OGH vom 15.04.1999, 8Ob41/99h

OGH vom 15.04.1999, 8Ob41/99h

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Pflegschaftssache für mj. Fabiana P*****, geborene G*****, geboren am , vertreten durch die Mutter Olivia Antonia P*****, Wachorgan, ***** diese vertreten durch Dr. Karl Eppacher, Rechtsanwalt in Innsbruck, infolge Revisionsrekurses der Minderjährigen, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom , GZ 54 R 215/98h-12, womit dem Rekurs der Minderjährigen gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom , GZ 3 P 236/98f-8 (vorher 2 P 52/96m-8), keine Folge gegeben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Am stellte die durch ihre Mutter vertretene Minderjährige den Antrag, für den abwesenden Vater Fidelio Evangelista Ramirez G***** gemäß § 276 ABGB in Verbindung mit § 8 ZPO einen Abwesenheitskurator mit dem Auftrag zu bestellen, eine Ehelichkeitsbestreitungsklage zu unterfertigen und einzubringen.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab und begründete dies in rechtlicher Hinsicht damit, daß das höchstpersönliche Recht des Mannes auf Bestreitung der Ehelichkeit nicht von einem Abwesenheitskurator geltend gemacht werden könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge und führte hiezu aus:

Das Erstgericht habe seine Entscheidung im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut und ständiger höchstgerichtlicher Judikatur getroffen. Die Bestreitung der Ehelichkeit durch den Ehemann der Mutter sei gemäß § 157 ABGB ein höchstpersönliches Recht des Mannes, welches vom Gesetzgeber dahingehend erweitert wurde, daß es sogar der minderjährige Mann ohne Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters im eigenen Namen ausüben kann. Ein Abwesenheitskurator sei daher zur Klagsführung nicht legitimiert.

Die Entscheidung, ob der Staatsanwalt die Voraussetzungen für die Ehelichkeitsbestreitung durch die Staatsanwaltschaft für gegeben erachte, liege in seinem Ermessen. Eine Überprüfungsmöglichkeit des Interesses, das den Staatsanwalt zur Klage veranlaßt oder ihn davon absehen läßt, durch das Gericht sei nicht anzunehmen. Auch die Ablehnung der Einbringung einer Ehelichkeitsbestreitungsklage durch den Staatsanwalt biete keinen Anlaß, einen Abwesenheitskurator für den Ehemann zu bestellen.

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde seitens des Rekursgerichtes nicht zugelassen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der von der Antragstellerin erhobene außerordentliche Revisionrekurs mit den Anträgen, diesen Revisionsrekurs zuzulassen, und den Beschluß des Rekursgerichtes dahin abzuändern, daß für die Antragstellerin (richtig wohl für den Antragsgegner, nämlich den abwesenden Ehemann der Mutter) antragsgemäß ein Abwesenheitskuratur bestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist wegen der Frage der Klagebefugnis zur Bestreitung der Ehelichkeit und der schon geraume Zeit zurückliegenden Rechtsprechung hiezu zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

Die Ausübung des Rechtes auf Bestreitung der Ehelichkeit durch einen Abwesenheitskurator für den Ehemann der Mutter wird von der Rechtsprechung aus den vom Rekursgericht angeführten rechtlichen Erwägungen abgelehnt (SZ 20/142). Gegen die Einschränkung der Klagebefugnis gemäß der §§ 157 f ABGB nur auf den Ehemann der Mutter und den Staatsanwalt bestehen aber verfassungsrechtliche Bedenken.

Mit deutschem Gesetz vom und Verordnung vom wurde die - zum Unterschied von Deutschland seither unverändert beibehaltene - Regelung der Klagslegitimation zur Bestreitung der ehelichen Geburt in Österreich eingeführt. Die Einschränkung der Privatautonomie durch die Bestreitungsbefugnis des Staatsanwaltes wurde vom damaligen Gesetzgeber damit begründet, daß bei der Bedeutung, die der Rassen- und Sippenzugehörigkeit nach nationalsozialistischer Auffassung zukomme, das Interesse an einer möglichst frühzeitigen und endgültigen Feststellung des Familienstandes hinter das öffentliche Interesse an einer Klarstellung der wirklichen Abstammung aus erb- und rassenpflegerischen Gründen zurücktreten müsse; mit dem Anfechtungsrecht des Staatsanwaltes solle verhindert werden, daß die Ehe zur Verschleierung der blutmäßigen Abstammung des Kindes mißbraucht werde (siehe Deutsche Justiz 1938, 619 f sowie Rexroth,

Die Familienrechtsnovelle vom , Deutsche Justiz 1938, 707, insbes 711). Der deutsche Gesetzgeber hat im Hinblick auf diese Entstehungsgeschichte das Anfechtungsrecht des Staatsanwaltes bereits im Jahr 1961 mit dem Familienrechtsänderungsgesetz beseitigt (zur Genesis der §§ 158 und 159 Abs 2 ABGB siehe auch Viktor Steininger, Verfassungswidrigkeiten im Bereich der Familienrechtsreform in Reform des Rechts, FS zu 200 Jahrfeier der Rechtswissenschafltichen Fakultät der Universität Graz [Leykam Graz 1979], 457, insb 459 f; Puttfarken in Dopffel, Ehelichkeitsanfechtung durch das Kind [Mohr Tübingen 1990], 15 sowie Dopffel aaO, Einleitung, 4 ff).

Wenn der Staatsanwalt - wie hier - sein Bestreitungsrecht nicht ausübt, obwohl der ausländische Ehemann der Mutter unbekannten Aufenthaltes ist und die Mutter mit dem leiblichen Vater des Kindes seit Jahren in ihrer österreichischen Heimat zusammenlebt, haben weder das Kind noch die Mutter die Möglichkeit, die Ehelichkeit des Kindes anzufechten und seine biologische Abstammung klären zu lassen.

Das Ermessen des Staatsanwaltes kann weder von den ordentlichen Gerichten noch von den Gerichtshöfen öffentlichen Rechts überprüft werden (siehe V. Steininger aaO, 460 f; Puttfarken aaO, 18; Bosch ZfRV 1993, 221 ff, insb 224 f). Die derzeitige Regelung der Anfechtungsbefugnis ist daher nach herrschender Auffassung (siehe insb V. Steininger aaO 459 ff sowie den Hinweis auf eine allfällige Verfassungswidrigkeit in SZ 65/100) mit Art 6 MRK und Art 7 B-VG unvereinbar.

Eine Antragstellung gemäß Art 89 Abs 2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof kommt nicht in Frage, weil das Kind lediglich die Bestellung eines Abwesenheitskurators für den ehelichen Vater zwecks Einbringung der Bestreitungsklage gegen das Kind begehrt und - anders als in dem der Entscheidung des deutschen Bundesverfassungsgerichtes vom , NJW 1989, 891, zugrundeliegenden Fall - weder Mutter noch Kind einen eigenen Anfechtungsanspruch geltend machen.

Die Bestellung eines Prozeßkurators für den Kläger auf Antrag der künftigen Beklagten ist aber ungeeignet, das von der Antragstellerin angestrebte Rechtsschutzziel zu verwirklichen. Das Institut des Abwesenheitskurators dient nicht dazu, der künftig Beklagten die Möglichkeit zu bieten, einen Prozeß gegen sich selbst einzuleiten. Eine durch Analogie zu schließende Lücke im Gesetz zur Wahrung der Interessen des Kindes besteht nicht, weil - bei Geltung des derzeitigen, wenn auch verfassungsrechtlich zu Zweifeln Anlaß gebenden Gesetzes - die Interessen des Kindes durch den Staatsanwalt gewahrt werden können.

Die Änderung einer als unbefriedigend erachteten Rechtslage im Falle einer rechtspolitischen Lücke bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten (SZ 49/45 ua). Eine Anfechtungsbefugnis des Gerichtes gemäß Art 89 B-VG besteht in diesem Fall nicht, weil nur die Vorfrage der Kuratorbestellung zu beurteilen, nicht aber die Norm, gegen die verfassungsrechtliche Bedenken bestehen, anzuwenden ist.