OGH vom 01.09.1999, 9ObA172/99f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling und die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Franz Höllebrand als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Konrad K*****, Pensionist, ***** vertreten durch Mag. Wolfgang Stabauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Salzburger Gebietskrankenkasse, Faberstraße 19 - 23, 5024 Salzburg, vertreten durch Dr. Johannes Honsig-Erlenburg, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Gewährung von Einsicht in den Personalakt (Streitwert S 60.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Ra 308/98p-15, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 11 Cga 134/98m-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.871,04 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 811,84 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des pensionierten Klägers auf Einsichtnahme in den Personalakt zutreffend verneint. Insoweit ist auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO).
Den Revisionsausführungen ist ergänzend entgegenzuhalten:
Ob und inwieweit ein Arbeitnehmer bei aufrechtem Arbeitsverhältnis ohne jede Einschränkung zur Einsicht in seinen Personalakt berechtigt ist, ist hier nicht Gegenstand des Verfahrens. Selbst wenn der Personalakt, der Urkunden, Schriftstücke und sonstige Vorgänge enthält, die die persönlichen und dienstlichen Verhältnisse des Arbeitnehmers betreffen und in einem inneren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen (Cerny in Cerny/Haas-Laßnigg/Schwarz, ArbVG Band 3, 40), als gemeinschaftliche Urkunde zu qualifizieren wäre, die ein Rechtsverhältnis zum Gegenstand hat, das zwischen dem Kläger und der beklagten Partei besteht (SZ 61/208; 9 ObA 153/88), so sind die Voraussetzungen der Vorlagepflicht dieser Urkunde im Sinne des Art XLIII EGZPO nicht gegeben.
Voraussetzung des Einsichtsrechts ist das Vorliegen eines rechtlichen Interesses, das bei aufrechtem Arbeitsverhältnis wegen des Bestehens des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses grundsätzlich als selbstverständliche Gegebenheit anzusehen ist, das jedoch bei einem seit 1988 ausgeschiedenen Arbeitnehmer darzulegen und zu bescheinigen ist und auch noch im Zeitpunkt der Urteilsfällung gegeben sein muß (9 ObA 153/88). Selbst § 83 Abs 1 BetrVG, der das Recht des Arbeitnehmers auf Einsicht in seinen Personalakt normiert, macht das Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Arbeitnehmers von der Darlegung eines rechtlichen Interesses abhängig (Kaiser/Heither/Engels, Betriebsverfassungsgesetz19, Handkommentar Rz 8 zu § 83). Dies gründet sich darauf, daß das bei aufrechtem Bestand des Arbeitsverhältnisses laufende rechtliche Interessen beinhaltende Arbeits- und Rechtsverhältnis zwischen den Arbeitsvertragsparteien weggefallen ist und daher die bei aufrechtem Arbeitsverhältnis vorhandenen wechselseitigen Rechte und Pflichten grundsätzlich nicht mehr bestehen, so daß derjenige, der Rechte aus dem ehemals bestandenen synallagmatischen Rechtsverhältnis geltend macht, diese zu konkretisieren hat.
Das Begehren auf Einsichtnahme oder Auskunft über den Inhalt des Personalaktes "zur Überprüfung eines Anspruches" oder "im Zusammenhang mit einem Anspruch" wie mit Schreiben Beilage 1 geltend gemacht, das trotz Aufforderung zur Präzisierung nicht konkretisiert wurde, ist kein geeignetes Begehren, um die Einsichtnahme oder Auskunft zur Erhaltung oder Verteidigung rechtlich geschützter konkreter Interessen des ehemaligen Arbeitnehmers erkennbar zu machen und zu rechtfertigen.
Ob das gegenständliche Begehren mit dem rechtskräftig zugunsten des Klägers entschiedenen Anspruch auf eine einmalige Belohnung im Zusammenhang steht und einen bisher noch nicht "genau überprüften Punkt des Anspruches" betrifft, läßt immer noch kein rechtliches konkretisiertes Interesse an der Vorlage der Personalakten und der Einsicht erkennen, so daß nach diesem Vorbringen nur die Vorlage und Auskunft ohne konkrete Angabe lediglich dazu führen würde, dem Kläger allenfalls Unterlagen für die Rechtsverfolgung gegen den ehemaligen Dienstgeber zu sichern, was aber kein rechtliches Interesse begründet (SZ 61/208; 9 ObA 153/88). Ob die Personalakten in einem vom Kläger gegen die beklagte Partei angestrengten Prozeß über arbeitsvertragsrechtliche Ansprüche als gemeinschaftliche Urkunde gemäß § 304 ZPO vorzulegen wären, ist hier nicht zu untersuchen.
§ 89 Z 4 ArbVG regelt nur das Recht des Betriebsrates unter bestimmten Voraussetzungen Einsicht in die Personalakten zu nehmen. Dies ist aber hier nicht von Belang, weil pensionierte Dienstnehmer nicht zur Belegschaft gehören und daher nicht vom Betriebsrat vertreten werden (9 Ob 16/99i), so daß dieser Bestimmung keine Rechtsgrundlage für ein individuelles Einsichtsrecht des Pensionisten entnommen werden kann. Da auch § 6 Abs 3 DO.A nur eine "Auskunftspflicht" des Dienstgebers über erworbene Rechte und anrechenbare Vordienstzeiten enthält, läßt sich auch daraus kein nicht konkretisiertes allgemeines Einsichts- und Auskunftsrecht ableiten. Dazu wäre die Dartuung eines rechtlichen Interesses, das dem Kläger offenbar selbst nicht klar ist, notwendig. Erst dann läßt sich erkennen, ob im Einzelfall ungeachtet des seit langer Zeit beendeten Dienstverhältnisses ein nicht schikanöses Begehren auf Einsicht und Auskunft aufgrund des Persönlichkeitsschutzes oder sonstiger konkreter rechtlicher Interessen des ehemaligen Arbeitnehmers gegeben ist. Eine Interessensabwägung kann überhaupt erst erfolgen, wenn der Dienstnehmer seine Interessen dargetan hat. Unbeachtlich ist, ob die Akteneinsicht "mit Aufwand verbunden wäre".
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.