OGH vom 23.05.2005, 10ObS31/05i

OGH vom 23.05.2005, 10ObS31/05i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Löwe (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ibolya T*****, vertreten durch Mag. Hans Peter Puchleitner, Rechtsanwalt in Fehring, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Ausgleichszulage, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 121/04z-37, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 9 Cgs 169/03b-31, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage wendet sich Klägerin gegen den - ihren Antrag auf Ausgleichszulage ablehnenden - Bescheid der beklagten Pensionsversicherung vom . Diese Ablehnung ist nur noch insoweit strittig, als sie aus dem Titel Anrechnung einer fiktiven Unterhaltsleistung des geschiedenen Gatten der Klägerin mit dem von ihr im Unterhaltsverfahren geforderten Betrag von S 1.500 = EUR 109,01 monatlich ab erfolgt.

Fest steht, dass die Klägerin - aufgrund des am im Unterhaltsverfahren gegen ihren geschiedenen Gatten abgeschlossenen gerichtlichen Vergleichs - die mit diesem vereinbarte sog „Ausgleichszahlung" von S 70.000 erhalten hat, und dass kein weiterer Unterhaltsanspruch der Klägerin mehr besteht, weil damit sämtliche Ansprüche zwischen den dortigen Parteien „verglichen und bereinigt" wurden; der diesbezügliche wechselseitige Verzicht auf wie immer geartete Ansprüche betrifft (laut „Ergänzung zur Vergleichsausfertigung" vom ) ausdrücklich auch den „wechselseitigen Verzicht auf auf Unterhalt, dies auch für den Fall der Not, der geänderten Verhältnisse und Gesetzeslage".

Im zweiten Rechtsgang haben die Vorinstanzen (neben der unangefochten in Rechtskraft erwachsenen teilweisen Klagsstattgebung) das Mehrbegehren aufgrund der bekämpften Unterhaltsanrechnung abgewiesen, weil es sich beim Vergleichsbetrag um eine pauschale Unterhaltsleistung handle, die im Rahmen der Ausgleichszulagenbemessung so lange mit den begehrten monatlichen Unterhaltsbeträgen zu berücksichtigen sei, bis der Betrag von S 70.000 erreicht werde.

Das Berufungsgericht begründete den Ausspruch über die Revisionszulässigkeit damit, dass - soweit ersichtlich - eine Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Anrechnung einer pauschalen Unterhaltsleistung nicht vorliege.

Die Revision hält der Beurteilung, dass die gegenständliche Unterhaltsleistung berücksichtigt werden müsse, die Entscheidung des VfGH betreffend die Aufhebung des § 294 Abs 1 lit b ASVG entgegen; danach komme eine pauschale Unterhaltsanrechnung nicht mehr in Betracht. Gründe für die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Unterhaltsverzichts der Klägerin lägen ebenfalls nicht vor. Daher sei nicht nachvollziehbar, warum die einmalige Pauschalabfindung „fiktiv" auf einen monatlichen Unterhaltsbeitrag aufgeteilt werde. Da die Klägerin tatsächlich keinen monatlichen Unterhalt bezogen habe, sei die Anrechnung zu unterlassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem - das Revisionsgericht nicht bindenden (§ 508a ZPO) - Zulässigkeitsausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil eine im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO erhebliche Rechtsfrage nicht vorliegt:

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in zahlreichen Entscheidungen (SSV-NF 16/97, 17/60, 17/63; DRdA 2004/29, 381 [Dumpfhart], 10 ObS 223/02w, 10 ObS 114/03t sowie jüngst: 10 ObS 38/04t und 10 ObS 190/04w) zur Anrechnung von Unterhaltsansprüchen auf die Ausgleichszulage - nach der Aufhebung der Pauschalanrechnungsvorschrift durch den Verfassungsgerichtshof - eingehend Stellung genommen. Es wurde dabei insbesondere darauf hingewiesen, dass seit der Aufhebung der Unterhaltspauschalierung Unterhaltsansprüche unter den allgemeinen Einkommensbegriff des § 292 Abs 3 ASVG fallen. Dies hat - wie bereits die Vorinstanzen erkannt haben - die Konsequenz, dass auch diese Einkünfte nur im tatsächlich zufließenden Ausmaß für die Ermittlung der Ausgleichszulage heranzuziehen sind. Der bloße Anspruch auf bestimmte Geld- und Sachleistungen reicht dafür nicht aus.

Weiters wurde festgehalten, dass es der subsidiäre sozialhilfeähnliche Charakter der Ausgleichszulage jedoch im Allgemeinen auch verbietet, dass der Berechtigte von sich aus auf realisierbare Einkünfte verzichtet. Die Judikatur hat aus dem Gedanken des Verbots missbräuchlicher Rechtsausübung gefolgert, dass der Verzicht auf bestehende, im Rahmen der Ausgleichszulagenfeststellung zu berücksichtigende Ansprüche (worunter auch das bloße Nichtgeltendmachen und Nichteintreiben offener Forderungen zu verstehen ist) für die Ausgleichszulagenfeststellung unbeachtlich ist, sofern dieser Verzicht (bzw die Rechtsaufgabe) offenbar den Zweck hat, den Träger der Ausgleichszulage zu schädigen, indem die Leistungslast vom persönlich haftenden (Unterhalts-)Schuldner auf die öffentliche Hand abgewälzt werden soll.

Demnach sind nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Unterhaltsansprüche, die nicht der Pauschalanrechnung des § 294 Abs 1 lit c ASVG unterliegen, bei der Ausgleichszulagenbemessung als sonstiges Einkommen zu berücksichtigen, soweit sie tatsächlich zufließen oder rechtsmissbräuchlich nicht realisiert werden (10 ObS 190/04w mwN).

Von diesen Grundsätzen geht nicht nur die angefochtene Entscheidung sondern auch die dagegen erhobene Revision aus. Es ist daher im vorliegenden Fall gar nicht strittig, dass die Vorinstanzen bei der Berechnung des Anspruches der Klägerin auf Ausgleichszulage eine der Klägerin im maßgebenden Zeitraum tatsächlich zugeflossene (RIS-Justiz RS0085181) Unterhaltszahlung von S 70.000 berücksichtigt haben. Auch die Form der Anrechnung (Aufteilung des Betrages in der im Unterhaltsverfahren begehrten Höhe) wird in der Revision nicht mehr bekämpft. Die Revisionswerberin beruft sich zur Begründung ihres Standpunktes, eine Anrechnung dieser „Pauschalabfindung" auf die Ausgleichszulage hätte überhaupt nicht stattfinden dürfen, vielmehr auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 104/00.

Dabei wird zunächst übersehen, dass darin die - sachlich nicht gerechtfertigte - Pauschalanrechnung von fiktivem Unterhalt (mit einem bestimmten, im Gesetz festgelegten Prozentsatz, der von der Unterhaltsrechtsprechung der ordentlichen Gerichte nicht gedeckt war [Dumpfhart, Ausgleichszulage - Aufhebung der Unterhaltspauschalierung, DRdA 2004/29, 385 vorletzter Abs]) nach dem mit diesem Erkenntnis aufgehobenen § 294 Abs 1 lit b ASVG zu beurteilen war, und nicht - wie hier - die pauschale Bezahlung von Unterhalt. Was aber die Anrechnung pauschaler Unterhaltszahlungen betrifft entgeht auch dem Berufungsgericht, dass der erkennende Senat diese Frage bereits wiederholt behandelt und dazu Folgendes ausgesprochen hat:

„Im Bereich des Ausgleichszulagenrechtes kann es keine Rolle spielen, ob ein Ehemann seiner Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau durch fortlaufende Leistungen oder eine fortwirkende einmalige Kapitalabfindung nachkommt. Pensionisten mit abgefertigten Rentenansprüchen dürfen daher gegenüber jenen mit gleichwertigen laufenden Rentenansprüchen ausgleichszulagenrechtlich nicht besser gestellt werden (DRdA 1998/17 mit Anm Binder; SSV 14/59; SVSlg 24.747; 23.580; Teschner/Widlar, MGA-ASVG 56. Erg-Lfg 1450/2c). Es kann daher eine bloße Änderung der Zahlungsmodalität - an die Stelle laufender Unterhaltsleistungen tritt eine einmalige Kapitalabfindung - nicht dazu führen, dass der Pauschalierungstatbestand des § 294 Abs 1 ASVG nicht mehr anwendbar wäre." (10 ObS 35/00w mwN = SSV-NF 14/29 = RIS-Justiz RS0113474; Hervorhebungen in Fettdruck nicht im Original).

Demgemäß entspricht es aber (unabhängig von der Aufhebung des § 294 Abs 1 lit b ASVG [vgl zur früheren Rechtslage: Binder in DRdA 1998/17, 189 ff]) bereits seit der Entscheidung 10 ObS 235/97z der stRsp, dass gemäß § 292 Abs 3 ASVG auf eine Pauschalzahlung, mit der - wie hier - alle Unterhaltsansprüche abgegolten wurden, Bedacht zu nehmen ist (RIS-Justiz RS0085114 [T7] = SSV-NF 11/95). Es geht hier also gar nicht darum, ob ein Pensionsberechtigter auf Ansprüche mit Einkommenscharakter verzichten darf, sondern ausschließlich um die in der Rsp bereits beantwortete Frage, ob tatsächlich zugeflossene Unterhaltsleistungen als einkommenswerte Leistungen zuzurechnen sind (SSV-NF 11/95).

Die Revision ist daher mangels erheblicher, für die Entscheidung des Verfahrens relevanter Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.