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OGH vom 15.05.2012, 14Os2/12v

OGH vom 15.05.2012, 14Os2/12v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schöfmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Herwig B***** wegen des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen, AZ 24 Hv 46/10k des Landesgerichts Linz, über den Antrag des Verurteilten auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Urteil des Einzelrichters des Landesgerichts Linz vom , GZ 24 Hv 46/10k 1013d, wurde Mag. Herwig B***** der Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt, hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB angeordnet. Seiner dagegen erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe gab das Oberlandesgericht Linz mit Urteil vom , AZ 8 Bs 441/10z abgesehen von der Abänderung insoweit, als ein Veröffentlichungsantrag der Staatsanwaltschaft abgewiesen wurde nicht Folge.

Soweit ersichtlich (vom Verteidiger wurden handschriftlich verfasste Schreiben des Verurteilten vom und zum Vorbringen des Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a StPO, erhoben) reklamiert der Erneuerungswerber, dass seine Unterbringung gemäß § 21 Abs 2 StGB und der Vollzug dieser Maßnahme mit Art 5 und Art 6 MRK nicht vereinbar seien.

Rechtliche Beurteilung

Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist die Anrufung des Obersten Gerichtshofs mit einem auf § 363a StPO gestützen Antrag auch ohne vorheriges Erkenntnis des EGMR zulässig. Demnach ist Erneuerung des Strafverfahrens dann möglich, wenn der Oberste Gerichtshof selbst eine Verletzung der MRK oder eines ihrer Zusatzprotokolle durch eine Entscheidung oder Verfügung eines untergeordneten Strafgerichts feststellt (vgl RIS Justiz RS0122229).

Dabei handelt es sich aber um einen subsidiären Rechtsbehelf (RIS Justiz RS0122737), weshalb in Bezug auf das Grundrecht auf Freiheit ausschließlich die Bestimmungen des GRBG zur Anwendung gelangen, das insoweit den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof abschließend regelt.

Nach § 1 Abs 1 GRBG steht wegen Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit durch eine strafgerichtliche Entscheidung oder Verfügung dem Betroffenen nach Erschöpfung des Instanzenzugs Grundrechtsbeschwerde an den Obersten Gerichtshof zu. Dies gilt nach der ausdrücklichen Regelung des § 1 Abs 2 GRBG nicht für die Verhängung und den Vollzug von Freiheitsstrafen und vorbeugenden Maßnahmen wegen gerichtlich strafbarer Handlungen, weshalb in diesen Fällen eine Grundrechtsbeschwerde nach § 1 Abs 2 GRBG ebenso ausgeschlossen ist wie der subsidiäre Erneuerungsantrag (RIS Justiz RS0123350).

Soweit der Erneuerungsantrag eine Verletzung des Rechts auf Freiheit und Sicherheit (Art 5 MRK) behauptet, ist er demnach schon aus formellen Gründen unzulässig.

Wie erwähnt ist eine Antragstellung nach § 363a StPO vor Feststellung einer Konventionsverletzung durch den EGMR nur zulässig, wenn der innerstaatliche Instanzenzug ausgeschöpft wurde (vgl RIS Justiz RS0122737). Hinsichtlich des auf ein Erkenntnis des Deutschen Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, 2 BvR 2365/09 vom ) gestützten Vorbringens, die Unterbringung in einer Maßnahme nach § 21 Abs 2 StGB sei konventionswidrig, und der Reklamation einer Verletzung von Art 6 Abs 3 lit d MRK zufolge gesetzlich vorgesehener Bestellung von Sachverständigen im Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft (§ 126 Abs 3 StPO) mangelt es an dieser Voraussetzung, weil Entsprechendes im Rahmen des gegen das Ersturteil ergriffenen Rechtsmittels nicht eingewendet wurde.

Im Übrigen bleibt unklar, weshalb aus einem Erkenntnis des Deutschen Bundesverfassungsgerichts zum Institut der Sicherheitsverwahrung nach deutscher Rechtslage die Annahme der (generellen) Konventionswidrigkeit einer Unterbringung nach § 21 Abs 2 StGB abzuleiten sei, und kann (wenngleich aus dem Umstand, dass ein im Hauptverfahren beigezogener Sachverständiger bereits im Ermittlungsverfahren im Auftrag der im Hauptverfahren als Partei auftretenden Staatsanwaltschaft tätig war, eine gewisse Anscheinsproblematik resultieren kann; vgl Ratz , Zur Reform der Hauptverhandlung und des Rechtsmittelverfahrens, ÖJZ 2010, 394 f; Todor Kostic , Sachverständigenbeweis und Sachverständigenauswahl, AnwBl 2011, 312 ff) nicht außer Acht gelassen werden, dass der Sachverständige für das Hauptverfahren vom Gericht zu bestellen ist (§ 126 Abs 3 erster Satz StPO), dem er mangelndes Fachwissen substituiert (§ 126 Abs 1 erster Satz StPO).

Angesichts dieser spezifischen Rolle des Sachverständigen, begegnet es mit Blick auf Konventionsgarantien (vgl das in Art 6 Abs 3 lit d MRK normierte Recht, die Ladung und Vernehmung von Entlastungszeugen zu erwirken), keinen Bedenken, das Recht, die Beiziehung eines weiteren Sachverständigen zu beantragen, an die Einhaltung der in § 127 Abs 3 erster Satz StPO geregelten Vorgangsweise zu knüpfen. Demnach ist ein weiterer Sachverständiger (über Antrag des Angeklagten) nur dann beizuziehen, wenn sich Mängel des Gutachtens nicht durch Befragung des (ursprünglichen) Sachverständigen beseitigen lassen (RIS Justiz RS0120023; Hinterhofer , WK StPO § 127 Rz 16).

Mit der Behauptung, dass die im Verfahren beigezogene Sachverständige Dr. Adelheid Kastner zum „GA Zeitpunkt“ „nicht zertifiziert war und noch immer kein Diplom der ÖÄK für das Fachgebiet Psychiatrische Kriminalprognostik besitze“ und ein nachweislich falsches Gutachten erstattet habe, werden aber Mängel im Sinn des § 127 Abs 3 StPO ebenso wenig dargetan, wie ein erfolglos gebliebener Verbesserungsversuch als Voraussetzung eines Antrags zur Beiziehung eines weiteren Sachverständigen.

Schließlich hat das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht zu dem (nun auch im Antrag auf Erneuerung unter Hinweis auf RIS Justiz RS0059366 und erhobenen) Vorwurf, „die Befundgrundlage“ des Gutachtens sei „obsolet“, „da keine psychdiagnostische Tests durchgeführt wurden“, bereits festgehalten, dass eine umfassende Befundung des Verurteilten zufolge dessen Weigerung unterblieben ist (US 16).

Der Erneuerungsantrag war daher zurückzuweisen.

Die Behandlung des Antrags auf einen Vollzug in „Form der 'elektronischen Fußfessel'“ fällt nicht in die Kompetenz des Obersten Gerichtshofs.