Führendes Verfahren ist dasjenige mit der zuerst eingebrachten Klage (Höllwerth in Fasching/Konecny3 § 187 Rz 29).
B.
1. Die Kläger haben ihre Klagen, der Erstkläger mit seinem Überweisungsantrag, der Zweitkläger direkt, an den Obersten Gerichtshof gerichtet. Sie beantragen die „Aufhebung“ des Schiedsspruchs und beziehen sich mehrfach auf die Aufhebungsgründe nach § 611 ZPO. Daraus folgt, dass sie Aufhebungsklagen im Sinn dieser Bestimmung erheben wollten:
2. Gegenstand der Aufhebungsklage ist der Schiedsspruch eines inländischen Schiedsgerichts iSd § 577 ff ZPO (Liebscher in Liebscher/Oberhammer/Rechberger, Schiedsverfahrensrecht II [2016] Rz 11/17; Hausmaninger in Fasching/Konecny3 § 611 Rz 69). Dazu gehören, wie § 577 Abs 3 ZPO ausdrücklich anordnet, nicht (bloße) „Vereinsschiedsgerichte“, die iSv § 8 VerG nur zur Schlichtung von Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnis berufen sind (RIS-Justiz RS0121457; P. G. Mayr in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer, Handbuch Schiedsrecht [2018] Rz 31.1 ff mwN). Vereinsstatuten können zwar auch Schiedsgerichte im Sinn der ZPO vorsehen (§ 8 Abs 1 Satz 3 VerG). Jedenfalls bis zum SchiedsRÄG 2006 war allerdings in der Rechtsprechung unstrittig, dass solche Einrichtungen nur dann als Schiedsgericht im Sinn der ZPO tätig werden konnten, wenn sich das betroffene Vereinsmitglied der Satzung durch schriftliche Erklärung unterworfen hatte (RIS Justiz RS0045153; 1 Ob 273/00d). Dies wurde in 2 Ob 117/13i für die jetzt geltende Rechtslage aufrecht erhalten. Im Schrifttum wird demgegenüber die Auffassung vertreten, dass nun aufgrund von § 581 Abs 2 ZPO bereits der bloße (nicht unbedingt schriftliche) Vereinsbeitritt als Unterwerfung unter ein (unter Umständen auch erst danach durch Satzungsänderung begründetes) Schiedsgericht ausreiche (Mayr in Czernich/Deixler-Hübner/ Schauer, Handbuch Schiedsrecht [2018] Rz 31.46 ff mwN).
3. Diese Frage bedarf hier keiner Klärung. Sie würde sich nur dann stellen, wenn tatsächlich die Entscheidung einer Vereinseinrichtung vorläge, die aufgrund der Statuten nicht (bloß) als Schlichtungseinrichtung iSv § 8 VerG, sondern (auch oder nur) als Schiedsgericht im Sinn der ZPO zu qualifizieren ist. Das trifft hier nach dem eigenen Vorbringen der Kläger nicht zu, denn beide behaupten, dass das Schiedsgericht nur eine Schlichtungseinrichtung iSv § 8 VerG sei. Diese Behauptung deckt sich mit der eigenen Einschätzung des „Schiedsgerichts“, das sich in der von den Klägern bekämpften „Entscheidung“ ebenfalls als „vereinsinterne Schlichtungseinrichtung“ bezeichnet. In den von den Klägern jeweils mit der Klage vorgelegten Vereinsstatuten wird das Schiedsgericht als „Vereinsorgan“ bezeichnet (§ 10 lit c); als Vereinsorgan ist es zum Ausschluss von Mitgliedern befugt (§ 6 lit b der Statuten).
4. Auf dieser Grundlage kann kein Schiedsspruch vorliegen, der im Verfahren nach § 611 ZPO aufgehoben werden könnte. Die Klagen könnten daher selbst dann, wenn alle Tatsachenbehauptungen zuträfen, nicht zum Erfolg führen: Die Entscheidung eines Vereinsorgans, das nicht als Schiedsgericht im Sinn der ZPO zu qualifizieren ist und sich auch selbst nicht so versteht, ist kein Schiedsspruch im Sinn der ZPO und kann daher auch nicht im Verfahren nach § 611 ZPO aufgehoben werden. Die Aufhebungsklagen sind somit unschlüssig.
C.
Eine anspruchsgebundene einstweilige Verfügung setzt einen zu sichernden Hauptanspruch voraus; sie hängt vom bescheinigten Bestehen eines solchen Anspruchs ab (4 Ob 230/08i). Dazu muss die gefährdete Partei Tatsachen behaupten (und glaubhaft machen), aus denen das Bestehen des Anspruchs abgeleitet werden kann (4 Ob 47/06z; RIS-Justiz RS0005225 [T2, T 3, T 5]). Ein unschlüssiges Klagebegehren kann nicht gesichert werden (4 Ob 47/06z; RIS-Justiz RS0004881). Da sich die Sicherungsanträge auf unschlüssige Klagebegehren beziehen, sind sie abzuweisen. Ein Verbesserungsverfahren ist nicht durchzuführen (1 Ob 293/99s; RIS-Justiz RS0005452 [T4, T 6, T 7, T 11]).
Ob die einstweiligen Verfügungen bei einem schlüssigen Vorbringen überhaupt und/oder in der beantragten Form zu erlassen gewesen wären, ist hier nicht zu prüfen.
D. Zur Zurückweisung der Klagen:
Der Senat hat in 18 OCg 1/18y ausgesprochen, dass bei Aufhebungsklagen in Analogie zu § 538 ZPO ein Vorprüfungsverfahren stattzufinden hat. Daher ist eine Klage jedenfalls dann als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung geeignet zurückzuweisen, wenn darin kein tauglicher Aufhebungsgrund geltend gemacht wird. Umso mehr muss das gelten, wenn sich die Klage schon nach ihrem Vorbringen gegen eine Entscheidung richtet, die nicht dem Aufhebungsverfahren nach § 611 ZPO unterworfen ist. Ein Verbesserungsverfahren ist nicht durchzuführen, weil nicht etwa gesetzlich vorgeschriebenes Vorbringen fehlt (18 OCg 1/18y), sondern die Aufhebungsklagen wegen der Behauptung des Vorliegens eines Nichtschiedsspruchs (Entscheidung einer Schlichtungseinrichtung) von vornherein unschlüssig sind. Die Klagen sind somit zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:018OCG00002.19X.0218.000 |
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