OGH vom 28.05.1991, 10ObS303/90
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Ehmayr als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Raimund Kabelka und Dr. Theodor Zeh (Arbeitgeber) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Isabella F*****, Pensionistin, ***** vertreten durch Dr. Friedrich Willheim, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Karl Leitner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ausgleichszulage, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 34 Rs 45/90-12, womit infolge Berufung der klagenden und der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 7 Cgs 544/89-6, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die im Umfang des Zuspruches einer Ausgleichszulage von S 899,30 ab als unbekämpft unberührt bleiben, werden im übrigen aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Klägerin bezieht seit von der beklagten SOZIALVERSICHERUNGSANSTALT DER GEWERBLICHEN WIRTSCHAFT eine Erwerbsunfähigkeitspension. Seit bezieht sie überdies eine Witwenpension.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom wurde die der Klägerin gewährte Ausgleichszulage gemäß § 153 GSVG ab mit monatlich S 106,50 neu festgestellt (herabgesetzt).
Mit der dagegen rechtzeitig erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Gewährung einer höheren Ausgleichszulage, ohne diese näher zu beziffern. Die Klägerin sei gemäß Einheitswertbescheid mit Wirkung Eigentümerin einer land- und forstwirtschaftlichen Nutzfläche mit dem Einheitswert von S 19.000,-. Die andere Liegenschaftshälfte stehe im Eigentum ihrer Kinder Felix und Elfriede; die Klägerin habe ausschließlich das Genußrecht. Der gesamte Besitz sei seit 1954 verpachtet, das Pachtgeld betrage jährlich S 5.800,-.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin sei gemeinsam mit ihrem am verstorbenen Gatten Hälfteeigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes gewesen. Der Hälfteanteil des verstorbenen Gatten sei je zur Hälfte den beiden Kindern eingeantwortet worden. Auf Grund eines Erbenübereinkommens stehe der Klägerin jedoch an diesem Hälfteanteil die Dienstbarkeit der lebenslangen und unentgeltlichen Fruchtnießung zu. Die gesamte Landwirtschaft sei seit 1954 verpachtet. Die beklagte Partei sei vergleichsweise bereit, auch die Erträgnisse aus der Fruchtnießung nur gemäß § 149 Abs. 7 GSVG bei Feststellung der Ausgleichszulage in Anrechnung zu bringen, sofern die Klägerin ihre Klage zurückziehe.
Die Klägerin erwiderte, daß ihr Fruchtgenußrecht bereits seit 1981 bestehe, daß jedoch bisher, und zwar zuletzt mit Bescheid aus dem Jahr 1984 bei einem höheren Einheitswert der ganzen Liegenschaft eine Ausgleichszulage von monatlich (über) S 1.000,-
gewährt worden sei; es sei nicht erkennbar, wieso nunmehr ein höheres Nebeneinkommen angerechnet werde. Der Wert des Fruchtgenußrechtes bestehe ausschließlich im Bezug des Pachtschillings für die Liegenschaft.
Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin ab eine Ausgleichszulage von S 1.490,50 monatlich zu zahlen. Es stellte fest, daß die Klägerin Hälfteeigentümerin der landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft EZ 34 KG P***** sei, deren andere Hälfte ihren Kindern gehöre. Der Einheitswert sei ab mit S 38.000,- festgesetzt worden und habe in der Zeit davor zwischen S 37.000,- und S 64.000,- betragen. Seit 1954 sei die rund 4,9 ha große Liegenschaft an einen Fremdpächter verpachtet, woraus die Klägerin einen jährlichen Pachtzins von S 5.800,- abzüglich der Grundsteuer und Gemeindeumlage von zusammen S 1.400,- jährlich erhalte. Die Klägerin beziehe überdies nach ihrem Ehemann eine Witwenpension, die ab S 1.686,90 betrage.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, nach § 149 Abs. 7 GSVG sei bei Verpachtung einer landwirtschaftlich genutzten Liegenschaft 21,6 v.H. des Einheitswertes : 12 als monatliches Liegenschaftseinkommen zu berücksichtigen; dies ergebe ein Einkommen von S 342,- monatlich. Eine Berechnung nach § 149 Abs. 5 GSVG komme nicht in Betracht, weil dies nur bei Eigenbewirtschaftung gelte. Unter Berücksichtigung der Alterspension von S 1.614,60, der Witwenpension von S 1.686,90 und des landwirtschaftlichen Einkommens von S 342,- ergebe sich eine Ausgleichszulage von S 1.490,50 als Differenz zum Richtsatz von S 5.134,-.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, hingegen der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß es der Klägerin ab eine monatliche Ausgleichszulage von S 2.231,30 zusprach. Gemäß § 149 Abs. 3 Satz 1 GSVG zähle das jährliche Pachteinkommen der Klägerin aus der Liegenschaftshälfte ihrer Kinder von S 2.900,- abzüglich der anteiligen Grundsteuer und Gemeindeumlage von jährlich S 700,- als Nettoeinkommen, während gemäß § 149 Abs. 7 GSVG hinsichtlich ihrer eigenen Liegenschaftshälfte ohne Rücksicht auf den Pachtzins eine pauschalierte Anrechnung vom fiktiven Einkommen in der Höhe von 21,6 % des anteiligen Einheitswertes von S 19.000,- vorzunehmen sei. Die Witwenpension sei vom Erstgericht irrtümlich zu hoch beziffert worden und betrage nur S 762,80 brutto. Die monatliche Ausgleichszulage errechne sich daher wie folgt:
Eigenpension brutto (§ 149 Abs. 1 GSVG) S 1.614,60
Witwenpension brutto (§ 149 Abs. 1 GSVG) S 762,80
Nettoeinkommen nach § 149 Abs. 3 Satz 1 GSVG S 183,30
Pauschalanrechnung (§ 149 Abs. 7 GSVG) S 342,--
Ausgleichszulage (§ 153 Abs. 1 GSVG) S 2.231,30
ergibt Richtsatz S 5.134,-.
Dieses Urteil wird von der beklagten Partei mit Revision insoweit angefochten, als der Klägerin eine S 899,30 übersteigende Ausgleichszulage zuerkannt wurde. Es wird die entsprechende Abänderung, hilfsweise Aufhebung und Zurückverweisung, beantragt.
Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne ihres Eventualantrages berechtigt. Eingangs sei erwähnt, daß der Anspruch der Klägerin auf Gewährung der Ausgleichszulage im Hinblick auf den Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz () nur nach der Rechtslage vor der 16. GSVG-Nov BGBl. 1989/643 geprüft werden kann, die erst mit in Kraft getreten ist (Art. IV der Novelle). Daher braucht nicht darauf Bedacht genommen zu werden, daß nach den Übergangsbestimmungen des Art. II Abs. 4 der
16. GSVG-Nov § 149 Abs. 4, 7 und 9 bis 12 GSVG in der geänderten Fassung auch für Versicherungsfälle gilt, in denen der Stichtag der Pension, zu der die Ausgleichszulage gewährt werden soll, vor dem liegt (SSV-NF 4/76). Ob die Klägerin mit Rücksicht auf die geänderte Rechtslage einen neuerlichen Antrag stellen kann, ist hier nicht zu erörtern. Nach den Gesetzesmaterialien (vgl. EB zur RV der 14. BSVG-Nov 1102 BlgNR 17.GP 8 f) sollen die Übergangsregelungen gewährleisten, daß die Begünstigungen auch auf jene Fälle ausgedehnt werden, in denen der Stichtag vor dem Inkrafttreten der Novelle liegt; dies hat nur zur Folge, daß in den alten Fällen das neue (günstigere) Recht anzuwenden ist, allerdings auf Grund des Einheitswertes, wie er im Einzelfall am für die Einkommensermittlung maßgebend war (vgl. SSV-NF 4/56 zur ähnlichen 14. BSVG-Nov).
Die beklagte Partei wiederholt in der Revision den schon in der Berufung erhobenen, vom Berufungsgericht allerdings unbeachtet gelassenen Einwand, daß der Pauschalanrechnung iS des § 149 Abs. 7 GSVG unrichtigerweise der Einheitswert 1988 zugrunde gelegt worden sei. Gemäß Art. III Abs. 2 der 15. GSVG-Nov sind, soweit nach sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften Einheitswerte land(forst)wirtschaftlicher Betriebe heranzuziehen sind, hiebei Änderungen dieser Einheitswerte anläßlich der Hauptfeststellung zum für die Zeit vor dem nicht zu berücksichtigen. (Durch Art. III Abs. 1 der 16. GSVG-Nov wurde schließlich der Zeitraum der Nichtberücksichtigung des Einheitswertes 1988 um ein weiteres Jahr ausgedehnt.) Die Revisionswerberin verweist daher zutreffend darauf, daß im vorliegenden Fall vom Einheitswert 1979 ausgegangen werden müsse, dies allerdings unter besonderer Bedachtnahme auf die verschiedenen Sachverhaltsänderungen und den 5 % Zuschlag (Art. II Abs. 1 Bewertungsänderungsgesetz 1979, BGBl. 318 und Art. III Abs. 2 der 7. GSVG-Nov). Weiters wiederholt die beklagte Partei ihren schon in der Berufung erhobenen und vom Berufungsgericht mit Stillschweigen übergangenen Einwand, daß es unterlassen worden sei, die gemäß § 149 Abs. 7 GSVG ermittelten Einkünfte im Sinne der Anordnung des § 149 Abs. 12 GSVG aF mit dem entsprechenden Multiplikator (dem Produkt der seit festgesetzten Anpassungsfaktoren) zu vervielfachen. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, daß die Klägerin - wie dem Pensionsakt entnommen werden kann - im Jahr 1972 eine monatliche Ausgleichszulage von S 938,70 und ab eine um 9 % erhöhte Ausgleichszulage von S 1.023,20 bezog (Blatt 129 des Anstaltsaktes).
Mit der 21. Novelle zum GSPVG, BGBl. 1973/32 (ebenso wie mit der 29. ASVG-Nov) wurde das Ausgleichszulagenrecht grundlegend neu gestaltet. Um zu gewährleisten, daß für Pensionisten, die zum bereits eine Ausgleichszulage nach den bis dahin geltenden Rechtsvorschriften bezogen hatten, keine Schlechterstellung eintrete, wurden Übergangsbestimmungen geschaffen. Durch diese Übergangsbestimmungen sollten nach altem Recht zustehende Ausgleichszulagen geschützt, aber auch ein allmähliches "Einschleifen" durch sukzessive Annäherung des geschützten Betrages an den nach neuem Recht errechneten Ausgleichszulagenbetrag erreicht werden. Der Oberste Gerichtshof hat die bei der Berechnung der sogenannten geschützten Ausgleichszulage anzuwendenden Grundsätze in seiner Entscheidung vom , SSV-NF 3/51 = SZ 62/85, eingehend dargestellt und darauf verwiesen, daß die Erhöhung der Einheitswerte eine Änderung des Sachverhaltes darstellt, der auch Einfluß auf die geschützten Ausgleichszulagen hat. Bestand am auf Grund von Übergangsbestimmungen im Bereich des GSPVG Anspruch auf eine Leistung, die höher war als die sich nach den Bestimmungen des GSVG ergebende entsprechende Leistung, so ist die Leistung ab in dem sich auf Grund der bisherigen Bestimmungen jeweils ergebenden Ausmaß weiterzugewähren und zwar so lange, als sie die Leistung übersteigt, die nach den Bestimmungen des GSVG gebührt (§ 238 Abs. 3 GSVG). Daher könnten die Bestimmungen des Art. II Abs. 9 und 10 der 21. GSPVG-Nov auf den vorliegenden Fall weiter anzuwenden sein (vgl. abermals SSV-NF 3/51). Ergänzend sei bemerkt, daß § 149 Abs. 12 GSVG in den Fassungen der 8. und der
10. GSVG-Nov nur auf Versicherungsfälle anzuwenden waren, in denen der Stichtag der Pension, zu der die Ausgleichszulage gewährt werden sollte, nach dem (Art. II Abs. 6 der 8. Novelle) bzw. nach dem (Art. II Abs. 9 der 10. Novelle) liegt.
Die erstgerichtlichen Feststellungen reichen nicht aus, um die hier angeschnittenen Fragen abschließend beurteilen zu können. Die Fragen des Übergangsrechtes und der geschützten Ausgleichszulage wurden in erster Instanz überhaupt nicht erörtert; die Berufungsausführungen der beklagten Partei, die in diese Richtung zielten, wurden vom Berufungsgericht unbeachtet gelassen. Insbesondere fehlen Feststellungen zu den jeweils maßgebenden Einheitswerten. Um die Sache spruchreif zu machen, bedarf es daher einer Verhandlung in erster Instanz, so daß das angefochtene Urteil sowie das Urteil des Erstgerichtes aufzuheben waren und die Sozialrechtssache an das Erstgericht zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden mußte.
Mangels entsprechender Feststellungen der Tatsacheninstanzen kann auch zu dem letzten Revisionseinwand, das Berufungsgericht habe jene Liegenschaftshälfte, an der die Klägerin ein Fruchtgenußrecht habe, bei der Berechnung des landwirtschaftlichen Pauschales gemäß § 149 Abs. 7 GSVG außer Betracht gelassen, nicht abschließend Stellung genommen werden. Soweit bereits jetzt ersichtlich ist, wurde der Klägerin das Fruchtgenußrecht an der von ihrem Ehegatten auf die beiden Kinder vererbten Liegenschaftshälfte anläßlich eines Erbübereinkommens eingeräumt. Der bereits seit 1954 bestehende Pachtvertrag wurde - entsprechende Feststellungen fehlen - gemäß § 1116 a ABGB durch den Tod des Ehegatten der Klägerin offenbar nicht aufgehoben (vgl. Würth in Rummel ABGB Rz 2 zu § 1116 a ABGB). Selbst wenn Bestandgeber zunächst die erblasserischen Kinder geworden sein sollten, tritt auch der Fruchtnießer in die vom Eigentümer vor Bestellung des Fruchtgenußrechtes geschlossenen Pachtverträge ein (Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts8 II 155 mit Judikaturhinweisen bei FN 5). Handelt es sich aber jedenfalls nur um den Eintritt in den bestehenden Pachtvertrag, dann liegt schon deshalb kein Fall des § 149 Abs. 7 GSVG vor, wonach Voraussetzung ist, daß die Bewirtschaftung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes aufgegeben, der Betrieb übergeben, verpachtet oder auf andere Weise jemandem zur Bewirtschaftung überlassen wurde. Bei einem auf Grund des Gesetzes erfolgten Eintritt in einen bestehenden Pachtvertrag hat nämlich der Fruchtnießer gar nicht die für die Einführung der Pauschalanrechnung maßgeblich gewesene Möglichkeit, seinerseits eine (andere als die bisherige) Gegenleistung für die verpachtete Liegenschaft zu vereinbaren (vgl auch § 4 LPG). Dem Berufungsgericht wäre daher in einem solchen Fall insoweit zuzustimmen, daß die auf die Klägerin als Fruchtgenußberechtigte entfallenden Pachteinnahmen gemäß § 149 Abs. 3 GSVG angerechnet werden müßten.
Aus diesen Erwägungen waren die Urteile der Vorinstanzen im angefochtenen Umfang aufzuheben. Im Umfang des Zuspruches einer Ausgleichszulage an die Klägerin von S 899,30 ab sind die Urteile der Vorinstanzen als unangefochten in Rechtskraft erwachsen.
Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs. 1 ZPO.