OGH vom 02.03.2021, 18OCg10/19y

OGH vom 02.03.2021, 18OCg10/19y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten Dr. Veith und die Hofräte Hon.Prof. Dr. Höllwerth, Hon.Prof. PD Dr. Rassi und Mag. Painsi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch Mag. Martin Platte, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D***** GmbH, *****, Deutschland, vertreten durch die WOLF THEISS Rechtsanwälte GmbH Co KG, Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs (Streitwert 910.546,51 EUR), nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht erkannt:

Spruch

Das Klagebegehren, den von den Schiedsrichtern Dr. R*****, Dr. G***** und der Schiedsrichterin Dr. A***** in der Rechtssache D***** AG gegen die D***** GmbH im Verfahren der Internationalen Handelskammer mit der Aktenzahl ICC Nr. 23490/FS und dem Schiedsort Wien, Österreich, gefällten Schiedsspruch vom in den Spruchpunkten [IX.] 2., 3., 5., 6., 8. und 9. aufzuheben, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 8.217,44 EUR bestimmten Verfahrenskosten (darin 1.133,44 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] I. Sachverhalt

[2] Die Klägerin gehört zur D*****-Gruppe, einem weltweit agierenden Unternehmen, das unter anderem in den Bereichen Pharma und Healthcare spezialisiert ist und pharmazeutische Produkte aus eigener oder dritter Herstellung vertreibt. Zu diesen Produkten zählen Arzneimittel und Kosmetika, für deren Herstellung die Klägerin den Wirkstoff Mucopolysaccharidpolysulfat („MPS“) benötigt.

[3] Die Beklagte ist der europäische Teilkonzern eines weltweit tätigen Pharmakonzerns und auf die Herstellung, Entwicklung, Vermarktung und den Vertrieb pharmazeutischer Produkte spezialisiert. Zu diesen Produkten gehört der kundenspezifisch produzierte Wirkstoff „MPS“. Die Beklagte ist Alleingesellschafterin der Produktionsgesellschaft D***** Sárl, mit dem Sitz in ***** in Frankreich („DS A*****“), die diesen Wirkstoff konzernintern herstellt.

[4] Mit dem Supply Agreement vom 21./ vereinbarten die Parteien die fortlaufende Lieferung des Wirkstoffs MPS durch die beklagte Partei an die Klägerin.

[5] Die nach Packungsgröße („Teilbatches“, „volle Batches“) variierenden Preise sind im Schedule 1 des Supply Agreement festgelegt. § 6 Abs 2 des Supply Agreement enthält folgende Preisanpassungsregelung:

„The supply prices are subject to revision and shall be annually adjusted in good faith, mainly based on the variation of costs for raw material, personnel and/or direct toll manufacturing. However, prices as indicated in Schedule 1 shall be valid and binding within an initial term until 31st of March 2014.“

[6] In seinem § 11 Abs 1 regelt das Supply Agreement vom 21./ das anwendbare Recht:

„This Agreement shall be governed by and

[7] Das Supply Agreement enthält in § 11 Abs 2 folgende Schiedsklausel:

„All disputes arising out of or in connection with this Agreement shall be finally settled under the Rules of Arbitration of the International Chamber of Commerce (ICC) by three (3) arbitrators. Each Party shall nominate one (1) arbitrator and the so appointed two arbitrators shall nominate the third arbitrator as chairman. The arbitration shall be conducted in German, whereby the Parties shall be allowed to submit documents and evidence in English. The seat of the tribunal shall be in Vienna, Austria.“

[8] In den Jahren 2014, 2015 und 2016 passten die Parteien den MPS-Preis jeweils zum 1. April einvernehmlich an. Gegenüber dem Vorjahr wurden die Preise im Jahr 2014 um 7 %, im Jahr 2015 um 3 % und im Jahr 2016 um 1,8 % erhöht. Eine einvernehmliche Anpassung des Preises für das Jahr 2017 und die Folgejahre scheiterte. Der Streit darüber mündete (nach einem Verfügungsverfahren und einer Interimsvereinbarung betreffend die Vertragsabwicklung bis zur schiedsgerichtlichen Entscheidung) in dem bei der Internationalen Handelskammer (ICC) geführten Schiedsverfahren.

II. Schiedsverfahren

A. Verfahrensgang

[11] 1. Die Klägerin brachte am bei der ICC als Schiedsklägerin die Schiedsklage ein. Sie stellte folgende Anträge (Schiedsklage, Blg ./C):

„I. Es wird festgestellt, dass die Preisanpassungsregelung des § 6.2 des Liefervertrags der Schiedsparteien vom 21./ dahin auszulegen ist, dass eine Preisanpassung jeweils nur mit Wirkung ab dem 1. April eines Jahres möglich ist und eine entsprechende Einigung der Parteien vor diesem Zeitpunkt voraussetzt.

II. Es wird weiter festgestellt, dass der Nettopreis für MPS-Lieferungen, die seit einschließlich der Bestellung Nr. 8219028514 vom mit Lieferdatum unter dem Liefervertrag der Schiedsparteien vom 21./ bestellt wurden bzw. werden, und den weiteren Konditionen der Schedule 1 zum Liefervertrag der Schiedsparteen vom 21./ entsprachen bzw. entsprechen, bis und danach bis zur nächsten nach § 6.2 dieses Liefervertrages wirksamen Preisanpassung pro Kg MPS EUR 1.080,00 beträgt.

III. Die Beklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin EUR 97.461,00 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 9 (neun) Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit.

IV. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere EUR 1.3, zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 9 (neun) Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit.

V. Die Beklagte trägt die Kosten des schiedsgerichtlichen Verfahrens.“

[12] 2. Mit Schriftsatz vom beantwortete die Beklagte als Schiedsbeklagte diese Klage und erhob ihrerseits Widerklage (Klageantwort, Blg ./D). Sie beantragte:

„1. die Schiedsklage abzuweisen.

2. den Vertragspreis unter dem Supply Agreement für das Geschäftsjahr 2017 auf EUR 1.610,00/kg zzgl. Mehrwertsteuer (Teilbatches) bzw. auf EUR 1.540,00/kg zzgl. Mehrwertsteuer (volle Batches), und für das Geschäftsjahr 2018 auf EUR 1.510,00/kg zzgl. Mehrwertsteuer (Teilbatches) bzw. auf EUR 1.410,00/kg zzgl. Mehrwertsteuer (volle Batches) anzupassen; hilfsweise, die [Schiedsklägerin] zur Abgabe der Zustimmung zu einer entsprechenden Preisanpassung für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 zu ver

3. die [Schiedsklägerin] zur Zahlung von EUR 29.452,50 nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem anwendbaren Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit der Widerklage an die [Schiedsbeklagte] zu verurteilen.

4. festzustellen, dass für die Geschäftsjahre ab 2019 bis zum Ende der Laufzeit des Supply Agreement im Rahmen der jährlichen Preisanpassung insbesondere Steigerungen und Reduktionen des von der [Schiedsbeklagten] an die DS A***** zu entrichtenden Einkaufspreises für MPS vollständig zu berücksichtigen sind.

5. der [Schiedsklägerin] die Kosten des Schiedsverfahrens aufzuerlegen.“

[13] 3.1. Mit E-Mail vom übermittelte das Schiedsgericht den Parteien die Endfassung des – auf Basis der mit den Parteien erörterten Entwürfe erstellten – Schiedsauftrags. Die Parteien sandten den unterzeichneten Schiedsauftrag am bzw zurück.

[14] 3.2. Der Schiedsauftrag (Blg ./L) enthält unter anderem eine Zusammenfassung der Positionen der Parteien [VII.], die wörtliche Wiedergabe der mit der Schiedsklage bzw mit der Widerklage verfolgten Anträge [VIII.] und eine Liste der zu entscheidenden Streitfragen [IX.]. Die „Zusammenfassung der Positionen der Parteien und die Liste der zu entscheidenden Streitfragen haben auszugsweise folgenden Wortlaut:

„VII. Zusammenfassung der Positionen der Parteien

Die nachfolgende Zusammenfassung dient der Beschreibung der Positionen der Parteien im Sinne von Artikel 23(1)(c) SchO und versteht sich vorbehaltlich der Berücksichtigung sämtlicher weiteren Argumente, die von den Parteien während des Verfahrens in den Grenzen des Artikel 23(4) SchO entwickelt werden können.

1. Zusammenfassung der Position der Schiedsklägerin

Die Schiedsklägerin begehrt die Feststellung bestimmter Inhalte der Preisanpassungsklausel eines zwischen den Parteien bestehenden langfristigen Liefervertrags, die Feststellung des Preises für bestimmte Perioden, die Rückzahlung überzahlter Beträge und Ersatz entstandener Schäden, weil die Beklagte unter Berufung auf eine unzutreffende Auslegung dieser Klausel die Belieferung der Klägerin von der Zahlung eines von ihr einseitig festgelegten Preises abhängig gemacht hat und weiter macht.

[…]

Die Schiedsklägerin ist der Auffassung, § 6.2. des Liefervertrages sei dahin auszulegen, dass eine Preisanpassung nur mit Wirkung ab dem 01. 04. eines Jahres möglich ist und eine entsprechende Einigung der Parteien voraussetzt, die vor diesem Zeitpunkt erfolgt. [...]

Weiter legt die Schiedsklägerin dar, dass der zum vereinbarte Preis in Höhe von EUR 1.080/kg MPS bis zum gilt. Denn unstreitig hätten die Parteien auf jeweiligen Vorschlag der Beklagten zum jeweiligen 01. 04. der Jahre 2014, 2015 und zuletzt 2016 eine moderate Erhöhung des MPS-Preises vereinbart, während es zu den Anpassungsstichtagen und an einer solchen Einigung fehle.

Die Schiedsbeklagte [...] vermöge weder darzulegen, dass sie rechtzeitig vor Fristablauf zustimmungsfähige Preisanpassungsbegehren gestellt hätte, mit der Folge, dass die fehlende Zustimmung der Klägerin durch Entscheidung des Schiedsgerichts rückwirkend ersetzt werden könnte. So seien die gestellten Anpassungsbegehren mangels Zustimmungsfähigkeit nicht fristwahrend gewesen. Dies habe daran gelegen, dass die pauschale Behauptung 'gestiegener Rohstoffpreise' ohne Substantiierung und Beleg nicht zur Begründung einer Preisanpassung tauge und darüber hinaus der konzerninterne Verrechnungspreis für MPS entgegen der Auffassung der Schiedsbeklagten nicht zu den Parametern zähle, deren Änderung eine Preisanpassung begründen könne. Denn dieser Verrechnungspreis falle weder originär unter die nach § 6.2. SA maßgeblichen Parameter, noch hätten die Parteien nachträglich seine Maßgeblichkeit vereinbart. Des Weiteren fehlte den Anpassungsbegehren jeweils eine Dokumentation, die der Schiedsklägerin eine Prüfung ermöglicht hätte.

[...]

Darüber hinaus könne die Schiedsbeklagte nicht darlegen, dass die Parteien in Abänderung der vertraglichen Anpassungsregelung für die Periode vom bis zum dem Schiedsgericht ein Preisbestimmungsrecht eingeräumt hätten. Denn die Interimsvereinbarung hätte nicht die Zuständigkeit für die Vornahme der Preisanpassung verändert.

Die Schiedsklägerin legt weiter dar, dass sich bei Weitergeltung des Preises von EUR 1.080/kg MPS unstreitig ein Anspruch auf Erstattung der im Rahmen der Interimsvereinbarung überzahlten Beträge ergibt.

Die Schiedsklägerin trägt ferner vor, dass die Schiedsbeklagte ihre Lieferpflichten gegenüber der Klägerin durch Verlangen eines nicht vertragsgemäßen Preises, Verweigerung von Bestellbestätigungen und Androhung eines Lieferstopps verletzt hat.

[...]

2. Zusammenfassung der Position der Schiedsbeklagten

[…]

Die Schiedsbeklagte ist der Ansicht, dass sich die Preisanpassungen nach § 6 Abs. 2 des Supply Agreement insbesondere nach der Entwicklung der Einkaufspreise bei der DS A***** richten. Dies entspricht auch dem gemeinsamen Verständnis der Parteien, die den Preisanpassungen für die Jahre 2014, 2015 und 2016 jeweils die Steigerungen der Preise bei der DS A***** zugrunde legten. Da auch die Preise für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 anhand der Entwicklung der Einkaufspreise bei der DS A***** anzupassen sind, kann die Schiedsklägerin keine Feststellung des für das Jahr 2016 geltenden Vertragspreises von EUR 1.080,00/kg für die Geschäftsjahre 2017 nur bis zur nächsten wirksamen Preisanpassung verlangen.

Die Preise für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 sind durch das Schiedsgericht anzupassen, da sich die Parteien nach Beginn ihrer Auseinandersetzung im Rahmen einer Interimsregelung vom März 2017 darauf verständigt hatten, dass die Preisanpassung endgültig durch ein Schiedsgericht festgelegt werden soll. Insofern kommt es auch nicht darauf an, ob § 6 Abs. 2 des Supply Agreement ein einseitiges Bestimmungsrecht der Schiedsbeklagten über die Preisanpassung enthält oder eine entsprechende Vereinbarung der Parteien voraussetzt.

Der vom Schiedsgericht auf Grundlage von § 6 Abs. 2 des Supply Agreement für das Geschäftsjahr 2017 festzulegende Preis beträgt aufgrund der Steigerung der Einkaufspreise bei der DS A***** […] EUR 1.610,00/kg für Teilbatches EUR 1.540,00/kg für volle Batches. Für das Geschäftsjahr 2018 ist die Preisreduktion bei der DS A***** [...] zu berücksichtigen, so dass der Vertragspreis für dieses Geschäftsjahr auf EUR 1.510,00/kg für Teilbatches und EUR 1.410,00/kg für volle Batches anzupassen ist.

Infolge der vorzunehmenden Anpassungen hat die Schiedsklägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung von im Geschäftsjahr 2017 angeblich überzahlten Beträgen [...].

Auch der weitere Antrag der Schiedsklägerin auf Feststellung, dass eine Preisanpassung nach § 6 Abs. 2 des Supply Agreement nur zum 1. April eines Jahres möglich ist und eine entsprechende Einigung der Parteien vor diesem Zeitpunkt voraussetzt, ist unbegründet. Eine solche Regelung ist in § 6 Abs. 2 des Supply Agreement nicht enthalten und gäbe der Schiedsklägerin die – als abwegig erachtete – Möglichkeit, jede Preisanpassung durch Verweigerung bzw. Verzögerung ihrer Zustimmung zu vereiteln. […]

Schließlich ist der klägerische Antrag zu IV., mit dem die Schiedsklägerin insbesondere die Kosten des Verfügungsverfahrens vor dem LG München wegen eines angeblich angedrohten Lieferstopps als Schadensersatz geltend macht, unzulässig, da ihm die Rechtskraft des Kostenbeschlusses des LG München vom entgegensteht. Der Antrag ist auch unbegründet, da die Schiedsbeklagte ihre Lieferpflichten gegenüber der Schiedsklägerin nicht verletzt hat [...].

Im Wege der Widerklage macht die Schiedsbeklagte ihrerseits die oben beschriebene Anpassung des Vertragspreises durch das Schiedsgericht für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 geltend [...]. Hilfsweise macht die Schiedsbeklagte ihren Anspruch darauf geltend, dass die Schiedsklägerin diesen Preisanpassungen zustimmt. Da der für das Geschäftsjahr 2017 auf EUR 1.610,00/kg (Teilbatches) anzupassende Preis den von der Schiedsklägerin für dieses Geschäftsjahr gezahlten Interimspreis von EUR 1.500,00/kg übersteigt, hat die Schiedsbeklagte einen Anspruch auf Nachzahlungen in Höhe von insgesamt EUR 29.452,50 [...].

Schließlich beantragt die Schiedsbeklagte im Hinblick auf die Geschäftsjahre ab 2019 bis Ende der Laufzeit des Vertrages die Feststellung, dass im Rahmen der jährlichen Preisanpassung insbesondere Steigerungen und Reduktionen des Einkaufspreises bei der DS A***** vollständig im Rahmen der Preisanpassung nach § 6 Abs. 2 des Supply Agreement zu berücksichtigen sind.

[...

IX. Liste der zu entscheidenden Streitfragen

Die zu entscheidenden Streitfragen ergeben sich aus den Schriftsätzen der Parteien, insbesondere ist zu klären:

  • Feststellung der Modalitäten und Voraussetzungen einer Preisanpassung gemäß § 6 Abs. 2 des Supply Agreement, sowie des Vertragspreises unter dem Supply Agreement für die Geschäftsjahre 2017, 2018 und die Geschäftsjahre ab 2019.

  • Berechtigung der Rückzahlungsforderung der Schiedsklägerin in Höhe von EUR 97.461,00.

  • Berechtigung der Schadensersatzforderung der Schiedsklägerin in Höhe von EUR 143.335,98.

  • Berechtigung der Nachzahlungsforderung der Schiedsbeklagten in Höhe von EUR 29.452,50.

  • Kostenerstattungsansprüche der Parteien.“

4. Das Schiedsgericht verhandelte am 17. und mündlich über die bis dahin gestellten Anträge der Parteien und nahm Beweise auf.

5. Mit Schriftsatz vom (Blg ./J) nahm die Klägerin zur mündlichen Verhandlung Stellung und reduzierte ihr Klagebegehren in Bezug auf den Antrag IV. auf 139.352,33 EUR. Ferner ergänzte sie ihre Anträge I. und III. um die folgenden Hilfsanträge I. a) und b) sowie III. b):

„[I.] a) Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Preisanpassungsklausel in § 6.2 des Liefervertrags der Schiedsparteien vom 21./ dahin auszulegen ist, dass eine Preisanpassung jeweils nur mit Wirkung ab dem 1. April eines Jahres möglich ist und die Preisanpassung voraussetzt, dass die vom Schiedsgericht für zutreffend erachtete Anpassungsfrist durch Zugang eines zustimmungsfähigen Anpassungsbegehrens gewahrt ist.

b) Hilfsweise: Es wird festgestellt, dass die Preisanpassungsregelung in § 6.2 des Liefervertrags der Schiedsparteien vom 21./ dahin auszulegen ist, dass eine Preisanpassung jeweils nur mit Wirkung ab dem 1. April eines Jahres möglich ist und die Preisanpassung ausgeschlossen ist, wenn die Anpassungsberechtigte kein zustimmungsfähiges Anpassungsbegehren vor Ablauf einer von der Anpassungsverpflichteten gesetzten angemessenen Frist gestellt hat.

[III.] b) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren Beträge zu erstatten, die die Klägerin für bisherige oder zukünftige Lieferungen, die unter dem Liefervertrag der Schiedsparteien vom 21./ bestellt wurden bzw. bestellt werden, gegenüber einem Preis von Kg MPS EUR 1.080,00 überzahlt hat oder noch überzahlen wird.“

6. Mit Schriftsatz vom (Blg ./2) nahm die Beklagte zur mündlichen Verhandlung Stellung und ergänzte und modifizierte ihre Anträge. Zu Punkt 3. beantragte die Beklagte, die Klägerin zur Zahlung weiterer 31.599,26 EUR nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem anwendbaren Basiszinssatz seit dem zu verurteilen. Das Feststellungsbegehren zu Punkt 4. richtete es nun auf die Feststellung, dass der Beklagten „auf Grundlage des § 6 Abs. 2 des Supply Agreement ein einseitiges Preisanpassungsrecht zusteht, dessen Ausübung insbesondere entsprechend der Entwicklung der MPS-Bezugskosten der [Schiedsbeklagten] erfolgt“.

7.1. Mit Schriftsatz vom (Blg ./E) verwies die Beklagte darauf, dass die Klägerin das ihr mit Schriftsatz vom unterbreitete Angebot zur Erhöhung des MPS-Preises für das Geschäftsjahr 2019 abgelehnt habe, und beantragte in Erweiterung ihrer Widerklage [als 6.] die Feststellung, „dass der Vertragspreis/kg MPS unter dem Supply Agreement für das Geschäftsjahr 2019 EUR 1.450,00/kg (volle Batches) beträgt“.

[19] 7.2. Mit E-Mail vom setzte das Schiedsgericht (unter anderem) der Klägerin eine in der Folge verlängerte Frist für die Erwiderung. Mit Schriftsatz vom (Blg ./F) beantragte die Klägerin, über die neuen bzw aktualisierten Anträge beider Parteien mündlich zu verhandeln, den Parteien vorbereitend Gelegenheit zu geben, zu den neuen bzw aktualisierten Anträgen und zu dem jeweils neuen Vorbringen der Gegenseite Stellung zu nehmen und den Verfahrenskalender entsprechend zu aktualisieren.

[20] 7.3. Mit der Verfahrensverfügung Nr 4 vom (Blg ./G) wies das Schiedsgericht die Anträge der Klägerin, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Parteien vorbereitende Schriftsätze zu gewähren, ab und verfügte die Schließung des Verfahrens. Die Klägerin habe bereits Gelegenheit gehabt, zum Schriftsatz der Beklagten Stellung zu nehmen, und es komme für die Entscheidung der streitgegenständlichen Ansprüche nicht darauf an, eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen.

B. Schiedsspruch

1.Entscheidung

[23] Mit Schiedsspruch vom entschied das Schiedsgericht über sämtliche Anträge, also auch über die nach der mündlichen Verhandlung gestellten Anträge. Die Entscheidung in der Fassung des Addendums vom zum Schiedsspruch vom (Blg ./A und ./GG) lautet:

„1. Es wird festgestellt, dass die Preisanpassungsregelung des § 6 Abs. 2 des Supply Agreement zwischen der Schiedsklägern und der Schiedsbeklagten vom 21./ dahin auszulegen ist, dass eine Preisanpassung jeweils nur mit Wirkung ab dem 01. 04. eines Jahres möglich st. Im Übrigen werden der Klageantrag zu I. und die Hilfsanträge zu I. a) und I. b) abgewiesen.

2. Der Klageantrag zu II. wird abgewiesen.

3. Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin EUR 46.410,00 zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basis-Zinssatz seit dem . Im Übrigen werden der Klageantrag zu III.a) und der Klageantrag zu III.b) abgewiesen.

4. Der Klageantrag zu IV. wird abgewiesen.

5. Der Vertragspreis unter dem Supply Agreement wird für den Zeitraum bis (Geschäftsjahr 2017) auf EUR 1.300,00/kg zzgl. MwSt für volle Batches und EUR 1.370,00/kg zzgl. MwSt für Teilbatches angepasst und für den Zeitraum bis (Geschäftsjahr 2018) auf EUR 1.410,00/kg zzgl. MwSt für volle Batches und EUR 1.510,00/kg zzgl. MwSt für Teilbatches angepasst. Im Übrigen wird der Widerklageantrag zu 2. abgewiesen.

6. Die Schiedsklägerin wird verurteilt, an die Schiedsbeklagte EUR 31.599,26 zu zahlen zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem . Im Übrigen wird der Widerklageantrag zu 3. abgewiesen.

7. Der Widerklageantrag zu 4. wird abgewiesen.

8. Es wird festgestellt, dass der Vertragspreis/kg MPS unter dem Supply Agreement für den Zeitraum bis (Geschäftsjahr 2019) EUR 1.450,00/kg für volle Batches beträgt.

9. Die Schiedsklägerin trägt 80 % und die Schiedsbeklagte trägt 20 % der Kosten des Schiedsverfahrens; die Schiedsklägerin wird verurteilt, an die Schiedsbeklagte EUR 141.937,52 und USD 52.260,00 zu zahlen.“

[24] 2. Zusammenfassung der für das Aufhebungsverfahren wesentlichen Begründung

[25] 2.1. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des von ihm festgestellten Sachverhalts stellte das Schiedsgericht seiner Analyse der einzelnen Streitpunkte jeweils eine Diskussion der zusammengefasst dargestellten Positionen der Parteien voran. Für die Einzelheiten der Positionen und Argumente der Parteien verwies es auf deren Schriftsätze, Anlagen, schriftlichen Zeugenerklärungen und den Inhalt der mündlichen Verhandlung (Schiedsspruch Blg ./A, Rz 140).

2.2. In Bezug auf die von der Klägerin verfolgten Klageanträge zu I. auf Feststellung bestimmter Modalitäten und Voraussetzungen der Preisanpassung gemäß § 6 Abs 2 des Supply Agreement kam das Schiedsgericht zum Ergebnis, dass diese Vertragsbestimmung einen Preisanpassungsmechanismus vermittle, der einmal jährlich zum 1. 4. eines Jahres zur Anwendung komme, erstmals zum . Für die Möglichkeit einer „unterjährigen“ Preisanpassung zu einem anderen Datum als dem 1. 4. gäbe es keine Anhaltspunkte (Rz 156). Eine „Anpassungsfrist“ in dem Sinn, dass die einmal jährlich mögliche Preisanpassung vor dem 1. 4. eines Jahres abschließend feststehen müsse, bestehe nicht (Rz 159). § 6 Abs 2 des Supply Agreement enthalte dabei keine Vorgabe für den Prozess, wie eine Preisanpassung zu erfolgen habe. Jede Preisanpassung setze ein Preisanpassungsbegehren vor dem 1. 4. des Jahres, für das die Preisanpassung begehrt werde, voraus. Mindestanforderungen für ein solches Preisanpassungsbegehren seien die Kommunikation, dass eine Partei eine bestimmte Preisanpassung verlange (Rz 164, 165). Die Mitwirkung der anderen Partei liege sodann darin, dass sie zu der begehrten Preisanpassung Stellung beziehe. Es stehe dieser Partei frei, dem Preisanpassungsbegehren zuzustimmen, es abzulehnen oder nach einer weiteren Begründung zu fragen. Es sei nicht erforderlich, dass zwingend ein „zustimmungsfähiges“ oder in sonstiger Weise „prüffähiges“ Preisanpassungsbegehren vorgelegt werde, das bestimmte inhaltliche Begründungen für die Preisanpassung dem Grunde und der Höhe nach enthalte. § 6 Abs 2 des Supply Agreement stelle solche Voraussetzungen nicht auf. Sofern sich die andere Partei nicht in der Lage sehe, die Preisanpassung zu beurteilen, stehe es ihr frei, nachzufragen. Sodann müsste die Partei, die die Preisanpassung begehre, nachweisen, warum die von ihr begehrte Preisanpassung begründet sei. Im Fall einer Preisanpassung zugunsten der Beklagten müsse also konkret nachgewiesen sein, dass sich relevante Faktoren so erhöht haben, dass die begehrte Preisanpassung gerechtfertigt sei (Rz 167). Für ein Preisanpassungsbegehren müsse somit ein materieller Anpassungsgrund vorliegen. Ohne Anpassungsgrund, dh ohne Verwirklichung der in § 6 Abs 2 des Supply Agreement genannten Tatbestandsmerkmale, könne eine Preisanpassung nicht erfolgen, weil sie ansonsten unberechtigt wäre. Ob ein Preisanpassungsgrund bestanden habe, sei im Zweifel durch den Streitbeilegungsmechanismus von § 11 Abs 2 des Supply Agreement zu entscheiden, wenn sich die Parteien nicht einigen könnten (Rz 169). Eine Preisanpassung könne nicht dadurch ausgeschlossen sein, dass sich die Parteien nicht vor dem 1. 4. des Jahres, für das die Preisanpassung gelten solle, auf den Preis geeinigt haben (Rz 170). Eine Einigung der Parteien sei später möglich und könne auch erst im Wege der Streitbeilegung nach § 11 Abs 2 des Supply Agreement erfolgen (Rz 170).

[27] 2.3. Zur Frage eines einseitigen Leistungsbestimmungsrechts und/oder des Bestimmungsrechts des Schiedsgerichts vertritt dieses die Ansicht, dass § 6 Abs 2 des Supply Agreement kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht einer Partei enthält. Dessen Wortlaut lege vielmehr nahe, dass sich die Parteien über die Preisanpassung abzustimmen haben, ohne dass eine Seite der anderen Seite die MPS-Preise vorgebe (Rz 175 ff). Das zeige auch die Vorgehensweise der Parteien bei den Preisanpassungen zum , und (Rz 178). Die Anknüpfung der Preisanpassung an das Kriterium von „good faith“ führe nicht dazu, dass es sich bei § 6 Abs 2 des Supply Agreement um eine einseitige Preisanpassungsmöglichkeit handle, da dieses Kriterium nicht zwangsläufig eine Koppelung mit § 315 Abs 1 BGB darstelle. Vielmehr könne das Kriterium von Treu und Glauben vielfältig verwendet werden, etwa indem den Parteien aufgegeben werde, Preisanpassungsbegehren einer Partei nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben abzulehnen (Rz 179). Auch der Umstand, dass § 6 Abs 2 des Supply Agreement keinen Mechanismus vorsehe, was passiere, wenn sich die Parteien nicht auf eine Preisanpassung einigen könnten, führe nicht dazu, dass es sich um ein einseitiges Preisanpassungsrecht handle. § 11 Abs 2 des Supply Agreement enthalte einen Streitbeilegungsmechanismus, der auch auf Streitigkeiten zwischen den Parteien über Preisanpassungsbegehren anwendbar sei. Im Rahmen dieser Streitbeilegungskompetenz sei das Schiedsgericht ermächtigt, Entscheidungen zu treffen, die zu einem konkreten Vertragspreis für einen bestimmten Zeitraum führen (Rz 181, 182). Hiervon zu unterscheiden seien einseitige Preisbestimmungsrechte eines Dritten, die vertraglicher Natur oder aus § 315 Abs 3 BGB abgeleitet sein könnten. § 6 Abs 2 des Supply Agreement enthalte kein solches einseitiges Preisbestimmungsrecht eines Dritten, auch nicht des Schiedsgerichts. Davon zu unterscheiden, sei die Kompetenz des Schiedsgerichts, über die Berechtigung der von der Schiedsbeklagten geltend gemachten Preisanpassung zu entscheiden. Hierin liege nicht die Ausübung eines einseitigen Preisbestimmungsrechts, sondern die Ausübung der durch § 11 Abs 2 des Supply Agreement vermittelten Zuständigkeit für eine bindende Streitentscheidung, die sich inhaltlich daran orientiere, ob nach den in § 6 Abs 2 des Supply Agreement genannten Kriterien eine Preisanpassung gerechtfertigt sei oder nicht (Rz 183). Der auf Feststellung eines einseitigen Preisanpassungsrechts der Beklagten gerichtete Widerklageantrag zu 4. sei daher abzuweisen (Rz 295).

[28] 2.4.1. In Bezug auf die von der Klägerin mit dem Klageantrag zu II. und von der Beklagten mit den Widerklageanträgen zu 2. und [6.] begehrte Feststellung bzw Anpassung des MPS-Preises ab und den Streit der Parteien darüber, ob eine Preisanpassung ab dem möglich sei, welche Kriterien in eine Preisanpassung einfließen könnten und über die Höhe einer Preisanpassung (Rz 189), verwies das Schiedsgericht zunächst darauf, dass es ausreiche, wenn eine Partei vor dem 1. 4. des Jahres, für das die Preisanpassung gelten solle, ein Preisanpassungsbegehren kommuniziere, ohne dass es in einem ersten Schritt zwingend bestimmter Begründungen oder Dokumentation bedürfe. Die Beklagte habe von der Klägerin jeweils vor dem , und und formell ordnungsgemäß eine Erhöhung des MPS-Preises verlangt; und zwar für das Jahr 2019 mit ihrem Schriftsatz zur Stellungnahme zur mündlichen Verhandlung vom (Rz 192, 193). Eine Preisanpassung zum , und sei daher grundsätzlich möglich (Rz 195).

[29] 2.4.2. Die in § 6 Abs 2 des Supply Agreement genannten drei Faktoren – Kosten für Rohstoffe, Personal und/oder Lohnfertigung – seien ausweislich des Wortes „mainly“ nur beispielhaft genannt, es handle sich hierbei um keine abschließende Aufzählung. Es sei daher grundsätzlich möglich, andere relevante Faktoren bei der Preisanpassung zu berücksichtigen (Rz 205 ff, 212). Auch die Kosten der DS A***** könnten grundsätzlich in die Preisanpassung einfließen. Komme es bei der DS A***** zu einer Preissteigerung, die zu gestiegenen Bezugskosten der Beklagten führe, handle es sich um den für die Beklagte wesentlichen Kostenfaktor, der in dem Preisgefüge gegenüber der Klägerin zu berücksichtigen sei. Sofern dies nicht der Fall wäre, könnte praktisch kaum eine Preisanpassung erfolgen, weil die Beklagte selbst keine Veränderung bei den Kosten für Rohstoffe, Personal und/oder Lohnfertigung habe. Dies entspreche auch der Praxis der Parteien im Hinblick auf die früheren Preisanpassungen (Rz 215, 216).

[30] 2.4.3. Das Schiedsgericht habe keine Anzeichen dafür, dass die DS A***** dergestalt von der Beklagten beherrscht werde, dass sie nicht als eigenständiges Unternehmen anzusehen sei. Ein Lieferverhältnis zwischen Unternehmen aus derselben Unternehmensgruppe sei in großen Unternehmensgruppen üblich. Es sei auch nicht ersichtlich, dass die Beklagte mit dem Bezug des MPS von der DS A***** eine missbräuchliche Konstruktion eingerichtet habe (Rz 218, 220). Dass die Beklagte das MPS von einer 100%igen Tochtergesellschaft und nicht von einem Dritten beziehe, müsse allerdings Auswirkungen auf den Inhalt der Preisanpassung haben. Jede Preisanpassung solle anhand des Grundsatzes von Treu und Glauben erfolgen. Das Kriterium „good faith“ stehe in § 6 Abs 2 des Supply Agreement vor der beispielhaften Aufzählung, so dass es sich um ein für jede Preisanpassung geltendes Kriterium handle. Um das Risiko von etwaigen Manipulationen bei der Preisgestaltung zwischen der Beklagten und DS A***** zulasten der Klägerin auszuschließen, müsse dem Kriterium von Treu und Glauben in der vorliegenden Liefer-Konstellation eine besondere Bedeutung zukommen (Rz 221). Der Maßstab der Preisanpassung „in good faith“ sei potenziell strenger auszulegen, als es der Fall wäre, wenn die Beklagte das MPS von einem externen Dritten bezöge. Stütze sich die Beklagte – wie hier – auf die Preissteigerungen bei der DS A***** ohne detailliert nachzuweisen, wie die Kostenstruktur der DS A***** sei und diese sich zu der Preisentwicklung auf dem externen Markt verhalte, müssten die Preisanpassungen einer besonderen Kontrolle unterliegen. Unverhältnismäßig hoch erscheinende Preissprünge im Vergleich zum Vorjahr seien nicht möglich, wenn für das Schiedsgericht – wie vorliegend der Fall – nicht nachprüfbar sei, dass die Kostenentwicklungen bei der DS A***** im selben Maße bei einem externen Dritten angefallen wären (Rz 222). Die Erreichung oder Einhaltung einer bestimmten Gewinnmarge seitens der DS A***** sei hingegen kein für die Preisanpassung relevantes Kriterium (Rz 223). Bei der Preisanpassung zum könne auch nicht uneingeschränkt berücksichtigt werden, wenn es die DS A***** in den Vorjahren unterlassen habe, alle ihre Kostenerhöhungen weiterzugeben. Dies müsse sich die Beklagte nach Treu und Glauben zurechnen lassen, mit der Konsequenz, dass sie diese sprunghafte Kostensteigerung nicht umgehend, sondern nur über mehrere Jahre verteilt weitergeben könne (Rz 225, 226).

2.4.4. Der Bestimmung der Höhe der Preisanpassung zum , und legte das Schiedsgericht seine Überzeugung zu Grunde, dass die DS A***** Kostensteigerungen gegenüber der Beklagten in dem von der Beklagten behaupteten Umfang geltend gemacht hat (Rz 229). Es sei aber zu berücksichtigen, dass das Schiedsgericht nur einen begrenzten Einblick in die Kostenstruktur der DS A***** habe. Daher bestehe keine Möglichkeit, die Kostenveränderungen der DS A***** dergestalt zu verifizieren oder mit den Preisen anderer externer Unternehmen zu vergleichen, dass vor allem die Preissteigerung zum vollumfänglich in dem Umfang gerechtfertigt sei, wie ihn die Beklagte verlange (Rz 229, 230). Die von § 6 Abs 2 des Supply Agreement verlangte Billigkeitskontrolle nach dem Maßstab von Treu und Glauben führe nach Auffassung des Schiedsgerichts dazu, dass die Preisanpassung für den Zeitraum bis nicht in der von der Beklagten geltend gemachten Höhe erfolgen könne, sondern einer Begrenzung unterzogen werden müsse.

2.4.5. Die vorzunehmende Begrenzung lasse sich – mangels Einblick in die Details der Kostenstruktur der DS A***** – nicht konkret ermitteln. Vielmehr sei das Schiedsgericht gehalten, eine pauschale Bewertung vorzunehmen, die dazu führe, dass die von der Beklagten begehrte Preisanpassung in einem Umfang von EUR 1.300,00/kg für volle Batches und EUR 1,370,00/kg für Teilbatches für den Zeitraum bis erfolgreich sei (Rz 231). Das ergebe sich aus folgenden Überlegungen: In den Jahren 2014 bis 2016 seien die Preissteigerungen mit 1,8 % bis 7 % moderat ausgefallen. Die von der Beklagten zum begehrte Preisanpassung würde zu einer unangemessen hohen Preissteigerung von ca 42 % für volle Batches und von ca 49 % für Teilbatches führen. Vermeintlich zu niedrige Preisanpassungen in den Vorjahren könnten nicht dazu benutzt werden, die Entwicklung aufzuholen. § 6 Abs 2 des Supply Agreement sehe ausdrücklich eine besondere Billigkeitsprüfung vor, bei der der Grundsatz von Treu und Glauben auch gebiete, dass sich Preisanpassungen in einem angemessenen Rahmen bewegten, damit sich die Partei, zu deren Lasten die Preisanpassung erfolge, darauf verlassen könne, dass es keine plötzlichen großen Preisänderungen gebe (Rz 232 ff, 239). Innerhalb der vorstehend entwickelten Parameter sei es nach Überzeugung des Schiedsgerichts angemessen, den MPS-Preis zum von 1.080,00 EUR/kg auf 1.300,00 EUR/kg für volle Batches anzupassen. Nach den moderaten Preisanpassungen in den Jahren vor 2017 reflektiere eine solche Preisanpassung um 20 % eine deutlich gestiegene Kostenbasis der Beklagten. Auch vor dem Hintergrund, dass es nach Auffassung der Beklagten ab dem zu einer Reduzierung ihrer Beschaffungskosten gekommen sei, sei eine Preisanpassung ab dem angemessen. Der MPS-Preis für Teilbatches sei auf 1.370,00 EUR/kg anzupassen. Das Schiedsgericht erachte es für richtig, die in dem Anpassungsbegehren der Beklagten ausgewiesene Differenz zwischen dem MPS-Preis für Teilbatches zu dem MPS-Preis für volle Batches von 70,00 EUR/kg auf den von ihm festgestellten MPS-Preis für volle Batches zu übertragen (Rz 240, 241).

[33] 2.4.6. Für den Zeitraum ab dem sei die von der Beklagten begehrte Preisanpassung auf 1.510,00 EUR/kg für Teilbatches und 1.410,00 EUR/kg für volle Batches angemessen. Im Vergleich zu dem vom Schiedsgericht für das Geschäftsjahr 2017 zugrunde gelegten MPS-Preis handle es sich um eine Steigerung von ca. 10 % für Teilbatches und ca 8,5 % für volle Batches. Das Schiedsgericht sei überzeugt, dass eine solche Steigerung dem Maßstab von Treu und Glauben gerecht werde (Rz 242). Für den Zeitraum ab dem sei die von der Schiedsbeklagten begehrte Preisanpassung auf 1.450,00 EUR/kg für volle Batches angemessen. Im Vergleich zu dem von dem Schiedsgericht für das Geschäftsjahr 2018 zugrunde gelegten MPS-Preis handle es sich um eine Steigerung von knapp 3 % für volle Batches. Das Schiedsgericht sei überzeugt, dass eine solche Steigerung dem Maßstab von Treu und Glauben gerecht werde (Rz 243).

[34] 2.4.7. Mithin gestalteten sich die MPS-Preise ab dem wie im Spruch ersichtlich. Soweit die Schiedsbeklagte in ihrem Widerklageantrag zu 2. für den Zeitraum bis eine höhere Preisanpassung begehre und unterliege, habe sie keinen – hilfsweise geltend gemachten – Anspruch darauf, die Schiedsklägerin zu einer Zustimmung zu einer entsprechenden Preisanpassung zu verpflichten, weil ihr unter § 6 Abs 2 des Supply Agreement kein solcher Preisanpassungsanspruch zustehe (Rz 285).

2.5. Ausgehend von den angepasstenMPSPreisen habe die Klägerin Anspruch auf Rückerstattung der für Lieferungen aus dem Geschäftsjahr 2017 zu viel gezahlten Beträge in Höhe von 46.410 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Für den Zeitraum ab dem gebe es keine Überzahlungen der Schiedsklägerin, weil der von ihr geleistete vorläufige Kaufpreis ab diesem Zeitpunkt niedriger liege als der nach dem Supply Agreement zu leistende Kaufpreis. Die Klägerin habe daher auch keinen Anspruch auf den mit dem Klageantrag zu III. – neben dem Rückzahlungsbegehren zu a) – verfolgten Anspruch auf Feststellung [b)], dass ihr weitere Überzahlungen zu erstatten seien (Rz 249 f).

2.6. Der von der Beklagten mit dem Widerklageantrag zu 3. verfolgte Anspruch auf Zahlung der Differenz zwischen dem angepassten MPS-Preis und dem von der Klägerin für die MPS Lieferungen gezahlten Interimspreis bestehe, zumal der Vertragspreis für das Geschäftsjahr 2017 unter dem von der Klägerin aufgrund der Interimsvereinbarung gezahlten MPS-Preis liege, nur in Bezug auf Lieferungen ab dem mit 31.599,26 EUR samt Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu Recht (Rz 290 ff).

[37] 2.7. Der Klageantrag zu IV., mit dem die Klägerin Schadenersatzansprüche verfolge, sei zulässig, aber unbegründet. Das Schiedsgericht sei nicht davon überzeugt, dass die Beklagte Vertragsverletzungen begangen habe (Rz 260, 262 ff).

[38] III. Aufhebungsklage

[39] 1. Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Aufhebung (nur) der Punkte 2., 3., 5., 6., 8. und 9. des Schiedsspruchs.

[40] 2. Die Klägerin stützt ihr Klagebegehren auf jeglichen erdenklichen Rechtsgrund, insbesondere jedoch auf die Aufhebungsgründe des § 611 Absatz 2 Z 2, 3, 5 und 8 ZPO. Sie macht geltend, der Schiedsspruch überschreite den Schiedsauftrag und den Streitgegenstand. Das Schiedsgericht habe die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis auch deshalb überschritten, weil die Schiedsklausel dem Schiedsgericht keine Kompetenz zur Vertragsanpassung verleihe. Das Schiedsgericht habe, indem es den Parteien in entscheidungsrelevanten Punkten das Gehör vollständig entzogen, überraschend und willkürlich entschieden habe, gegen grundlegende Verfahrensgrundsätze verstoßen. Darüber hinaus sei das Schiedsgericht wesentlichen Vortrag der Klägerin zur vertraglichen Herstellereigenschaft der Beklagten übergangen. Über die geltend gemachten Ansprüche betreffend die Preisanpassung für das Jahr 2019 habe das Schiedsgericht ohne mündliche Verhandlung entschieden.

[41] 3. Die Beklagte bestritt das Vorliegen der geltend gemachten Aufhebungsgründe und beantragte, die Klage abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[42] IV. Rechtliche Beurteilung

[43] Auf Basis des unstrittigen und aus den vorgelegten Urkunden zweifelsfrei ableitbaren Sachverhalts ist die Aufhebungsklage nicht berechtigt.

A. Zur behaupteten Überschreitung des Schiedsauftrags und des Streitgegenstands

1. Überschreitung des Schiedsauftrags?

[46] 1.1. Die Klägerin macht – zusammengefasst – geltend, der Schiedsauftrag habe das Schiedsgericht lediglich dazu ermächtigt, über die Modalitäten und Voraussetzungen der Kaufpreisanpassung zu entscheiden und den Kaufpreis für die Geschäftsjahre 2017, 2018 und die Geschäftsjahre ab 2019 festzustellen, nicht jedoch diesen anzupassen. Das Schiedsgericht habe diese ihm zugewiesene Kompetenz überschritten.

[47] Zwischen den Parteien habe nach deren Vorbringen Uneinigkeit darüber bestanden, ob das Schiedsgericht rechtsgestaltend tätig werden könne, somit den Kaufpreis selbst berechnen und den Kaufpreis für die Parteien festlegen dürfe. Die Klägerin habe die diesbezügliche fehlende Kompetenz des Schiedsgerichts unverzüglich gerügt. Der Schiedsauftrag habe diese Streitfrage, ob Feststellung oder Anpassung begehrt worden sei und begehrt werden habe dürfen, wie folgt festgelegt: „Feststellung der Modalitäten und Voraussetzungen einer Preisanpassung gemäß § 6 Abs 2 des Supply Agreement, sowie des Vertragspreises unter dem Supply Agreement für die Geschäftsjahre 2017, 2018 und die Geschäftsjahre ab 2019.“ Damit habe das Schiedsgericht seine Kompetenz unmissverständlich auf die Feststellung des Vertragspreises eingeschränkt. Aufgrund der Kristallisierungs- und Präklusionsfunktion des Schiedsauftrags bilde die Auflistung der Streitfragen gleichzeitig die Grenze des Streitgegenstands. Streitgegenstand sei demnach die Feststellung, nicht jedoch die Anpassung des Kaufpreises gewesen.

[48] Die Parteien hätten dem Schiedsauftrag und somit der Klärung dieser Streitfrage durch das Schiedsgericht zugestimmt. Die (spätere) Geltendmachung von Rechtsgestaltungsansprüchen sei mit dieser Vereinbarung gemäß Art 23 Abs 4 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 ausgeschlossen. Auch der erst später geltend gemachte Anspruch auf Feststellung des Kaufpreises für das Geschäftsjahr 2019 sei demnach nicht in die Kompetenz des Schiedsgerichts gefallen.

1.2. Die Beklagte bestritt. Die Kompetenz des Schiedsgerichts habe durch den Schiedsauftrag keine Einschränkung erfahren. Auch das Geschäftsjahr 2019 sei bereits bei Erstellung des Schiedsauftrags streitgegenständlich gewesen. Das Schiedsgericht habe daher innerhalb der Grenzen des Schiedsauftrags entschieden.

1.3. Dazu wurde erwogen:

[51] 1.3.1. Nach Art 23 Abs 1 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 formuliert das Schiedsgericht, sobald es die Schiedsverfahrensakten erhalten hat, aufgrund der Aktenlage oder in Gegenwart der Parteien unter Berücksichtigung ihres aktuellen Vorbringens den Schiedsauftrag; dieser enthält unter anderem eine zusammenfassende Darlegung des Vorbringens der Parteien und ihre Anträge [lit c)], sowie eine Liste der zu entscheidenden Streitfragen, es sei denn, das Schiedsgericht hält dies nicht für angemessen [lit d)]. Der Schiedsauftrag ist von den Parteien und dem Schiedsgericht zu unterschreiben (Art 23 Abs 2 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017). Nachdem der Schiedsauftrag von den Parteien unterschrieben (oder im Falle der Weigerung einer Partei iSd Art 23 Abs 3 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 durch den Gerichtshof genehmigt) worden ist, kann eine Partei neue Ansprüche nur geltend machen, soweit diese sich in den Grenzen des Schiedsauftrags halten oder das Schiedsgericht diese zugelassen hat. Das Schiedsgericht berücksichtigt dabei die Art der neuen Ansprüche, den Stand des Schiedsverfahrens und andere maßgebliche Umstände (Art 23 Abs 4 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017).

1.3.2. In dem hier unter Mitwirkung der Parteien erstellten Schiedsauftrag vom sind (auch) die Positionen der Parteien zur Preisbestimmung durch das Schiedsgericht, also zu der Streitfrage, ob eine bloße Feststellung oder auch eine Anpassung des Kaufpreises zulässig sei, zusammengefasst dargestellt. Die zum damaligen Zeitpunkt dazu gestellten Parteienanträge sind wortwörtlich zitiert. Die Anträge der Klägerin umfassten dabei die „Feststellung“ des Preises für das MPS für die Geschäftsjahre ab 2017, jene der Beklagten die „Anpassung“ der Preise für 2017, 2018 und ab 2019, wobei die Klägerin auch schon für die Geschäftsjahre ab 2019 ein betragsmäßig bestimmtes Begehren gestellt hatte, die Beklagte hingegen in Bezug auf 2019 vorerst nur ein Feststellungsbegehren erhob. Das Schiedsgericht nahm die Entscheidung über den Vertragspreis für die Geschäftsjahre ab 2019 in die Liste der zu entscheidenden Streitfragen auf. Die dabei gewählte Formulierung „Feststellung der Modalitäten und Voraussetzungen einer Preisanpassung gemäß § 6 Abs 2 des Supply Agreement“ ist vor dem Hintergrund des strittigen Wesens der begehrten Preisbestimmung durch das Schiedsgericht zwar auslegungsbedürftig. Die Liste der zu entscheidenden Streitfragen ist seiner Formulierung aber nach nicht abschließend, sondern beispielhaft. Schon deshalb ist aus diesem Wortlaut keine Einschränkung der Kompetenz des Schiedsgerichts abzuleiten.

[53] 1.3.3. Das Schiedsgericht hat demnach innerhalb der Grenzen des Schiedsauftrags entschieden. Das gilt auch in Bezug auf das Geschäftsjahr 2019. Schon die im Schiedsauftrag zitierten Anträge beider Parteien hatten auch dieses Geschäftsjahr zum Gegenstand. Der Umstand, dass der diesbezügliche Antrag der Beklagten erst zu einem nach Unterfertigung des Schiedsauftrags liegenden Zeitpunkt betragsmäßig bestimmt wurde, schließt die diesbezügliche Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts nicht aus. Das Geschäftsjahr 2019 war vom Schiedsauftrag umfasst, sodass die Konkretisierung eines darauf bezogenen Antrags schon nicht als neuer Anspruch iSd Art 23 Abs 4 der ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 zu qualifizieren ist. Jedenfalls lag es aber in der Kompetenz des Schiedsgerichts, diese nachträgliche Modifizierung eines Anspruchs iSd Art 23 Abs 4 letzter Satz ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 zuzulassen.

[54] 1.3.4. Angesichts dessen, dass das Schiedsgericht hier ohnedies innerhalb der Grenzen des Schiedsauftrags entschieden hat, bedarf es keiner abschließenden Beurteilung, ob der Schiedsauftrag gemäß Art 23 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 den Streitgegenstand überhaupt in der Qualität festlegt, dass eine davon abweichende Entscheidung des Schiedsgerichts den Aufhebungsgrund der Kompetenzüberschreitung gemäß § 611 Abs 2 Z 3 ZPO erfüllt.

2. Überschreitung des Streitgegenstands?

2.1. Die Klägerin macht – zusammengefasst –geltend, dem Schiedsspruch liege ein von den Parteien nicht vorgetragener Rechtsgrund zugrunde und übersteige daher das Rechtsschutzbegehren der Parteien. Die Parteien hätten die Entscheidung darüber begehrt, ob und in welchem Umfang die in der Preisanpassungsklausel in § 6 Abs 2 des Supply Agreement festgelegten Kriterien eine Preisanpassung rechtfertige. Eine vom Supply Agreement losgelöste Festsetzung der Kaufpreishöhe ohne Bindung an die in dessen § 6 Abs 2 festgelegten Modalitäten könne dem Parteivorbringen nicht entnommen werden und sei daher nicht Streitgegenstand des Schiedsverfahrens. Das Schiedsgericht habe sich unter Berufung auf § 11 Abs 2 des Supply Agreement angemaßt, die Preisanpassung im Ergebnis unabhängig von den in § 6 Abs 2 des Supply Agreement genannten Kriterien alleine auf Basis des Grundsatzes von Treu und Glauben vorzunehmen. Eine solche vom Parteivorbringen und -begehren vollkommen losgelöste pauschale Kaufpreisanpassung hätten die Parteien im Schiedsverfahren aber nicht begehrt.

[57] 2.2. Die Beklagte bestritt. Das Schiedsgericht habe die Anträge der Parteien im Rahmen der durch diese Anträge gesteckten Grenzen erledigt. Es habe weder mehr noch anderes zugesprochen als die Parteien beantragt hätten. Auch in Bezug auf das zweite Element des Streitgegenstands, den Klagegrund, liege keine Überschreitung des Streitgegenstands vor. Die Auslegung des § 6 Abs 2 des Supply Agreement finde in dem durch diese Bestimmung determinierten Streitgegenstand Deckung. Das Vorbringen der Klägerin laufe auf eine im Aufhebungsverfahren unzulässige inhaltliche Nachprüfung der – nach dem anwendbaren deutschen Recht richtigen, jedenfalls vertretbaren – Entscheidung des Schiedsgerichts hinaus.

2.3. Hiezu wurde erwogen:

[59] 2.3.1. Nach § 611 Abs 2 Z 3 ZPO ist ein Schiedsspruch (unter anderem dann) aufzuheben, wenn er das Rechtsschutzbegehren der Parteien überschreitet. Ob das Schiedsgericht seine durch die Rechtsschutzanträge abgesteckten Befugnisse überschreitet, ist eine Frage des Streitgegenstands des Schiedsverfahrens, der sich nach dem Inhalt der Schiedsklage und allfälligen späteren Parteiendispositionen darüber (Klageausdehnung; Klageeinschränkung; Widerklage) bestimmt. Die Beurteilung richtet sich nach den zu § 405 ZPO entwickelten Grundsätzen. Das Überschreiten des Rechtsschutzbegehrens wäre daher anzunehmen, wenn das Schiedsgericht dem Schiedskläger mehr oder etwas anderes zuspricht als beantragt (18 OCg 2/14i; 18 OCg 1/19z; RS0129729).

[60] 2.3.2. Der Streitgegenstand der angefochtenen Spruchpunkte war durch die jeweiligen Klagebegehren und das Tatsachenvorbringen der Parteien zum jeweiligen Anspruchsgrund definiert. Das Schiedsgericht entschied über die auf § 6 Abs 2 des Supply Agreement gestützten Anträge auf Feststellung bzw Anpassung der Vertragspreise für die Geschäftsjahre 2017, 2018 und 2019 sowie über die aus den begehrten Preisen abgeleiteten Zahlungsbegehren. Das Schiedsgericht nahm für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 eine Kaufpreisanpassung bzw für das Geschäftsjahr 2019 eine Kaufpreisfeststellung vor und sprach den Parteien im Rahmen ihrer Zahlungsbegehren die sich daraus ergebenden Geldleistungsansprüche zu. Diese Entscheidung begründet das Schiedsgericht mit seinem Verständnis der von den Parteien ihrem Rechtsstandpunkt zugrunde gelegten Preisanpassungsvereinbarung des § 6 Abs 2 des Supply Agreement und des Streitbeilegungsmechanismus des § 11 Abs 2 des Supply Agreement. Das Schiedsgericht hat damit im Rahmen der Klagebegehren der beiden Parteien und des geltend gemachten Anspruchsgrundes entschieden. Eine Beschränkung des Schiedsgerichts auf einen bestimmten von mehreren nach dieser Vertragsbestimmung in Frage kommenden Rechtsgründen ist dem Vorbringen der Parteien nicht zu entnehmen (vgl 18 OCg 3/15p; RS0037659 [T6, T 7]). Die Argumentation der Klägerin, das Schiedsgericht habe seiner Entscheidung im Ergebnis nicht § 6 Abs 2 des Supply Agreement zugrunde gelegt, ist ein Versuch, eine im Aufhebungsverfahren unzulässige Überprüfung der Richtigkeit der Auslegung dieser Bestimmung durch das Schiedsgericht zu bewirken. Selbst wenn das Schiedsgericht diese Bestimmung falsch ausgelegt hätte, begründete das kein Überschreiten des Rechtsschutzbegehrens iSd § 611 Abs 2 Z 3 ZPO.

3. Überschreitung der Schiedsvereinbarung?

3.1. Die Klägerin macht – zusammengefasst –geltend, das Schiedsgericht habe nicht die Berechtigung der Preisanpassung nach Maßgabe der Kriterien des § 6 Abs 2 des Supply Agreement beurteilt, sondern den Preis nach freiem Belieben angepasst. Diese rechtsgestaltende Vertragsanpassung sei durch die in § 11 Abs 2 des Supply Agreement enthaltene Schiedsklausel nicht gedeckt. Die (objektive) Reichweite der Schiedsklausel, sowie die Frage, welche Kompetenzen die Parteien dem Schiedsgericht übertragen wollten, sei nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach deutschem Recht hätte ein staatliches Gericht – von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen – keine Kompetenz zur Rechtsgestaltung. Den Parteien könne nicht der Wille unterstellt werden, dem Schiedsgericht weiterreichende Kompetenzen zuzuschreiben, als sie ein staatlicher Richter nach deutschem Recht hätte. Das Schiedsgericht habe folglich seine Entscheidungskompetenz überschritten.

[63] 3.2. Die Beklagte bestritt. Das Schiedsgericht habe innerhalb der mit der Schiedsvereinbarung in § 11 Abs 2 des Supply Agreement verliehenen Kompetenz entschieden. Nach der sehr breit formulierten (sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht im Zweifel ausdehnend auszulegenden) Schiedsvereinbarung sei keine Beschränkung der Kompetenz des Schiedsgerichts auf die einem staatlichen Richter zukommende Kompetenz indiziert. Abgesehen davon sei sowohl nach österreichischem als auch nach deutschem Recht anerkannt, dass ein Richter und somit auch ein Schiedsgericht rechtsgestaltend entscheiden und etwa eine Preisanpassung vornehmen könne.

[64] 3.3. Dazu wurde erwogen:

[65] 3.3.1. Nach § 611 Abs 2 Z 3 ZPO ist ein Schiedsspruch (unter anderem dann) aufzuheben, wenn der Schiedsspruch eine Streitigkeit betrifft, für welche die Schiedsvereinbarung nicht gilt, oder er Entscheidungen enthält, welche die Grenzen der Schiedsvereinbarung überschreiten. Eine solche Kompetenzüberschreitung des Schiedsgerichts liegt vor, wenn der Schiedsspruch einen von der Schiedsvereinbarung nicht mehr umfassten Gegenstand entscheidet. In einem solchen Fall wird die objektive Reichweite der Schiedsvereinbarung überschritten und es liegt damit Unzuständigkeit oder teilweise Unzuständigkeit des Schiedsgerichts vor (18 OCg 6/18h).

[66] 3.3.2. Maßgeblich für die (Über-)Prüfung dieses Aufhebungsgrundes ist der Text der Schiedsvereinbarung. Welche Arten von (objektiv schiedsfähigen) Streitigkeiten und welche Rechtsverhältnisse letztlich von der Schiedsvereinbarung abgedeckt werden, und ob zwischen Streitigkeit und Schiedsvereinbarung der geforderte notwendige Bezug (Konnex) besteht, ist im Wege der Auslegung der Schiedsvereinbarung zu ermitteln (18 OCg 6/18h). Das gilt auch für die Frage, ob eine rechtsgestaltende Entscheidung mit der Schiedsvereinbarung zu vereinbaren ist (Oberhammer, Vertragsanpassung durch Schiedsgerichte: Einfach kompliziert?, ecolex 2020, 846).

[67] 3.3.3. Der Sachverhalt weist einen Auslandsbezug auf. Das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht wird grundsätzlich selbständig angeknüpft. Die Schiedsvereinbarung unterliegt daher nicht notwendig dem Statut des Hauptvertrags oder dem Recht, dem das Schiedsverfahren untersteht. Das Statut der Schiedsvereinbarung umfasst dabei das Zustandekommen und die inhaltliche Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Nach dem Statut sind daher sowohl allgemein vertragsrechtliche Fragen (Abschluss, Gültigkeit, Bestimmtheit, Wirkung, Wirkungsumfang, Auslegung, Auswirkung von Willensmängeln) als auch spezielle schiedsrechtliche Fragen (Form, Kündigung, Inhaltskontrolle, objektive Schiedsfähigkeit) zu beurteilen (18 OCg 6/18h mwN).

[68] Die Parteien können das auf die Schiedsvereinbarung anwendbare Recht frei bestimmen. Diese Wahl kann entweder ausdrücklich oder schlüssig erfolgen. Es gelten die allgemeinen Auslegungsgrundsätze für Schiedsvereinbarungen. Eine stillschweigende Rechtswahl setzt voraus, dass sich der Parteiwille mit hinreichender Sicherheit aus den Umständen des Falls ergibt. Im Fall der Einbettung der Schiedsvereinbarung in den Hauptvertrag (also einer Schiedsklausel) ist die materielle Rechtswahl des Hauptvertrags Indiz für eine schlüssige Wahl auch des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts. Eine Rechtswahl für den Hauptvertrag erfasst somit im Zweifel auch die Schiedsvereinbarung. Maßgeblich ist letztlich die Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls (18 OCg 6/18h mwN).

[69] Nach der parteivereinbarten Rechtswahl des Hauptvertrags in § 11 Abs 1 des Supply Agreement kommt das materielle Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss des Kollisionsrechts sowie internationaler Abkommen, einschließlich dem UN-Kaufrecht (CISG), zur Anwendung. Die Tatsache, dass sich die Schiedsvereinbarung im zweiten Absatz dieses § 11 des Supply Agreement findet, ist Indiz dafür, dass die Schiedsvereinbarung dem gleichen Recht wie dem für den Hauptvertrag gewählten unterliegen soll. Umstände, die diese Indizwirkung der Einbettung der Schiedsvereinbarung in den Hauptvertrag entkräften und auf einen entsprechenden gegenteiligen Parteiwillen schließen lassen, gibt es nicht. Infolge konkludenter Rechtswahl ist daher die strittige Reichweite der Schiedsvereinbarung nach dem gewählten materiellen deutschen Recht zu beurteilen.

[70] 3.3.4. Von entscheidender Bedeutung für die objektive Reichweite der getroffenen Schiedsvereinbarung ist die Auslegung der Schiedsvereinbarung. Auch nach deutschem Recht gelten in Bezug auf die Auslegung von Schiedsvereinbarungen die allgemeinen Auslegungsregeln. Dabei besteht kein wesentlicher Unterschied zur österreichischen Rechtslage. Ebenso wie § 914 ABGB fordert § 133 BGB zur Auslegung von Willenserklärungen, den wirklichen Willen zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Dies ergänzt § 157 BGB dahin, dass Verträge auszulegen sind, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. Nach Lehre und Rechtsprechung in Deutschland ist zur Auslegung das Gesamtverhalten der Erklärenden einschließlich der Nebenumstände heranzuziehen und im Lichte des unbestimmten Rechtsbegriffs „Treu und Glauben“ zu beurteilen, worunter vor allem der Aspekt eines gerechten Interessenausgleichs verstanden wird. Für Schiedsklauseln gilt insbesondere der Grundsatz einer weiten Auslegung. Die weite Auslegung entspricht der typischen Intention der Parteien, alle aus dem betreffenden Rechtsverhältnis folgenden Streitigkeiten der staatlichen Gerichtsbarkeit zu entziehen und eine Aufspaltung der Zuständigkeiten zu vermeiden. Wird kein übereinstimmender Parteiwille festgestellt, ist daher der Text der das Schiedsgericht betreffenden Vertragsbestimmung einer vernünftigen und den Zweck der Vereinbarung begünstigenden Auslegung zu unterziehen. Lässt der Wortlaut der Erklärung zwei gleichwertige Auslegungsergebnisse zu, so gebührt jener Auslegung der Vorzug, die die Gültigkeit des Schiedsvertrags favorisiert (18 OCg 6/18h mwN).

[71] 3.3.5. Dem Wortlaut der hier zu beurteilenden Schiedsklausel („All disputes arising out of or in connection with this Agreement shall be finally settled …“) sind keine Anhaltspunkte für die von der Klägerin geforderte Differenzierung zwischen rechtsgestaltender Preisanpassung und Feststellung des gemäß der vereinbarten Preisanpassungsregel anzupassenden Preises zu entnehmen. Auch nach anderen Auslegungskriterien, insbesondere der von der Klägerin geforderten wirtschaftlichen und zweckorientierten Gesamtschau der relevanten Vertragsbestimmungen, ist die behauptete Beschränkung der Entscheidungsbefugnis nicht indiziert und schon gar nicht geboten. Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der größtmöglichen den Geltungsbereich betreffenden Auslegung einer Schiedsvereinbarung erfasst § 11 Abs 2 des Supply Agreement daher auch die auf eine Preisanpassungsvereinbarung der Parteien bezogene Vertragsanpassung durch das Schiedsgericht.

[72] 3.3.6. Der Schiedsspruch hat daher – unabhängig von der Qualität der darin vorgenommenen Preisbestimmung – jedenfalls nur über einen von der Schiedsvereinbarung umfassten Gegenstand entschieden. Der Aufhebungsgrund des § 611 Abs 2 Z 3 ZPO ist nicht verwirklicht. Gleiches gilt im Übrigen für den Aufhebungsgrund der mangelnden Schiedsfähigkeit (§ 611 Abs 2 Z 7 ZPO). Danach wäre der Schiedsspruch aufzuheben, wenn der Streitgegenstand nach inländischem Recht nicht objektiv schiedsfähig ist. Nach der Bestimmung des § 582 Abs 1 Satz 1 ZPO kann (von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen) jeder vermögensrechtliche Anspruch, über den von den ordentlichen Gerichten zu entscheiden ist, auch Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein. Nicht vermögensrechtliche Ansprüche sind nur dann objektiv schiedsfähig, wenn sie vergleichsfähig sind (18 OCg 1/20a). Die Argumentation der Klägerin zielt auf eine einschränkende Auslegung der objektiven Reichweite der konkreten Schiedsklausel ab; die vermögensrechtliche Natur der im Schiedsverfahren behandelten Streitigkeiten und deren objektive Schiedsfähigkeit zieht sie nicht in Zweifel.

B. Zum behaupteten Verstoß gegen wesentliche Verfahrensgrundsätze

[74] 1. Willkür- oder Überraschungsentscheidung?

1.1. Die Klägerin behauptet, das Schiedsgericht habe den Kaufpreis für die Jahre 2017, 2018 und 2019 willkürlich festgesetzt. Das Schiedsgericht habe sich im Rahmen seiner Kaufpreisanpassung zunächst noch an den Kriterien des § 6 Abs 2 des Supply Agreement „orientiert“, sei hiervon in weiterer Folge aber von diesen abgewichen und habe die Kaufpreise „pauschal“ nach einem eigenen Maßstab bewertet. Dieser vom Schiedsgericht herangezogene Maßstab lasse sich weder mit dem Wortlaut der der Kaufpreisanpassung zugrunde liegenden Bestimmung des § 6 Abs 2 des Supply Agreement, noch mit dem offenkundigen und festgestellten Parteiwillen in Einklang bringen. Es gebe keinerlei rechtliche Grundlage für die vorgenommene Bewertung des Kaufpreises. Das Schiedsgericht sei daher in unvertretbarer Weise von den üblichen Auslegungsgrundsätzen abgewichen. Dieses Vorgehen bilde aufgrund der offensichtlich waltenden Willkür unzweifelhaft einen groben Verstoß gegen die tragenden Grundsätze eines geordneten Verfahrens.

[76] Für die Parteien sei es unvorhersehbar gewesen, dass das Schiedsgericht seiner Entscheidung einen eigenen Parameter zugrunde legen würde, der nicht zu den von den Parteien geltend gemachten Tatbestandsmerkmalen des § 6 Abs 2 des Supply Agreement gezählt habe. Das Schiedsgericht habe die durch Parteivorbringen nicht gedeckte Rechtsansicht mit den Parteien nicht erörtert. Mit dieser Überraschungsentscheidung habe das Schiedsgericht gegen den verfahrensrechtlichen ordre public verstoßen und den Parteien in einem entscheidungswesentlichen Punkt kein ausreichendes rechtliches Gehör gewährt.

1.2. Die Beklagte bestritt. Das Schiedsgericht habe weder willkürlich noch überraschend, sondern im Rahmen der anzuwendenden Rechtsvorschriften entschieden. Das Vorbringen der Klägerin laufe auf eine unzulässige inhaltliche Nachprüfung der Entscheidung des Schiedsgerichts hinaus.

1.3. Dazu wurde erwogen:

[79] 1.3.1. Nach Auffassung der Klägerin verwirklicht die behauptete Willkür- und Überraschungsentscheidung die Aufhebungsgründe der Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd § 611 Abs 2 Z 2 ZPO und des Verstoßes gegen den formellen ordre public iSd § 611 Abs 2 Z 5 ZPO.

[80] 1.3.2. Gemäß § 611 Abs 2 Z 2 ZPO ist ein Schiedsspruch dann aufzuheben, wenn eine Partei von der Bestellung eines Schiedsrichters oder vom Schiedsverfahren nicht gehörig in Kenntnis gesetzt wurde oder sie aus einem anderen Grund ihre Angriffs- oder Verteidigungsmittel nicht geltend machen konnte. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist eine besondere Ausprägung des verfahrensrechtlichen ordre public (RS0110743 [T20]). Ein Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public ist immer dann anzunehmen, wenn ein Verstoß gegen verfahrensrechtliche Regelungen vorliegt, der als Gehörsentzug iSd § 611 Abs 2 Z 2 ZPO zu werten ist (18 OCg 6/18h).

[81] Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 611 Abs 2 Z 2 ZPO ist insofern restriktiv, als grundsätzlich keine Verletzung des rechtlichen Gehörs anzunehmen ist, wenn das Schiedsgericht Beweisanträge ignoriert oder zurückweist oder sonst den Sachverhalt unvollständig ermittelt hat. Nur im Fall einer willkürlich lücken- oder mangelhaften Sachverhaltsermittlung oder Sachverhaltsfeststellung sowie einer lückenhaften Erörterung rechtserheblicher Tatsachen bzw eines willkürlichen Übergehens, Ignorierens oder Zurückweisens von Beweisanträgen könnte ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs vorliegen (18 OCg 1/19z mwN).

[82] Gemäß § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ist ein Schiedsspruch dann aufzuheben, wenn das Schiedsverfahren in einer Weise durchgeführt wurde, die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht. Dieser Aufhebungstatbestand erfasst nur Verfahrensfehler, die so krass sind, dass sie von der Rechtsordnung nicht mehr hingenommen werden sollten. Der Aufhebungstatbestand des § 611 Abs 2 Z 5 ZPO ist daher grundsätzlich restriktiv auszulegen (18 OCg 6 /18h). Dieser Aufhebungsgrund ist nur dann erfüllt, wenn gegen tragende Grundsätze eines geordneten Verfahrens verstoßen wurde. Einen Anhaltspunkt für eine solche Verletzung von Grundwertungen des Verfahrensrechts bilden nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Nichtigkeitsgründe des Zivilprozessrechts. Nur ein Mangel des Schiedsverfahrens, der diesen Gründen gleichkommt, kann zur Aufhebung führen (18 OCg 1/20a, 18 Ocg 9/19a, je mwN; kritisch zur Bezugnahme auf die Nichtigkeitsgründe in staatlichen Gerichtsverfahren Auernig, Neue Wege bei der Beurteilung von Gehörsverstößen in Schiedsverfahren, JBl 2018, 221 [222 ff]).

[83] 1.3.3. Die Aufhebungsgründe nach § 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO sind hier nicht verwirklicht. Die Argumentation der Klägerin beruht auf der Annahme, das Schiedsgericht habe seiner Entscheidung unvertretbar und für die Parteien mangels Erörterung unvorhersehbar eine vom Parteivorbringen nicht umfasste Rechtsgrundlage für die Kaufpreisanpassung zugrunde gelegt. Tatsächlich ist das Schiedsgericht bloß den Standpunkten der Parteien in Bezug auf den Regelungsgehalt der den Anspruchsgrund bildenden Vertragsbestimmung jeweils nicht zur Gänze gefolgt und von einem anderen Verständnis des § 6 Abs 2 des Supply Agreement ausgegangen. Im Verfahren vor den staatlichen Gerichten könnte die Unterlassung der Erörterung eines bisher nicht beachteten rechtlichen Gesichtspunkts nur dann einen Verfahrensmangel darstellen, wenn dadurch einer Partei die Möglichkeit genommen wurde, zur bisher unbeachtet gebliebenen Rechtslage entsprechendes Tatsachenvorbringen zu erstatten. Werden hingegen nur dieselben Tatsachen, die schon der bisher erörterten Rechtslage zugrunde lagen, rechtlich anders bewertet, kann die Verletzung der Anleitungspflicht nach § 182a ZPO keine Rechtsfolgen haben (RS0120056 [T14]). Das Gewicht eines nach § 611 Abs 2 Z 2 ZPO zur Aufhebung des Schiedsspruchs führenden Gehörentzugs – der von der Wertung her einem Nichtigkeitsgrund im Zivilprozess entsprechen würde – erreicht die Vorgangsweise des Schiedsgerichts daher jedenfalls nicht. Ebensowenig liegt darin ein Verstoß gegen den (sonstigen) verfahrensrechtlichen ordre public iSv § 611 Abs 2 Z 5 ZPO (18 OCg 2/14i).

[84] Die Klägerin behauptet zwar Willkür, eine solche ist aus dem Verfahrensverlauf und den Entscheidungen des Schiedsgerichts aber nicht abzuleiten. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Schiedsgericht sich von sachfremden Erwägungen leiten habe lassen. Das Schiedsgericht setzte sich mit dem umfangreichen Parteienvorbringen zu den Kompetenzen, Modalitäten, Voraussetzungen und Parameter einer Preisanpassung gemäß § 6 Abs 2 des Supply Agreement eingehend auseinander und begründete sein Verständnis dieser Vertragsbestimmung sachlich und nachvollziehbar.

[85] 2. Unzulässige Billigkeitsentscheidung?

2.1. Die Klägerin macht – zusammengefasst –geltend, das Schiedsgericht habe, selbst wenn es nicht den für eine Aufhebung notwendigen Grad an Willkür an den Tag gelegt hätte, nach Billigkeit entschieden, ohne hierzu gemäß § 603 Abs 3 ZPO ermächtigt zu sein. Das Schiedsgericht habe eigenmächtig eine „pauschale“ Bewertung des Kaufpreises vorgenommen, ohne dabei die Kriterien des § 6 Abs 2 des Supply Agreement zu beachten. Das Schiedsgericht habe stattdessen einen eigenen Maßstab eingeführt, der zu einem „angemessenen“ Kaufpreis führen habe sollen. Auch aufgrund dieser Überschreitung der Entscheidungsbefugnis sei der Schiedsspruch nicht mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) in Einklang zu bringen. Aus diesem Grund seien die Aufhebungsgründe gemäß § 611 Abs 2 Z 2, 3, 5 und 8 ZPO verwirklicht.

2.2. Die Beklagte bestritt. Das Schiedsgericht habe nicht nach Billigkeit, sondern auf Basis einer jedenfalls vertretbaren Auslegung einer vertraglichen Bestimmung entschieden. Selbst wenn das Schiedsgericht eine Billigkeitsentscheidung getroffen hätte, ohne von den Parteien dazu nach § 603 Abs 3 ZPO ermächtigt worden zu sein, würde dies keinen der geltend gemachten Aufhebungsgründe verwirklichen.

2.3. Dazu wurde erwogen:

[89] 2.3.1. Das Schiedsgericht hat die Streitigkeit in Übereinstimmung mit den Rechtsvorschriften oder Rechtsregeln zu entscheiden, die von den Parteien vereinbart worden sind (§ 603 Abs 1 Satz 1 ZPO). Nach Billigkeit hat das Schiedsgericht nur dann zu entscheiden, wenn die Parteien es ausdrücklich dazu ermächtigt haben (§ 603 Abs 3 ZPO).

2.3.2. Eine – nationale oder rechtsübergreifende – einheitliche Definition des Begriffs Billigkeit besteht nicht (Hausmaninger in Fasching/Konecny3 IV/2 § 603 ZPO Rz 56). Unter einer Billigkeitsentscheidung versteht man im Allgemeinen eine Einzellfallentscheidung, die auf dem konkreten Gerechtigkeitsempfinden des Schiedsrichters und nicht einer rechtlichen Bewertung basiert (Nueber in Höllwerth/Ziehensack, ZPO_Praxiskommentar [2019] § 603 ZPO Rz 13 mwN; vgl Hausmaninger in Fasching/Konecny3 IV/2 § 603 ZPO Rz 57; Mankowski in Czernich/Deixler-Hübner/Schauer,Schiedsrecht Rz 6.153). Billigkeitsentscheidung bedeutet, dass das Schiedsgericht den Streitfall losgelöst von Rechtsvorschriften und Rechtsregeln zu entscheiden hat. Es hat bei seiner Entscheidungsfindung alle Umstände des konkret zu beurteilenden Streitfalls zu sammeln, zu berücksichtigen, zu gewichten und unter Rückgriff auf sein Gerechtigkeitsempfinden zu würdigen bzw zu beurteilen (Hausmaninger in Fasching/Konecny3 IV/2 § 603 ZPO Rz 63; zu den Grenzen und zur Konturierung der Billigkeitsentscheidung Neumayr, Anhaltspunkte für die Billigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts in FS Huber [2020] 375 [381 ff]).

[91] 2.3.3. Der hier zu beurteilende Schiedsspruch ist keine solche Billigkeitsentscheidung. Das Schiedsgericht hat mit § 6 Abs 2 des Supply Agreement jene vertragliche Bestimmung, die nach den Prozessstandpunkten beider Parteien den Rechtsgrund für die Preisanpassung bildet, nach allgemeinen Auslegungsgrundsätzen interpretiert und das dabei erzielte Ergebnis seiner ausführlich begründeten Entscheidung zugrunde gelegt. Das Schiedsgericht ging in einem ersten Schritt davon aus, dass nach der Vereinbarung die Veränderungen der Bezugskosten der Beklagten grundsätzlich in die Preisanpassung einfließen können. Der Bestimmung der Höhe der daraus folgenden Preisanpassung legte das Schiedsgericht die Tatsache zugrunde, dass die DS A***** die Kostensteigerungen gegenüber der Beklagten in dem von der Beklagten behaupteten Umfang auch tatsächlich geltend gemacht hat. § 6 Abs 2 des Supply Agreement verlange jedoch eine Billigkeitskontrolle nach dem Maßstab von Treu und Glauben. Dieses Kriterium führe dazu, dass die Kostensteigerungen nicht in voller Höhe in die Preisanpassung für das Geschäftsjahr 2017 einfließen könnten, sondern einer Begrenzung zu unterziehen seien. Diese Maßgeblichkeit von Treu und Glauben und der damit eingeräumte Ermessensspielraum wurde nach dem Verständnis des Schiedsgerichts vertraglich vereinbart. Tatsache und Ausmaß der aus der Berücksichtigung dieses Kriteriums folgenden Begrenzung sind daher Ergebnis seiner rechtlichen Beurteilung.

2.3.4. Damit liegt schon dem Grunde nach keine Billigkeitsentscheidung vor, für welche es eine Ermächtigung der Parteien nach § 603 Abs 3 ZPO bedürfte.

[93] 2.3.5. Gemäß § 611 Abs 2 Z 8 ZPO ist ein Schiedsspruch dann aufzuheben, wenn dieser Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) widerspricht. Unter den Grundwertungen der Rechtsordnung werden vor allem die Grundsätze der Bundesverfassung, sowie der EMRK, des Strafrechts, des Privatrechts, des Prozessrechts und des öffentlichen Rechts verstanden. Bei den Grundwertungen handelt es sich um unverzichtbare Wertvorstellungen, die das österreichische Recht prägen. Schutzobjekt sind nicht die subjektiven Rechtspositionen der Verfahrensparteien, sondern die inländische Rechtsordnung, die vor dem Eindringen mit ihr vollkommen unvereinbarer Rechtsgedanken und vor der unerträglichen Verletzung tragender Grundwertungen geschützt werden soll. Maßgebend ist dabei das Ergebnis des Schiedsspruchs und nicht seine Begründung. Dieser Aufhebungsgrund bietet also keine Handhabe für die Prüfung der Frage, ob und inwieweit das Schiedsgericht die im Schiedsverfahren aufgeworfenen Tatfragen und Rechtsfragen richtig gelöst hat. Die Prüfung, ob eine Ordre-public-Widrigkeit vorliegt, darf also nicht zu einer (Gesamt-)Überprüfung des Schiedsspruchs in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht führen (Unzulässigkeit einer révision au fond). Fehlentscheidungen müssen deshalb grundsätzlich hingenommen werden. Nur im Falle willkürlicher Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht wird eine Ausnahme für allenfalls möglich gehalten (18 OCg 12/19t; 18 OCg1/19z).

[94] Die Klägerin vermag auch nicht aufzuzeigen, dass das Ergebnis des Schiedsspruchs Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung, insbesondere den Grundsätzen des Privatrechts, widerspricht. Ein unter diese Tatbestände zu subsumierender Fall willkürlicher Rechtsanwendung durch das Schiedsgericht liegt hier – wie bereits gezeigt – nicht vor. Die Argumentation der Klägerin geht vielmehr dahin, eine im Aufhebungsverfahren unzulässige inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung des Schiedsgerichts zu bewirken.

[95] C. Zum behaupteten Übergehen wesentlichen Vortrags der Klägerin

1. Die Klägerin macht – zusammengefasst –geltend, das Schiedsgericht habe entscheidungsrelevantes Vorbringen der Klägerin übergangen. Für die Frage, ob bei der Preisanpassung auf die Veränderung der bei der Herstellung des Wirkstoffs MPS im Werk der Tochtergesellschaft der Beklagten entstehenden Kosten oder auf die Veränderung des Lieferpreises, den die Tochtergesellschaft konzernintern der Beklagten berechnet, abzustellen sei, sei die Herstellereigenschaft der Beklagten ausschlaggebnd. Die Klägerin habe dazu umfassend vorgebracht. Das Schiedsgericht habe dieses Vorbringen jedoch bei seiner Entscheidung vollkommen unbeachtet gelassen. Das Schiedsgericht habe dazu (im Wesentlichen) keine Sachverhaltsfeststellungen getroffen und den Klagevortrag auch nicht mit den Parteien erörtert. Das Ausmaß des übergangenen Vortrags und seine Relevanz für die Entscheidung ließen keinen anderen Schluss zu, als dass es sich bei der Übergehung nicht nur um einen bloßen Verfahrensfehler, sondern um einen groben Verstoß gegen die tragenden Grundsätze eines geordneten Verfahrens gehandelt habe. Das Schiedsgericht habe der Klägerin in diesem Punkt auf willkürliche Weise das rechtliche Gehör völlig entzogen.

2. Die Beklagte bestritt. Das Schiedsgericht habe kein Parteienvorbringen übergangen. Die Klägerin strebe eine unzulässige inhaltliche Nachprüfung der Entscheidung des Schiedsgerichts an.

3. Dazu wurde erwogen:

[99] 3.1. Mit ihren Ausführungen zur Außerachtlassung ihres Vorbringens spricht die Klägerin (wiederum) die Aufhebungsgründe der Verletzung des rechtlichen Gehörs iSd § 611 Abs 2 Z 2 ZPO sowie des Verstoßes gegen den formellen ordre public iSd § 611 Abs 2 Z 5 ZPO an.

[100] 3.2. Ein Gehörsentzug iSd § 611 Abs 2 Z 2 ZPO, der auch als Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public iSd § 611 Abs 2 Z 5 ZPO zu werten wäre, liegt nicht vor. Ein solcher wäre – wie gezeigt – nur im Fall eines willkürlichen Übergehens eines wesentlichen Parteivorbringens gegeben. Das Schiedsgericht setzt sich in der Begründung seines Schiedsspruchs aber ohnedies auch mit den von der Klägerin angesprochenen Frage der vorliegenden Lieferkonstruktion und deren Bedeutung für die Kriterien des § 6 Abs 2 des Supply Agreement eingehend auseinander. Dass das Schiedsgericht in der Diskussion der jeweiligen Positionen der Parteien und deren Analyse seine Erwägungen nicht stets in Beziehung zum konkreten Vorbringen der Klägerin setzte und nicht auf jedes einzelne Argument ausdrücklich Bezug nimmt, bedeutet ebenso wenig ein Übergehen ihres Vortrags, wie der Umstand, dass es diesen Argumenten nicht gefolgt sein mag. Keinesfalls aber lässt sich aus den diesbezüglichen Erwägungen des Schiedsgerichts Willkür ableiten.

D. Zur Entscheidung über das Geschäftsjahr 2019 ohne weitere mündliche Verhandlung

1. Die Klägerin macht – zusammengefasst –geltend, dass die Beklagte mit dem am gestellten Antrag auf Feststellung des Kaufpreises für das Geschäftsjahr 2019 ihr Begehren nachträglich erweitert habe. Das Schiedsgericht habe über diesen Antrag entgegen dem Antrag der Klägerin ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden. Das Vorgehen des Schiedsgerichts widerspreche § 598 Satz 2 ZPO und Art 25 Abs 6 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017, die ausdrücklich eine Verhandlungspflicht vorsehen. Damit habe das Schiedsgericht der Beklagten im Hinblick auf das Geschäftsjahr 2019 das rechtliche Gehör zur Gänze entzogen.

2. Die Beklagte bestritt. Das Schiedsgericht habe keine weitere mündliche Schiedsverhandlung durchführen müssen. Das Geschäftsjahr 2019 sei von Beginn des Schiedsverfahrens an vom Streitgegenstand des Schiedsverfahrens umfasst gewesen. Die Klägerin habe zwar beantragt, über die aktualisierten Anträge beider Parteien mündlich zu verhandeln. Dieser Antrag sei aber unsubstantiiert geblieben. § 598 Satz 2 ZPO statuiere eine Verhandlungspflicht des Schiedsgerichts nur in einem „geeigneten Abschnitt“ des Verfahrens. In Ausübung des diesbezüglichen Ermessens könne das Schiedsgericht von einer mündlichen Schiedsverhandlung absehen, wenn die Partei einen entsprechenden Antrag zu einem ungünstigen Zeitpunkt stelle und sich kein geeigneter Zeitpunkt mehr finde. Noch mehr müsse es eine solche Möglichkeit der Abweisung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Schiedsverhandlung dann geben, wenn – wie hier – schon eine mündliche Schiedsverhandlung abgehalten worden sei und in einer weiteren Verhandlung inhaltlich nur noch einmal jene Themen erörtert werden würden, die schon in der vorangehenden Verhandlung erörtert worden seien. Vor diesem Hintergrund habe das Schiedsgericht den Antrag der Klägerin bei objektiver Betrachtungsweise nur dahin verstehen können, dass die Klägerin das Schiedsverfahren verzögern habe wollen.

[104] Das Schiedsgericht habe die Anträge der Klägerin mit Verfahrensverfügung Nr 4 vom abgewiesen und das Schiedsverfahren entsprechend Art 27 der ICC-Schiedsgerichtsordnung geschlossen. Die Klägerin habe gegen diese Entscheidung keine Rüge iSd § 579 ZPO erhoben.

3. Dazu wurde erwogen:

[106] 3.1. Haben die Parteien eine mündliche Verhandlung nicht ausgeschlossen, so hat das Schiedsgericht auf Antrag einer Partei eine solche in einem geeigneten Abschnitt des Verfahrens durchzuführen (§ 598 Satz 2 ZPO). Nach Art 25 Abs 6 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 kann das Schiedsgericht den Fall allein aufgrund der Aktenlage entscheiden, es sei denn, eine Partei beantragt eine mündliche Verhandlung.

3.2. Das Schiedsgericht trifft nach § 598 Satz 2 ZPO eine Verhandlungspflicht, wenn sie nicht einvernehmlich ausgeschlossen und von einer Partei beantragt wurde. Auf dieser Grundlage hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 111/10i ausgeführt, dass in diesem Fall das Unterbleiben einer Verhandlung als Gehörverstoß zu werten sei und daher „regelmäßig“ zur Aufhebung des Schiedsspruchs führe. An dieser Entscheidung hielt der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 18 OCg 9/19a grundsätzlich fest. Zwar liegt bei Unterbleiben einer beantragten Verhandlung kein Gehörverstoß im engeren Sinn vor, wenn den Parteien – wie unstrittig hier – auf andere Weise ermöglicht wurde, ihre Standpunkte geltend zu machen. Die in § 598 Satz 2 ZPO angeordnete Verhandlungspflicht ist allerdings Ausdruck des auch im staatlichen Verfahren vorgesehenen und dort mit Nichtigkeit sanktionierten Mündlichkeitsgrundsatzes. Dieser Grundsatz gilt zwar nach § 598 Satz 1 ZPO im Schiedsverfahren nicht generell, wohl aber nach § 598 Satz 2 ZPO bei Verlangen einer Partei. In diesem Fall kann das Unterbleiben der Verhandlung daher als Verstoß gegen eine insofern auch für das Schiedsverfahren geltende Grundwertung des österreichischen Verfahrensrechts angesehen werden (§ 611 Abs 2 Z 5 ZPO).

3.3. Die Nichtdurchführung einer beantragten Verhandlung führt nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs allerdings nicht zwingend zur Aufhebung (18 OCg 9/19a; 7 Ob 111/10i). Einerseits wird die Aufhebung dann zu unterbleiben haben, wenn der Antrag zu einem nicht mehr geeigneten Zeitpunkt iSv § 598 Satz 2 ZPO gestellt wird (18 OCg 9/19a). In der Literatur wird eine Verhandlungspflicht etwa dann verneint, wenn der Antrag auf mündliche Verhandlung verspätet oder offensichtlich mit Behinderungs- oder Verzögerungsabsicht (etwa nach Austausch der letzten Schriftsätze) gestellt wird (Hausmaninger in Fasching/Konecny³ IV/2 § 598 ZPO Rz 39 mwN; Hausmaninger/Loksa, Anmerkung zu 18 OCg 9/19a, EvBl 2020/120; Platte, Anmerkung zu 7 Ob 111/10i, EvBl 2010/148, 1017). Andererseits ist auch der Zweck einer Verhandlung zu beachten. Sie soll den Parteien die mündliche Darlegung ihrer Standpunkte ermöglichen und gegebenenfalls auch der Aufnahme von Personalbeweisen dienen. Wird keiner dieser Zwecke erfüllt, wäre die Durchführung der Verhandlung ein reiner Formalakt, der auch von § 598 Satz 2 ZPO nicht gewollt sein kann (18 OCg 9/19a; Hausmaninger/Loksa, Anmerkung zu 18 OCg 9/19a, EvBl 2020/120, 839). Dies gilt auch für Art 25 Abs 6 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017.

[109] 3.4. Ein solcher Fall einer Ausnahme von der Verhandlungspflicht liegt hier vor:

[110] Die Klage- und Widerklageanträge der Parteien hatten auch das Geschäftsjahr 2019 zum Gegenstand. Die Klägerin stellte für die Geschäftsjahre ab 2019 ein betragsmäßig bestimmtes Begehren; die Beklagte erhob vorerst nur ein allgemein gehaltenes Feststellungsbegehren. Das Parteienvorbringen zu den Voraussetzungen und Modalitäten der Preisfestsetzung bzw -anpassung bezog sich auch auf das Geschäftsjahr 2019. Schließlich stellten sich für sämtliche Geschäftsjahre dem Grund nach dieselben Sach- und Rechtsfragen. Das Schiedsgericht nahm die Entscheidung über den Vertragspreis für die Geschäftsjahre ab 2019 auch in den Schiedsauftrag als eine der zu entscheidenden Streitfragen auf. Am 17. und hat das Schiedsgericht über die bis dahin gestellten Klage- und Widerklageanträge der Parteien mündlich verhandelt und Beweise aufgenommen. Nach dieser mündlichen Verhandlung modifizierte die Beklagte ihren Antrag und begehrte nun auch für das Geschäftsjahr 2019 die Feststellung eines betragsmäßig bestimmten Vertragspreises. Die Klägerin, die auch ihre eigenen Anträge nach der Verhandlung modifiziert und erweitert hatte, beantragte daraufhin, über die aktualisierten Anträge beider Parteien mündlich zu verhandeln, den Parteien vorbereitend Gelegenheit zu geben, zu den neuen bzw aktualisierten Anträgen und zu dem jeweils neuen Vorbringen der Gegenseite Stellung zu nehmen und den Verfahrenskalender entsprechend zu aktualisieren. Die Begründung dafür blieb unsubtantiiert. Das Erfordernis, beiden Parteien Gelegenheit zu geben, zu den neuen bzw aktualisierten Anträgen und zu dem jeweils neuen Vorbringen der jeweiligen Gegenseite Stellung zu nehmen, folge aus deren Anspruch auf rechtliches Gehör. Das Erfordernis einer weiteren mündlichen Verhandlung ergebe sich aus der Notwendigkeit einer ergänzenden Beweisaufnahme zu den neuen streitigen Tatsachenbehauptungen und der Erörterung der geänderten bzw ergänzten Sachanträge beider Parteien. Das Schiedsgericht wies die Anträge der Klägerin mit der Begründung ab, dass der Klägerin bereits Gelegenheit gegeben worden sei, zum Schriftsatz der Beklagten (schriftlich) Stellung zu nehmen. Für die Entscheidung der streitgegenständlichen Ansprüche komme es nicht darauf an, eine weitere mündliche Verhandlung durchzuführen.

[111] Demnach waren die für die Beurteilung der Preisanpassung für das Geschäftsjahr 2019 dem Grunde nach maßgeblichen Entscheidungsgrundlagen bereits Gegenstand einer mündlichen Schiedsverhandlung. In Bezug auf die erst nachträglich erfolgte Konkretisierung der Preisvorstellungen der Beklagten gab das Schiedsgericht der Klägerin Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme, eine substantiierte Begründung für die Zweckmäßigkeit der Durchführung einer weiteren mündlichen Schiedsverhandlung enthält diese aber nicht. Unter diesen Umständen ist die Auffassung des Schiedsgerichts, dass eine weitere Verhandlung zwecklos sei und damit nicht durchgeführt werden müsse, nach dem Kalkül des § 611 Abs 2 Z 2 und Z 5 ZPO nicht zu beanstanden (vgl 18 OCg 9/19a).

[112] 3.5. Die Frage der allfälligen Rügepflicht im Fall des Absehens von einer beantragten mündlichen Verhandlung (vgl Hausmaninger in Fasching/Konecny³ IV/2 § 579 ZPO Rz 29; Stippl, Anmerkung zu 7 Ob 111/10i, ecolex 2010, 1159) und der (Un)Möglichkeit einer solchen Rüge nach der Schließung des Schiedsverfahrens entsprechend Art 27 ICC-Schiedsgerichtsordnung 2017 kann daher dahin stehen.

V. Ergebnis

[114] Aus diesen Gründen ist die Aufhebungsklage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:018OCG00010.19Y.0302.000

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