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OGH vom 19.05.2022, 9ObA44/22v

OGH vom 19.05.2022, 9ObA44/22v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn und die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und ADir. Gabriele Svirak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei * K*, vertreten durch Freimüller/Obereder/Pilz Rechtsanwältinnen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 50.000 EUR) und Abgabe einer Erklärung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 8 Ra 77/21h-25, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

[1] Der * 1956 geborene Kläger war von bis bei der Beklagten zuletzt als Flugkapitän beschäftigt. Die Beklagte traf mit einer größeren Anzahl von Flugkapitänen, ua dem Kläger, die zur vorzeitigen einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses bewogen werden sollten, jedoch noch nicht die Voraussetzungen für eine leistungsorientierte Betriebspension erfüllten, folgende, vom Kläger am unterzeichnete Vereinbarung:

„… 4. Pensionskasse

* sichert Ihnen nach Ablauf von 60 Monaten ab dem Austrittstag eine Firmenpension gemäß Zusatzkollektivvertrag 2, VII Punkt I zu. Sie erhalten anstelle der Pensionsleistung gemäß Zusatzkollektivvertrag 2, VII Punkt II eine Leistungspension aus der Pensionskasse in Höhe von 60 % der Bemessungsgrundlage (Grundgehalt + Flugzulage zum Austrittstag).“

[2] Am wurde ein Anhang zum Kollektivvertrag für das Bordpersonal der * AG und * GmbH (OS-KV 2004) unterzeichnet, der rückwirkend mit in Kraft trat und für namentlich aufgezählte Kapitäne, mit denen die Dienstverhältnisse unternehmensseitig initiiert einvernehmlich aufgelöst werden, ua den Kläger, folgende Sonderregelung enthielt: „Ab Vollendung des 55. Lebensjahres und frühestens 60 Monate nach dem Austrittstag finden die Regelung des Zusatzkollektivvertrags II Punkt VII („Firmenpension Piloten § 15“) und somit auch des Kollektivvertrag-Anhangs VII („Pensionskasse Piloten“) Anwendung. …“

[3] Das Dienstverhältnis des Klägers endete idF durch einvernehmliche Auflösung.

[4] Der am abgeschlossene Zusatzkollektivvertrag für das Bordpersonal sieht in Pkt 18.3. im Ergebnis vor, dass der für ehemalige Piloten bestehende Anspruch auf (Gesamt-)Pensionsleistung für die Dauer vom bis um 15 % gesenkt wird.

[5] Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass dem Kläger aufgrund der Auflösungsvereinbarung eine leistungsorientierte Betriebspension einer Pensionskasse in Höhe von 60 % der Bemessungsgrundlage zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Unternehmen der Beklagten zusteht, die durch den Zusatzkollektivvertrag 2020 nachträglich nicht rechtswirksam gekürzt werden konnte, und gaben dem entsprechenden Feststellungsbegehren des Klägers statt.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision der Beklagten zeigt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

[7] 1. Ob die Auslegung von Bestimmungen einer einzelvertraglichen Betriebspensionsvereinbarung zutrifft, kann immer nur anhand der Umstände des Falles beurteilt werden und begründet daher – von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen – im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0044358 [T40]). Eine solche Fehlbeurteilung liegt hier nicht vor:

[8] Gegen die Ansicht der Beklagten, dass die Erwähnung von 60 % der Bemessungsgrundlage in der Vereinbarung lediglich ein Zitat aus dem anzuwendenden Zusatzkollektivvertrag darstelle, nicht aber die Vereinbarung einer bestimmten Pensionshöhe, spricht auch unter Berücksichtigung der Vertragsverhandlungen der Wortlaut der Vereinbarung („Leistungspension aus der Pensionskasse in Höhe von 60 (sechzig) Prozent der Bemessungsgrundlage“) und die folgende Bezugnahme auf den „hierfür erforderlichen“ Nachschuss in die Pensionskasse. Die von der Beklagten in der Revision genannten relativierenden Formulierungen (§ 15 I Z 2 ZusatzKV 2 OS-KV 2004: „vorläufig“; Angebote der Beklagten: „maximal 60 % der Bemessungsgrundlage“) haben in der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung gerade keinen Niederschlag gefunden. Mit dem Kläger wurde auch nicht die Möglichkeit von Änderungen besprochen. Ein Korrekturbedarf zur Auslegung der Vereinbarung besteht hier nicht.

[9] 2. Die Beklagte sieht einen Widerspruch in der Begründung des Berufungsgerichts, weil es den Anhang zum OS-KV 2004 vom als arbeitsrechtliche Grundlage für die Pensionskassenzusage iSd Betriebspensionsgesetzes erachtet, jedoch angenommen habe, dass dies nichts am einzelvertraglichen Anspruch des Klägers auf die Leistungspension iHv 60 % ändere. Entweder sei der Einzelvertrag arbeitsrechtliche Grundlage oder der Kollektivvertrag. Ersteres bedeute eine Verletzung des Formgebots (§ 3 BPG), womit die Auflösungsvereinbarung unbeachtlich sei. Im zweiten Fall habe durch den ZKV 2020 in die Pensionskassenleistung eingegriffen werden dürfen.

[10] Nach § 3 Abs 1 BPG bedarf die Errichtung einer betrieblichen Pensionskasse oder der Beitritt zu einer betrieblichen oder überbetrieblichen Pensionskasse (mit hier nicht relevanten Ausnahmen) zur Rechtswirksamkeit des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung oder in den Fällen des Abs 1a eines Kollektivvertrags. Dieser Rechtsformzwang schließt aber nicht aus, dass Leistungszusagen des Arbeitgebers nach § 2 Z 1 BPG nicht nur auf Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, sondern auch auf einseitigen Erklärungen oder Einzelvereinbarungen beruhen können. § 2 BPG regelt insofern die Frage, welche Rechtssatzform den Arbeitgeber zur Erteilung einer Pensionskassenzusage verpflichten kann, wozu – wie hier – auch eine einzelvertragliche Abrede in Frage kommt. Hingegen regelt § 3 BPG die Frage, auf welche Weise einer solchen Verpflichtung zur Einführung eines Pensionskassenmodells entsprochen und ein Pensionskasseneintritt verwirklicht werden kann. Dass Pensionskassenzusagen nur im Wege einer dem § 3 leg cit entsprechenden Grundlagenvereinbarung realisierbar sind, ändert daher nichts daran, dass sie auch auf einer anderen Rechtsgrundlage iSd § 2 Z 1 BPG beruhen können (s nur Schrammel/Kietaibl, BPG/PKG2, § 3 BPG Rz 21 mwN). Davon sind auch die Vorinstanzen ausgegangen.

[11] 3. Soweit die Beklagte auf die Möglichkeit der nachträglichen Abänderung des Kollektivvertrags verweist (§ 2 Abs 2 Z 3 ArbVG), ist ein durch Individualvereinbarung begründeter Anspruch der kollektivvertraglichen Änderung entzogen (Reissner in ZellKommII § 2 ArbVG Rz 66; Löschnigg, Arbeitsrecht13, Rz 3/150).

[12] 4. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00044.22V.0519.000

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