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OGH vom 15.01.2020, 18OCg12/19t

OGH vom 15.01.2020, 18OCg12/19t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten Dr. Veith und die Hofräte Dr. Höllwerth, Priv.-Doz. Dr. Rassi und Mag. Painsi als weitere Richter in der Schiedsrechtssache der klagenden Partei H***** GmbH, *****, vertreten durch die SRG Stock Rafaseder Gruszkiewicz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*****, Bulgarien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 257.397,45 EUR), in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Klage wird als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung geeignet zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrt die Aufhebung des in einem vor dem International Court of Arbitration of the International Chamber of Commerce geführten Schiedsverfahren (ICC Fall Nr 22948/FS) ergangenen Endschiedsspruchs zur Kostenentscheidung vom , mit welchem die Klägerin schuldig erkannt wurde, die Kosten der Beklagten in Höhe von 244.715,44 EUR plus 14.113,18 USD zu tragen. Als Aufhebungsgrund macht die Klägerin den Verstoß gegen den materiellen ordre public iSd § 611 Abs 2 Z 8 ZPO geltend. Das Schiedsgericht habe eine Kostenentscheidung gefällt, welche den Grundsätzen der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Kostenersatz im Fall einer Stufenklage widerspreche.

Rechtliche Beurteilung

Die Klage ist als nicht zur Bestimmung einer Tagsatzung für die mündliche Verhandlung geeignet zurückzuweisen.

1. Bei Aufhebungsklagen hat in Analogie zu § 538 ZPO ein Vorprüfungsverfahren stattzufinden. Wenn der Kläger keinen tauglichen Aufhebungsgrund behauptet, ist die Klage ohne Durchführung eines Verbesserungsverfahrens a limine zurückzuweisen (18 OCg 1/18y).

2. Es ist daher zu prüfen, ob die Klage auf einen tauglichen Aufhebungsgrund gestützt ist, ob also das als richtig unterstellte Tatsachenvorbringen der Klägerin den von ihr geltend gemachten Tatbestand des § 611 Abs 2 Z 8 ZPO erfüllt.

3. Gemäß § 611 Abs 2 Z 8 ZPO ist ein Schiedsspruch dann aufzuheben, wenn dieser Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht. Unter den Grundwertungen der Rechtsordnung werden nach der herrschenden Lehre und Judikatur vor allem die Grundsätze der Bundesverfassung, die Grundsätze der EMRK, des Strafrechts, des Privatrechts, des Prozessrechts und des öffentlichen Rechts verstanden. Bei den Grundwertungen handelt es sich um unverzichtbare Wertvorstellungen, die das österreichische Recht prägen. Schutzobjekt sind nicht die subjektiven Rechtspositionen der Verfahrensparteien, sondern die inländische Rechtsordnung, die vor dem Eindringen mit ihr vollkommen unvereinbarer Rechtsgedanken und vor der unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen geschützt werden soll (RIS-Justiz RS0110743; RS0110125; Hausmaninger in Fasching/Konecny³ IV/2 § 611 ZPO Rz 160). Maßgebend ist dabei das Ergebnis des Schiedsspruchs und nicht seine Begründung (RS0110743 [T19]; RS0110125 [T5]). Dieser Aufhebungsgrund bietet also keine Handhabe für die Prüfung der Frage, ob und wie weit das Schiedsgericht die im Schiedsverfahren aufgeworfenen Tatfragen und Rechtsfragen richtig gelöst hat (RS0045124). Die Prüfung, ob eine Ordre-public-Widrigkeit vorliegt, darf also nicht zu einer (Gesamt-)Überprüfung des Schiedsspruchs in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht führen (Unzulässigkeit einer révision au fond). Fehlentscheidungen müssen deshalb grundsätzlich hingenommen werden. Nur im Falle willkürlicher Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht wird eine Ausnahme für allenfalls möglich gehalten (18 OCg 1/19z; 18 OCg 3/15p).

4.1. Weder widerspricht das Ergebnis der hier angefochtenen Kostenentscheidung Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung, noch ist dieses (nach dem Klagsvorbringen) Folge einer willkürlichen Rechtsanwendung.

4.2. Wird das Schiedsverfahren beendet, so hat das Schiedsgericht über die Verpflichtung zum Kostenersatz zu entscheiden, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben. Nach den Regeln der ZPO hat das Schiedsgericht dabei nach seinem Ermessen die Umstände des Einzelfalls, insbesondere den Ausgang des Verfahrens, zu berücksichtigen. Die Ersatzpflicht kann alle zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung angemessenen Kosten umfassen (§ 609 Abs 1 ZPO). Gleichzeitig mit der Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz hat das Schiedsgericht, sofern dies bereits möglich ist und die Kosten nicht gegeneinander aufgehoben werden, den Betrag der zu ersetzenden Kosten festzusetzen (§ 609 Abs 3 ZPO). In jedem Fall haben die Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz und die Festsetzung des zu ersetzenden Betrags in Form eines Schiedsspruchs nach § 606 ZPO zu erfolgen (§ 609 Abs 4 ZPO). Ist die Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz oder die Festsetzung des zu ersetzenden Betrags unterblieben oder erst nach Beendigung des Schiedsverfahrens möglich, so wird darüber in einem gesonderten Schiedsspruch entschieden (§ 609 Abs 5 ZPO).

4.3.§ 609 Abs 1 ZPO steht unter dem ausdrücklichen Vorbehalt einer allenfalls bestehenden abweichenden Vereinbarung der Schiedsparteien über die Kostentragungsregelung. Eine entsprechende Vereinbarung kann in der Schiedsvereinbarung (unmittelbar oder durch Verweis auf institutionelle Schiedsregeln) oder in einer getrennten Verfahrensvereinbarung getroffen werden (Hausmaninger in Fasching/Konecny³ § 609 ZPO Rz 174). Nach Art 38.5 der hier nach dem Klagsvorbringen anzuwendenden ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 [ICC] kann das Schiedsgericht bei der Entscheidung über die Kosten alle ihm relevant erscheinenden Umstände berücksichtigen, einschließlich des Ausmaßes, in dem jede der Parteien das Verfahren in einer zügigen und kosteneffizienten Weise betrieben hat. Art 38.5 ICC gestattet den Schiedsrichtern in der Kostenentscheidung demnach grundsätzlich Entscheidungsfreiheit, etwa können ICC-Schiedsrichter von jeder Orientierung am Ausgang des Falls Abstand nehmen und innerhalb der Grenzen der Sittenwidrigkeit auch gänzlich andere Ansätze verfolgen (Hausmaninger in Fasching/Konecny³ § 609 ZPO Rz 18 f mwN).

4.4. Nach dem Klagsvorbringen lag dem Schiedsverfahren eine Stufenklage der Klägerin zugrunde. Die Klägerin bringt vor, die Beklagte habe den mit Teilschiedsspruch zugesprochenen (ersten) Anspruch auf Rechnungslegung erfüllt und die sich aus der Rechnungslegung ergebende Forderung der Klägerin (außergerichtlich) bezahlt. Die Klägerin habe daraufhin den (zweiten) Anspruch auf Zahlung zurückgezogen und das Schiedsverfahren auf die Erstattung der Kosten eingeschränkt. Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zum Kostenersatz im Fall der Stufenklage gebühre der Klägerin daher voller Kostenersatz für das gesamte Verfahren. Der Schiedsrichter habe jedoch entgegen diesen kostenrechtlichen Grundsätzen keine gesonderten Verfahrensabschnitte gebildet, sondern in einer Gesamtbetrachtung der Verfahrenskosten eine „systemwidrige“ kostenrechtliche Vermischung der beiden Ansprüche der Stufenklage vorgenommen und die Prozentsätze aus den beiden Ansprüchen addiert. Hinsichtlich des Zahlungsbegehrens habe der Schiedsrichter dabei die letztlich berechtigte Forderung von 2.984,55 EUR mit der von der Klägerin vorgenommenen Streitwertbemessung von 150.000 EUR in Relation gesetzt und eine Überklagung angenommen.

4.5. Von einer Sittenwidrigkeit dieser im Rahmen seiner Entscheidungsfreiheit nach Art 38.5 ICC angestellten Erwägungen des Schiedsrichters kann keine Rede sein. Vielmehr hielte sich diese Beurteilung auch in dem Ermessensspielraum, den § 609 Abs 5 ZPO dem Schiedsgericht bei den Grundsätzen der Kostenentscheidung und der Festlegung des Umfangs der ersetzten Kosten im Vergleich zur weitgehend starren Regel des staatlichen Verfahrens einräumt. (Auch) danach ist das Schiedsgericht mangels gegenteiliger Parteienvereinbarung nicht an die § 40 ff ZPO gebunden (Hausmaninger in Fasching/Konecny³ § 609 Rz 3, 57 ff).

5. Die mit dem angefochtenen Endschiedsspruch zur Kostenentscheidung erfolgte Festsetzung der Kostenersatzpflicht der Schiedsklägerin ist demnach nicht als Verstoß gegen den materiellen ordre public anzusehen. Der in der Klage vorgebrachte Sachverhalt verwirklicht damit den geltend gemachten Tatbestand des § 611 Abs 2 Z 8 ZPO nicht.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2020:018OCG00012.19T.0115.000

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