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OGH vom 25.05.2011, 8Ob43/11y

OGH vom 25.05.2011, 8Ob43/11y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers F***** B*****, vertreten durch Mag. Dieter Koch, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen den Antragsgegner J***** B*****, vertreten durch Dr. Stefan Nenning und Mag. Jörg Tockner, Rechtsanwälte in Steyr, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom , GZ 43 R 632/10z 58, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leopoldstadt vom , GZ 1 FAM 13/08v 52, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Der Antragsgegner ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen die mit 768,24 EUR (darin 128,04 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der 1986 geborene Antragsteller ist der Sohn des Antragsgegners. Die Eltern sind geschieden, der Antragsteller wuchs bei seiner Mutter auf. Er besuchte eine HTL für Bautechnik und beendete diese Ausbildung im Juni 2006 erfolgreich mit der Reife und Diplomprüfung. Von Juli 2006 bis März 2007 absolvierte er den Zivildienst. Die Geldunterhaltspflicht des Antragsgegners wurde mit Wirkung ab für erloschen erklärt.

Im Anschluss an den Zivildienst war der Antragsteller als Angestellter eines Bauunternehmens in seinem Heimatbundesland Steiermark beschäftigt und erzielte dabei zuletzt ein Durchschnittseinkommen von 2.362,98 EUR brutto pro Monat.

Im September 2008 beendete der Antragsteller das Dienstverhältnis einvernehmlich, um ein Bachelorstudium für Bauingenieurwesen und Baumanagement an einer Fachhochschule in Wien anzutreten. Sein facheinschlägiger HTL Abschluss ermöglichte es dem Antragsteller, sofort im dritten Semester einzusteigen, sodass er den planmäßig sechs Semester dauernden Studiengang in nur vier Semestern abschließen konnte.

Dieses Studium wird an der Fachhochschule auch in berufsbegleitender Form angeboten. Der Antragsteller entschied sich aber für ein Vollzeitstudium, weil der berufsbegleitende Unterricht den Besuch abendlicher Pflichtveranstaltungen an vier Tagen in der Woche von 17.30 bis 21.30 Uhr, ein achtwöchiges Pflichtpraktikum sowie Prüfungen über 30 ECTS pro Semester erfordert hätte.

Der Antragsteller beabsichtigt, seine Ausbildung mit einem Masterlehrgang, der nach vier Semestern mit dem akademischen Grad „Diplomingenieur für technisch wissenschaftliche Berufe“ abschließt, fortzusetzen. Wegen der Höhe des Einkommens seiner Eltern erhält er keine Studienbeihilfe.

Das Begehren, den Antragsgegner ab dem wieder zur Zahlung von Geldunterhalt zu verpflichten, war im zweiten Rechtsgang in beiden Vorinstanzen erfolgreich. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob ein Unterhaltsberechtigter nach Möglichkeit eine berufsbegleitende Form einer weiterführenden Ausbildung zu wählen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Antragsteller beantwortete Revisionsrekurs des Antragsgegners, der vor allem eine Verpflichtung des Antragstellers zur Wahl eines berufsbegleitenden Studiums geltend macht, zeigt jedoch keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf und ist daher entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Es entspricht der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass unterhaltspflichtige Eltern ihrem Kind nicht nur eine abgeschlossene Berufsausbildung entsprechend seinem Stand und Vermögen zu gewähren, sondern auch zu seiner höherwertigen weiteren Berufsausbildung beizutragen haben, wenn es die zum Studium erforderlichen Fähigkeiten besitzt, das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt und wenn den Eltern nach ihren Einkommens und Vermögensverhältnissen eine solche Beteiligung an den Kosten des Studiums des Kindes möglich und zumutbar ist (RIS Justiz RS0047580).

Ein den Lebensverhältnissen der Eltern und den Anlagen und Fähigkeiten des Kindes entsprechendes Studium schiebt den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit hinaus, sofern es das Studium ernsthaft und zielstrebig betreibt (RIS Justiz RS0047580 [T3, T 4]; RS0107724). Dies gilt nach der ständigen Rechtsprechung nicht nur für Absolventen einer allgemeinbildenden höheren Schule, sondern gleichermaßen für Absolventen einer berufsbildenden mittleren oder höheren Lehranstalt, selbst wenn deren Schulabschluss mit der Berechtigung zur Ausübung eines Lehrberufs oder den Voraussetzungen für die Ausübung eines Gewerbes verbunden ist (4 Ob 510/85; 1 Ob 703/87).

Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass einem Absolventen einer berufsbildenden höheren Schule, der schon einige Zeit einer Arbeit nachgegangen ist und nun die Ausbildung an einer Fachhochschule anstrebt, bei entsprechender Eignung, nachhaltigem Studium und der Erwartung eines besseren Fortkommens ein Unterhaltsanspruch nicht verwehrt werden kann (RIS Justiz RS0047580 [T13]). Eine bereits erlangte Selbsterhaltungsfähigkeit kann bei gerechtfertigter beruflicher Weiterbildung auch wieder wegfallen (RIS Justiz RS0047533; Schwimann/Kolmasch , Unterhaltsrecht³, 93 mwN).

Ob die kumulativen Voraussetzungen für ein Wiederaufleben des Unterhaltsanspruchs vorliegen, ist eine Frage der konkreten Lebensumstände und wirft keine über den Anlassfall hinaus erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf (RIS Justiz RS0107723).

Im Fall eines berufsbegleitenden Studiums eine Möglichkeit, die nicht nur beim hier zu beurteilenden Fachhochschulstudiengang bestünde, sondern auch bei nahezu allen Universitätsstudien würde sich die Frage eines Unterhaltsanspruchs von vornherein nicht stellen. Dennoch billigt die bereits wiedergegebene Rechtsprechung dem Unterhaltsberechtigten unter den genannten Voraussetzungen die Absolvierung eines Studiums zu, ohne ihn auf die Möglichkeit eines berufsbegleitenden Studiums zu verweisen (vgl dazu jüngst 8 Ob 31/10g, wo ebenfalls dem Einwand des Vaters, der Unterhaltsberechtigte müsse neben seinem [dort: Doppel ]Studium einer Berufstätigkeit nachgehen, nicht gefolgt wurde). Letztlich hängt die Frage, ob und inwieweit dem Unterhaltsberechtigten eine eigene Erwerbstätigkeit neben dem Studium zur Entlastung des Unterhaltspflichtigen zumutbar ist, von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Angesichts der dazu von den Vorinstanzen ins Treffen geführten Umstände (vgl die vom Erstgericht festgestellte Stunden , Prüfungs und Praktikaanzahl) kann in ihrer Beurteilung, der Antragsteller müsse sich nicht auf die Möglichkeit eines berufsbegleitenden Studiums verweisen lassen, eine unvertretbare Fehlbeurteilung nicht erblickt werden.

Die finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragsgegners, den keine weiteren Sorgepflichten treffen, ist unstrittig, die Höhe des zugesprochenen Unterhalts wird in der Revision nicht bekämpft. An der Eignung des Antragstellers für die gewählte Ausbildung und der Zielstrebigkeit seines Studiums bestehen nach den Beweisergebnissen ebenfalls keine begründeten Zweifel.

Der Antragsteller hätte hier auch bei frühestmöglichem Beginn seines Fachhochschulstudiums im Wintersemester nach dem Ende des Zivildienstes keinen früheren Abschluss erreichen können, weil er in diesem Fall im ersten von sechs Semestern des (erstmals 2008 an dieser Fachhochschule angebotenen) Lehrgangs beginnen hätte müssen. Mit seiner vorübergehenden Berufstätigkeit an Stelle des ersten Fachhochschuljahres und dem Einstieg im dritten Semester hat er bereits zur finanziellen Entlastung des Antragsgegners beigetragen. Aus dieser wirtschaftlich vernünftigen, verantwortungsvollen Entscheidung kann aber keine Verpflichtung des Antragstellers abgeleitet werden, sich auch in Zukunft mit der erreichten beruflichen Stellung zu begnügen, oder seine weitere Ausbildung unter Verzicht auf Unterhaltsansprüche alleine zu bestreiten.

Die Beurteilung, ob ein Studium ein besseres Fortkommen erwarten lässt, hat regelmäßig nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen zu erfolgen (RIS Justiz RS0047580 [T1]). Es genügt die im vorliegenden Fall von den Vorinstanzen festgestellte Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller durch den angestrebten Studienabschluss ein höheres Einkommen erzielen und bessere Aufstiegsschancen wahrnehmen kann; Gewissheit ist nicht erforderlich (RIS Justiz RS0047580 [T8, T 13]).

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 Abs 1 AußStrG; der Antragsteller hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.