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OGH vom 15.07.2003, 10ObS306/02a

OGH vom 15.07.2003, 10ObS306/02a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Erwin Blazek (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Rudolf Schallhofer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in den verbundenen Sozialrechtssachen der klagenden Partei Nandor M*****, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Rückersatz der Ausgleichszulage (Streitwert 1.264,97 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Rs 118/02k-14, berichtigt mit Beschluss vom , GZ 8 Rs 118/02k-21, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 18 Cgs 96/01s-9, berichtigt mit Beschluss vom , GZ 18 Cgs 96/01s-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger bezieht von der beklagten Partei eine Alterspension sowie eine Ausgleichszulage und vom jugoslawischen Pensionsversicherungsträger eine jugoslawische Pension. Mit Bescheid vom stellte die beklagte Partei die Ausgleichszulage für die Monate Juli 1999 bis Oktober 2000 neu fest. Gleichzeitig sprach sie aus, dass über die ab gebührende Ausgleichszulage gesondert entschieden werde und der vom bis entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von 17.138,80 S 1.245,53 EUR) rückgefordert werde und bei sonstiger Exekution innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides zurückzuzahlen sei.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten, am eingebrachten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, "die Ausgleichszulage nach seinem tatsächlichen Nettoeinkommen, und nicht nach einem fiktiven Wechselkurs zwischen Dinar und Schilling festzustellen. Entsprechend dem Ergebnis dieser Neufeststellung ist die Frage eines unter Umständen entstandenen Überbezugs für den Zeitraum bis neu festzustellen."

Mit Bescheid vom stellte die beklagte Partei die Ausgleichszulage für die Monate November und Dezember 2000 sowie Jänner 2001 neu fest und sprach aus, über die ab gebührende Ausgleichszulage werde gesondert entschieden werden und der vom bis entstandene Überbezug an Ausgleichszulage von 368,60 S 26,79 EUR) werde rückgefordert und sei bei sonstiger Exekution innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft dieses Bescheides zurückzuzahlen.

Mit der gegen diesen Bescheid gerichteten, am eingebrachten Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei sei schuldig, "die Ausgleichszulage nach dem tatsächlichen Nettoeinkommen und nicht nach dem fiktiven Wechselkurs zwischen Dinar und Schilling festzustellen. Entsprechend dem Ergebnis dieser Neufeststellung ist die Frage eines unter Umständen entstandenen Überbezugs für den Zeitraum bis neu festzustellen". Der Kläger wendet sich in seinen Klagen vor allem gegen die Berücksichtigung der jugoslawischen Pensionsleistung zu einem fixen Umrechnungskurs von 100 Dinar = 117,26 S. Dieser Umrechnungskurs entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen, weil der Kläger weder in Jugoslawien noch in Österreich die Möglichkeit habe, Dinar in Schilling oder eine sonstige Währung offiziell zu tauschen. Er sei gezwungen gewesen, mit Hilfe eines Rechtsanwalts den erhaltenen Dinarbetrag auf dem "Schwarzmarkt" in DM und US-Dollar zu tauschen. Darüber hinaus sei der Kläger, um die jugoslawische Pensionsleistung überhaupt zu erhalten, gezwungen gewesen, in Jugoslawien ein Konto zu eröffnen bzw für den jugoslawischen Pensionsversicherungsträger an einer festen Adresse in Jugoslawien gemeldet zu sein. Für die Bemessung der Ausgleichszulage dürfe jedoch nicht ein theoretischer Dinar-Schilling-Kurs herangezogen werden, sondern nur der tatsächlich realisierbare Kurs. Weiters seien die dem Kläger für den Bezug der jugoslawischen Pension entstandenen Aufwendungen zu berücksichtigen. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung des Überbezugs an Ausgleichszulage. Der der Umrechnung zugrunde liegende Kurs sei ein Fixkurs, welcher aus den von der Österreichischen Nationalbank angegebenen Tageswerten errechnet worden sei.

Das Erstgericht verband die beiden Rechtssachen zur gemeinsamen

Entscheidung und Verhandlung und wies die Klagebegehren ab und

verpflichtete - unter gleichzeitiger Feststellung der dem Kläger ab

gebührenden Ausgleichszulage - den Kläger zur Rückzahlung

des vom bis entstandenen Überbezugs an

Ausgleichszulage in Höhe von 17.406,40 S 1.264,97 EUR). Es stellte

fest, dass ein Devisenmittelkurs des Neuen Jugoslawischen Dinar (NJD)

zum Euro im Sinne eines Monats-Ultimokurses für den Zeitraum von Ende

Juli 1999 bis Ende November 2000 im Verhältnis von 100 NJD = 11,735

EUR, per Ende Dezember 2000 im Verhältnis von 100 NJD = 58,675 EUR

und per Ende Jänner 2001 im Verhältnis von 100 NJD = 58,6233 EUR

bestanden habe. Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die jugoslawische Teilpension des Klägers seien übrige Einkünfte des Klägers im Sinne des § 292 Abs 1 ASVG. Ein - denknotwendig höherer - "Schwarzmarktkurs" könne bei einem "offiziellen" Kurs begrifflich kein "Verlust" im Sinn des § 292 Abs 3 ASVG sein. Die Berechnung der Beklagten sei daher richtig.

Das Berufungsgericht gab der gegen diese Entscheidung vom Kläger erhobenen Berufung nicht Folge. Es verneinte das Vorliegen der geltend gemachten Verfahrensmängel und führte in rechtlicher Hinsicht aus, der Kläger habe einen Rechtsanspruch auf in die Jugoslawien bezogene Pension, die er tatsächlich auch beziehe. Aus der Tatsache, dass aus irgendwelchen Gründen in Österreich kein Markt für den NJD bestehe, obwohl von der Nationalbank ein Wechselkurs verlautbart werde, könne keine Verpflichtung der beklagten Partei abgeleitet werden, die vom Kläger bezogene Pension nicht als Pensionsleistung anzurechnen.

Mit Beschluss vom berichtigte das Berufungsgericht sein Urteil dahin, dass es aussprach, die Revision sei gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig. Zur Frage, ob eine Ausgleichszulage nach dem tatsächlich real zufließenden Einkommen zu berechnen oder nach den rein nominellen (verbalen) Wechselkursen einer ausländischen Währung zu berechnen sei, liege Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vor.

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und im Sinn des gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Bestimmungen über die Ausgleichszulage (§§ 292 ff ASVG) ergibt sich, dass bei der Feststellung des Anspruchs auf diese Leistung grundsätzlich nur tatsächlich bezogenes Nettoeinkommen des Pensionsberechtigten (und seines mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepartners) zu berücksichtigen ist. Dies erfordert der Zweck dieser Zusatzleistung, die zusammen mit der Pension, dem aus übrigen Einkünften erwachsenden Nettoeinkommen und den gemäß § 294 ASVG zu berücksichtigenden Beträgen das Existenzminimum des Pensionsberechtigten (und des mit ihm zusammenlebenden Ehepartners) sichern soll (SSV-NF 6/140 mwN aus Rsp und Lehre). Es kommt also nicht darauf an, welche gesetzlichen oder vertraglichen Ansprüche einem Ausgleichswerber zustehen, sondern welche Einkünfte ihm tatsächlich zukommen. In diesem Sinn sind die übrigen Einkünfte (nur) insoweit anzurechnen, als sie dem Pensionsberechtigten real zur Verfügung stehen (SSV-NF 1/21; 2/48; 2/131 ua; zuletzt etwa 10 ObS 421/01m; Teschner in Tomandl, SV-System 15. ErgLfg 412 ua). Unter dem Begriff des "Nettoeinkommens" im Sinn des § 292 Abs 1 ASVG ist daher das Einkommen zu verstehen, das als Aktivsaldo aus allen Einkommensarten letztlich verfügbar ist, wobei diese Definition des Begriffs "Nettoeinkommen" grundsätzlich auch für den Fall gilt, dass es sich bei den "übrigen Einkünften" - wie im vorliegenden Fall - um einen Pensionsanspruch handelt, und zwar um einen anderen als den, zu dem die Ausgleichszulage gewährt werden soll (vgl Teschner/Widlar, MGA ASVG 64. ErgLfg § 292 Anm 3 [1418]). So hat der Oberste Gerichtshof etwa für den Fall, dass der ausländische (jugoslawische) Versicherungsträger keine Leistungen auf die dem Ausgleichszulagenwerber zustehende jugoslawische Teilrente erbringt, ausgesprochen, dass diesem gegenüber dem österreichischen Sozialversicherungsträger der Anspruch auf Gewährung eines Vorschusses auf die Ausgleichszulage in der Höhe der Differenz zwischen der österreichischen Teilleistung und dem Richtsatz zustehe. Es könne dahingestellt bleiben, ob diese Nichterbringung der gebührenden Leistung durch den ausländischen Versicherungsträger auf Zahlungsunfähigkeit, Zahlungsstockung oder nur Zahlungsunwilligkeit zurückzuführen sei, weil es nicht zu Lasten des in Österreich lebenden Pensionisten und Ausgleichszulagenwerbers gehen könne, dass sich ein Vertragsstaat abkommenswidrig verhalte. Dem Ausgleichszulagenwerber sei es auch unzumutbar, vor Erlangung der Ausgleichszulage, die sein Existenzminimum sichern soll, langwierige und mühselige Versuche zur Durchsetzung seines ausländischen Rentenanspruchs zu unternehmen (SSV-NF 7/93).

Es ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig, dass Aufwendungen, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem Bezug der jugoslawischen Pension entstanden sind, bei der Berechnung der Ausgleichszulage zur österreichischen Pension die Einkünfte aus der jugoslawischen Pensionsleistung nicht vermindern (SSV-NF 8/23; RIS-Justiz RS0085190). Solche Aufwendungen (wie beispielsweise Kontoführungsspesen oder Spesen für eine Überweisung) erwachsen aus der Verwendung der jugoslawischen Pensionsleistung und sind daher ebensowenig als Abzug zu berücksichtigen wie allfällige gleichartige einem österreichischen Pensionisten erwachsende Spesen (SSV 26/7). Sind bei der Ausgleichszulagenberechnung die Direktleistungen ausländischer Versicherungsträger zu berücksichtigen, so ist allerdings nicht von dem im Ausland ausbezahlten Betrag, sondern von den entsprechenden Schilling- (bzw nunmehr Euro-)Beträgen auszugehen. So hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass für den Anspruch auf Ausgleichszulage nicht der in Jugoslawien ausbezahlte Dinarbetrag, sondern dessen Gegenwert in Schilling maßgebend ist (SSV-NF 5/4; 8/107). Beim Bezug einer ausländischen Teilpension hängt daher die Höhe des Anspruchs auf Ausgleichszulage auch von dem bei der Umrechnung der ausländischen Teilpension in die in Österreich geltende Währung angewandten Wechselkurs ab. Die beklagte Partei ist im vorliegenden Fall von einem fixen, von der Österreichischen Nationalbank verlautbarten Umrechnungskurs ausgegangen, der allerdings unter den vom Erstgericht festgestellten Werten liegt. Demgegenüber hat der Kläger geltend gemacht, dass es sich dabei um einen rein nominellen (verbalen) Kurswert ohne reellen Hintergrund handle, da im hier strittigen Zeitraum für den neuen jugoslawischen Dinar als Folge der Kriegsereignisse und der wirtschaftlichen Situation in Jugoslawien in Wahrheit kein realer Handelskurs bestanden habe und damals weder in Jugoslawien noch in Österreich die Möglichkeit bestanden habe, bei Banken Dinar in Schilling oder in eine sonstige Währung zu tauschen, sondern Dinar nur "am Schwarzmarkt" gehandelt worden seien. Zur wirtschaftlichen Situation in Jugoslawien ist ergänzend darauf hinzuweisen, dass der Anstieg der Inflation seit 1998 im Jahr 2000 mit 85 % einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Nachdem die neue Regierung im November 2000 teilweise Preiskontrollen aufgehoben und die Bindung des Dinar an die D-Mark gelöst hatte, beschleunigte sich die Preissteigerungsrate weiter, während der im Dezember 2000 offiziell an den früheren Schwarzmarktkurs angepasste Dinar sich seit Jahresbeginn 2001, als das System eines "gesteuerten Floatings" eingeführt wurde, einigermaßen stabilisierte (vgl Bramo/Arnberger, Ausländische Investitionen in der Bundesrepublik Jugoslawien, SWI 2002, 31 f).

Geht man bei der Berechnung des Anspruchs auf Ausgleichszulage von dem bereits einleitend dargelegten Grundsatz aus, dass die übrigen Einkünfte des Pensionsberechtigten nur insoweit anzurechnen sind, als sie ihm auch real zur Verfügung stehen, so erweist sich die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Sozialrechtssache an das Erstgericht als unausweichlich. Das Erstgericht wird daher im fortzusetzenden Verfahren mit den Parteien die Frage des tatsächlich realisierbaren Gegenwerts in Schillingbeträgen der an den Kläger im maßgebenden Zeitraum in Jugoslawien ausbezahlten Dinar-Beträge zu erörtern, die zur Klärung dieser Frage notwendigen Beweise aufzunehmen und danach die dem Kläger für die einzelnen Monate im strittigen Zeitraum zustehende Ausgleichszulage zu errechnen haben. Die von den Vorinstanzen und der beklagten Partei vertretene Ansicht, es sei der "offizielle" (von der Nationalbank - unabhängig von einem tatsächlichen Handelskurs des Dinar - verlautbarte) Umrechnungskurs heranzuziehen, wäre hingegen mit dem sozialen Zweck der Ausgleichszulage, die dem Pensionisten ein zu Bestreitung der Kosten einer einfachen Lebenshaltung in Österreich ausreichendes Mindesteinkommen sichern soll, nicht zu vereinbaren, weil dem Kläger ein durch die Kursverluste geschmälerter Teil seiner jugoslawischen Pension ja tatsächlich nicht zur Verfügung steht und daher auch nicht zur Bestreitung seiner Lebenshaltung verwendet werden kann (vgl SSV-NF 2/101 ua).

Der Revision des Klägers musste daher im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags stattgegeben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.