OGH vom 10.04.2008, 9ObA175/07m
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und AR Angelika Neuhauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei W***** KG, *****, vertreten durch Dr. Norbert Grill, Rechtsanwalt in Jenbach, gegen die beklagte Partei Karl R*****, vertreten durch Rechtsanwaltskanzlei Dr. Bernhard Hämmerle GmbH in Innsbruck, wegen 1.450 EUR sA, über den „(außerordentlichen) Revisionsrekurs" der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungs- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 79/07s, 15 Ra 61/06t-20, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom , GZ 15 Ra 61/06t-23, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cga 36/06m-16, abgeändert und das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cga 36/06m-7, als nichtig aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss
gefasst:
Spruch
1) Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts, mit dem in Abänderung des Beschlusses des Erstgerichts vom der Einspruch des Beklagten gegen den Zahlungsbefehl zurückgewiesen wurde, wird im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses (Abweisung des Antrags auf Zurückweisung des Einspruchs) abgeändert. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 249,79 EUR bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung vom (darin 41,63 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
2) Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem das Urteil des Erstgerichts vom einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens ab Einspruchserhebung als nichtig aufgehoben wurde, wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird aufgetragen, über die Berufung der klagenden Partei zu entscheiden.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Mit ihrer am beim Erstgericht eingelangten Mahnklage begehrte die Klägerin den Zuspruch von 1.450 EUR sA. Ihr sei die Exekution durch Pfändung der Dienstbezüge eines Arbeitnehmers des Beklagten bewilligt worden. Der Beklagte habe sich als Drittschuldner nicht geäußert und sei dem gerichtlichen Überweisungsauftrag nicht durch Zahlung nachgekommen. Er hafte daher für den in Exekution gezogenen Betrag.
Gegen den auf Grund der Klage antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl langte fristgerecht der Einspruch ON 3 ein. Dieser Schriftsatz, in dem als beklagte Partei der Beklagte bezeichnet wird, hat folgenden
Wortlaut:
„Ich erhebe gegen den bedingten Zahlungsbefehl vom ....
Einspruch.
Gründe für den Einspruch:
Die Drittschuldnererklärung wurde fristgerecht dem BG Schwaz und dem Betreibendenvertreter zugesandt."
Neben dem vorgedruckten Vermerk „Unterschrift" befindet sich die Stampiglie „*****hotel ***** GmbH, *****" und eine unleserliche Paraphe. Die in der Stampiglie angegebene Adresse entspricht jener des Beklagten.
Die Klägerin beantragte, diesen Einspruch als unzulässig zurückzuweisen, weil er nicht vom Beklagten, sondern von der angeführten GmbH erhoben worden sei. Ein Vertretungsverhältnis zwischen dem Beklagten und der GmbH sei nicht erkennbar. In der vom Erstgericht daraufhin durchgeführten Tagsatzung vom erklärte der unter Berufung auf eine Vollmacht des Beklagten einschreitende Beklagtenvertreter, der Einspruch werde dahin verbessert, „dass der Vertreter der beklagten Partei unter Berufung auf § 30 Abs 2 ZPO den bislang unvollständig gebliebenen Einspruch durch Leistung der Unterschrift verbessere". Dessen ungeachtet wurde der Einspruch auch nunmehr nicht unterfertigt.
Mit Beschluss vom wies das Erstgericht den Antrag der Klägerin auf Zurückweisung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl ab. Der Beklagte Karl R***** sei Geschäftsführer und Gesellschafter der „Karl R***** *****hotel ***** GmbH". Zwar sei aus dem Einspruch kein Vertretungsverhältnis zwischen dem Beklagten und dieser GmbH ersichtlich; dies stelle jedoch einen verbesserungsfähigen Mangel dar.
Mit Urteil vom selben Tag wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen fest, dass der Beklagte die Drittschuldnererklärung ordnungsgemäß ausgefüllt habe. Sie sei - ebenfalls mit der Stampiglie der GmbH versehen und mit einer unleserlichen Unterschrift unterfertigt - sowohl beim Exekutionsgericht eingebracht als auch der Kanzlei des Klagevertreters übermittelt worden. Es haben bereits Forderungsansprüche anderer Gläubiger bestanden. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Mangel der Unterschrift bzw das Fehlen des Hinweises auf ein Vertretungsverhältnis verbesserungsfähig und die Drittschuldnererklärung daher wirksam sei. Im Hinblick auf die Forderungsansprüche anderer Gläubiger sei die Klage von Anfang an nicht berechtigt gewesen.
Mit Beschluss vom hob die zweite Instanz über Rekurs der Klägerin den Beschluss vom auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens auf.
Die Absichtserklärung des Beklagtenvertreters, in Vertretung des Beklagten den Einspruch zu unterfertigen, könne die tatsächliche Unterschriftsleistung nicht ersetzen. Daher müsse ein Verbesserungsverfahren durchgeführt werden.
Der Einspruch weise den Stempel einer GmbH auf, deren Geschäftsführer der Beklagte sei. Sollte die zum Stempel gesetzte Unterschrift jene des Beklagten sein, läge der Anschein vor, dass der Beklagte den Einspruch als alleinvertretungsbefugter Geschäftsführer der GmbH unterfertigt habe. In diesem Fall wäre davon auszugehen, dass der Einspruch von einer vom Beklagten verschiedenen Person unterschrieben worden sei, zumal die Annahme, dass die GmbH als befugte Vertreterin des Beklagten gehandelt habe, absurd sei. Derartiges sei auch nicht behauptet worden. Stamme die Unterschrift von einer vom Beklagten verschiedenen Person, sei die Einspruchserhebung mangels Vertretungsbefugnis der GmbH nicht zuordenbar. Dann bliebe das Vorliegen eines allfälligen Vertretungsverhältnisses zu prüfen. Das Erstgericht werde daher nach Klärung der Frage, von wem die auf dem Einspruch aufscheinende Unterschrift stamme, den Einspruch dem Beklagten mit genauer Bezeichnung der Formgebrechen zurückzustellen haben. Sollte der Verbesserungsauftrag nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllt werden, wäre der Einspruch zurückzuweisen.
Das Erstgericht forderte den Beklagten daraufhin unter Anschluss des Originals des Einspruchs auf, bekannt zu geben, von wem die Unterschrift auf dem Einspruch stamme. Ein Auftrag, ein allenfalls bestehendes Vollmachtsverhältnis nachzuweisen, unterblieb. Der Beklagte legte innerhalb der ihm gesetzten Frist den Einspruch durch seinen rechtsanwaltlichen Vertreter neuerlich vor. Nunmehr befindet sich sowohl im Rubrum des Schriftsatzes als auch im Unterschriftsfeld des Einspruchs die unterfertigte Stampiglie der Beklagtenvertreter und ein Hinweis auf die gemäß § 30 Abs 2 ZPO erteilte Vollmacht. Gleichzeitig brachte der Beklagte vor, dass der Einspruch von Peter G***** in Vertretung des Beklagten unterfertigt worden sei.
Mit Beschluss vom wies das Erstgericht den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs abermals ab. Der Einspruch sei jetzt von einer antragslegitimierten Person unterfertigt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss hat die zweite Instanz
1) den Beschluss des Erstgerichts vom im Sinne der Zurückweisung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl abgeändert - insofern wurde der ordentliche Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt - und
2) das Urteil vom und das ihm vorangegangene Verfahren ab Einspruchserhebung aus Anlass der dagegen erhobenen Berufung als nichtig aufgehoben.
Da der Aufhebungsbeschluss des Rekursgerichts vom dem Beklagten zugestellt worden sei, sei er im Umfang seiner Ausführungen zu den dem Einspruch anhaftenden Formmängeln als Bestandteil des nachfolgenden Verbesserungsauftrags anzusehen. Diese Formmängel seien durch die nachfolgende Verbesserung nicht beseitigt worden. Die Frage einer Bevollmächtigung der Beklagtenvertreter durch die GmbH sei hier rechtlich irrelevant, weil diese Gesellschaft nie Prozesspartei gewesen und nie behauptet worden sei, dass sie vom Beklagten zu seiner Vertretung bevollmächtigt worden wäre. Da der Einspruch ursprünglich von Peter G***** in Vertretung des Beklagten unterfertigt worden sei, hätte es zur Beseitigung des Formmangels der Vorlage der dem Einschreiter vom Beklagten erteilten Vollmacht bedurft. Eine solche Vollmacht sei jedoch nicht nachgewiesen worden. Die Berufung auf die vom Beklagten erteilte Vollmacht hätte nur dann eine taugliche Verbesserung dargestellt, wenn der Einspruch überhaupt nicht unterfertigt worden wäre.
Der Einspruch sei daher zurückzuweisen.
Da somit der Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwachsen sei, sei aus Anlass der Berufung das Urteil vom einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens ab Einspruchserhebung als nichtig aufzuheben.
Gegen diese Entscheidung erhob der Beklagte ein als „(außerordentlicher) Revisionsrekurs" bezeichnetes Rechtsmittel, bei dem es sich - soweit es die Abänderung des Beschlusses vom betrifft - um einen außerordentlichen Revisionsrekurs und - soweit es die Aufhebung des Urteils betrifft - um einen Rekurs handelt.
Die Klägerin hat sich am drittinstanzlichen Verfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
1) Zum außerordentlichen Revisionsrekurs gegen die Abänderung des Beschlusses vom :
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat. Er ist auch berechtigt.
Wie ausgeführt, hat das Erstgericht erstmals mit Beschluss vom den Antrag auf Zurückweisung des Einspruchs abgewiesen. Gleichzeitig hat es das Klagebegehren abgewiesen. Obwohl die zweite Instanz über die Berufung gegen das klageabweisende Urteil zu diesem Zeitpunkt nicht entschied und das Urteil daher weiter Bestand hatte, hob das Rekursgericht mit Beschluss vom den erstgerichtlichen Beschluss vom zur neuerlichen Entscheidung nach Durchführung eines Verbesserungsverfahrens auf. Damit wurde das Verfahren im Umfang der Aufhebung in das Stadium der seinerzeitigen Beschlussfassung zurückversetzt. Bei der demgemäß zu treffenden neuerlichen Entscheidung hatte das Erstgericht die Ergebnisse des mittlerweile durchgeführten Verbesserungsverfahrens zu berücksichtigen, weil iSd § 85 Abs 2 ZPO die Verbesserung des Einspruchs auf den Zeitpunkt seines ersten Einlangens zurückwirkte. Die Auffassung des Rekursgerichts, die Verbesserung des Einspruchs durch den Beklagten habe die dem Schriftsatz anhaftenden Formmängel nicht beseitigt, wird vom Obersten Gerichtshof nicht geteilt. Aus der Formulierung des Einspruchs gegen den Zahlungsbefehl in seiner ursprünglichen Fassung ergibt sich zunächst mit hinreichender Deutlichkeit, dass der Einspruch im Namen des Beklagten eingebracht wurde. Nach dieser Formulierung wurde der Einspruch von der beklagten Partei („ich") erhoben, bei der es sich nach dem Rubrum um den Beklagten handelt. Es trifft allerdings zu, dass der Einspruch mangelhaft war, weil die darauf angebrachte Unterschrift unleserlich war und ihr zudem die Stampiglie einer GmbH beigesetzt wurde.
Allerdings ist der Beklagte (wie dem Firmenbuch zu entnehmen ist: alleiniger) Geschäftsführer und Gesellschafter dieser GmbH, deren vollständiger Firmenwortlaut ua seinen Namen enthält. Auch die Adresse des Beklagten stimmt mit der Adresse der GmbH überein. Nach alledem besteht kein Zweifel, dass der Einspruch namens des Beklagten entweder durch die von ihm beherrschte Gesellschaft oder jedenfalls durch einen unter Hinweis auf die Gesellschaft zeichnenden Dritten erhoben wurde. Ob dieser Dritte berechtigt war, namens der Gesellschaft zu zeichnen, ist einerlei. Da klar ist, dass die Unterfertigung des Einspruchs letztlich namens des Beklagten erfolgte, erweist sich die Verbesserung des Einspruchs in Form der Unterfertigung durch den Beklagtenvertreter, der sich dabei auf die ihm vom Beklagten erteilte Vollmacht berief, jedenfalls als ausreichend.
Die Abweisung des Antrags auf Zurückweisung des Einspruchs erweist sich daher als berechtigt, sodass in Stattgebung des Rekurses die erstgerichtliche Entscheidung wiederherzustellen ist. Diese Entscheidung beendet einen Zwischenstreit, in dem der Beklagte siegreich geblieben ist. Diesen Zwischenstreit betreffende ersatzfähige Kosten sind nur - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - im Verfahren über den Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluss vom aufgelaufen. Die Klägerin, die im Zwischenstreit unterlegen ist, hat dem Beklagten daher die Kosten der Beantwortung des gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurses zu ersetzen. Gesonderte Kosten dritter Instanz sind dem Beklagten, der seinen Revisionsrekurs in sein Rechtsmittel gegen das Urteil aufgenommen hat, nicht aufgelaufen.
2) Zum Rekurs gegen den Beschluss, mit dem das Urteil des Erstgerichts und das ihm vorangegangene Verfahren ab Einspruchserhebung aufgehoben wurden:
Der Rekurs ist iSd hier analog anzuwendenden Bestimmung des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zulässig (dem Beklagten wird abschließend der Rechtsschutz verweigert; 7 Ob 2332/96h mwN; 8 Ob 110/06v; E. Kodek in Rechberger, ZPO³ § 519 Rz 9); er ist ebenfalls berechtigt.
Mit der Änderung der den Einspruch des Beklagten zurückweisenden Entscheidung des Rekursgerichts iS der Abweisung des Antrags, den Einspruch zurückzuweisen, ist der berufungsgerichtlichen Entscheidung, die auf der Zurückweisung des Einspruchs beruht, der Boden entzogen. Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben; das Berufungsgericht wird über die Berufung inhaltlich zu entscheiden haben.
Die darauf entfallende Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.