OGH vom 06.09.2017, 13Os101/17b (13Os102/17z)
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Nogori R***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB, AZ 23 St 42/17b der Staatsanwaltschaft Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen die Beschlüsse des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom , AZ 11 Bs 89/17a (ON 116 der Ermittlungsakten), und vom , AZ 11 Bs 194/17t (ON 173 der Ermittlungsakten), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Grundrechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Aufgrund gerichtlich bewilligter Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 74) wurde Nogori R***** am wegen des Verdachts des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB festgenommen (ON 76 S 1). Das Landesgericht Innsbruck wies in der Folge den Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft mangels dringenden Tatverdachts ab und ordnete die Enthaftung an (ON 81).
Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss vom (ON 116) gab das Oberlandesgericht Innsbruck der dagegen erhobenen Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck Folge und verhängte über Nogori R***** die Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO. Insoweit ging es von der Prämisse aus, dass der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO nicht auszuschließen sei.
Nach mehrmaliger Haftfortsetzung beantragte der Beschuldigte am seine Enthaftung (ON 162), worauf das Landesgericht Innsbruck am eine Haftverhandlung durchführte (ON 164), in der es die Fortsetzung der Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO beschloss, weil der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO nicht auszuschließen sei (ON 165).
Der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten (ON 168) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit dem nunmehr ebenfalls angefochtenen Beschluss vom (ON 173) nicht Folge und setzte die Untersuchungshaft gemäß § 173 Abs 6 StPO (§ 173 Abs 2 Z 1 StPO) fort.
In der Sache erachtete das Beschwerdegericht Nogori R***** – gestützt auf die kriminalpolizeilichen Ermittlungsergebnisse, Gutachten von Sachverständigen aus den Fachbereichen der Spurenkunde, der Gerichtsmedizin und der Pathologie sowie mehrere Zeugenaussagen – dringend verdächtig, er habe am im Bereich K***** seine Schwiegertochter Jennifer V***** vorsätzlich getötet.
In rechtlicher Hinsicht bejahte das Oberlandesgericht den dringenden Verdacht des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Beschlüsse des Beschwerdegerichts erhobene Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten ist unzulässig:
Zum Beschluss vom (ON 116):
Diese Entscheidung wurde dem Verteidiger nach der Aktenlage am zugestellt (ON 116 S 23). Am Tag der Einbringung der Grundrechtsbeschwerde, dem (ON 177 S 1), war die hiefür vorgesehene Frist von 14 Tagen (§ 4 Abs 1 GRBG) bereits abgelaufen, womit die Beschwerde insoweit verspätet erhoben wurde.
Zum Beschluss vom (ON 173):
Die Sachverhaltsgrundlage des dringenden Tatverdachts kann im Grundrechtsbeschwerdeverfahren nach ständiger Judikatur nur nach Maßgabe der Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO angefochten werden (RIS-Justiz RS0110146, RS0112012 [T6] und RS0114488 [insbesondere T 2]).
Diesen Anfechtungsrahmen verlässt die Beschwerde, indem sie aus den vom Oberlandesgericht
– durch methodisch einwandfreie (14 Os 133/10f; Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 174 Rz 12 f mwN) identifizierende Wiederholung (BS 6) der Erwägungen vorheriger Beschwerdeentscheidungen – zur Begründung herangezogenen Beweismitteln anhand eigener Beweiswerterwägungen für den Beschwerdeführer günstige Schlüsse ableitet (vgl Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 28). Hinzu kommt, dass sie insoweit auch die gebotene Orientierung an der Gesamtheit der Erwägungen des Beschwerdegerichts (BS 6 bis 9) unterlässt (RISJustiz RS0106464 [insbesondere T 4], RS0112012).
Hinzugefügt sei, dass die in der Grundrechtsbeschwerde auch vorgenommene Bezugnahme auf das Ergänzungsgutachten Dr. S***** vom (ON 174) gegen das im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltende Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0106584; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 12) verstößt.
Auf das im ordentlichen Beschwerdeverfahren (ON 166) nicht thematisierte Vorbringen zum dringenden Tatverdacht, wonach der Beschuldigte bei den Vernehmungen unter Medikamenteneinfluss gestanden und das Opfer suizidgefährdet gewesen sei, war schon mangels horizontaler Erschöpfung des Instanzenzugs nicht einzugehen (13 Os 55/09a, 13 Os 73/09y, SSt 2009/35; RISJustiz RS0114487 [insbesondere T 20]; Kier in WK2 GRBG § 1 Rz 41).
Die Prognoseentscheidung, also die rechtliche Annahme, es sei nicht auszuschließen, dass einer der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gründe vorliege (§ 173 Abs 6 StPO), prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens darauf, ob sich diese als willkürlich, sohin nicht oder nur offenbar unzureichend begründet, darstellt (13 Os 173/08b, SSt 2008/103; 14 Os 74/15m, EvBl 2015/159, 1109; RIS-Justiz RS0117806; Kier in WK2 GRBG § 2 Rz 47), was die Beschwerde nicht behauptet.
Zudem steht auch dem Vorbringen zum Ausschluss des Vorliegens von Haftgründen das Prozesshindernis der horizontalen Nichterschöpfung des Instanzenzugs entgegen.
Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00101.17B.0906.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
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